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Der Ritter Palle stellte
Der feinen Gunhild nach.
Er hätt ihr gerne angetan
Bitter Weh und Schmach.
»Hört, schöne Jungfer Gunhild,
Wollt Ihr meine Liebste sein?
So nehm ich ehrlich zu eigen Euch
All Tage des Lebens mein.« –
»Sagt, Ritter Palle, Ihr liebt mich?« –
»Von Herzen, teure Maid!« –
»Was soll ich tun?« – »Seid mein heut nacht!« –
»Und schafft Ihr mir kein Leid?« –
»Euch soll kein Leides geschehen!« –
»So harret mein am Tor!« –
»Von Abendrot bis Sternenlicht
Will ich stehen davor!« –
»He, junger Fuhrknecht, nun spanne
Ans Wäglein Mutters Roß.
Wir fahren zusammen heute nacht
Zu Ritter Palles Schloß!«
Sie kleidet ihren Fuhrknecht
In Marder und Scharlachgewand;
Ihren weißen Schleier ihm vors Gesicht,
Ihr Ringlein ihm an die Hand.
Gunhild schlüpft in des jungen
Fuhrknechts schmucke Tracht:
Zügel und Peitsche nahm sie zur Hand
Und fuhr in die dämmernde Nacht.
»Guten Abend, schönen Abend, Herr Palle!« –
»Guten Abend, mein schönes Kind!« –
»Im Wagen, Herr Palle, sitzt Euer Feinslieb!« –
»Komm her, geschwind, geschwind!« –
Der Ritter hob zitternd vor Lüsten
Den jungen Fuhrknecht heraus;
Er trug ihn im Arme – Gunhild fuhr
Lachend im Wäglein nach Haus ...
»Sitz nieder im Hochgemache
Und trinke von meinem Wein;
Dann führ ich, gute Gunhild, dich
Ins Brautgemach hinein.«
Er klopft ihr auf die Wangen:
»Feinslieb, du bist so stumm!«
Er streicht ihr das Haar und küßt ihr die Hand:
»Feinsliebchen, kehr dich um!« –
»Ich bin nicht euer Feinsliebchen,
O Ritter Palle mein;
Ich bin Gunhildens Fuhrknecht,
Drum sparet Kuß und Wein!«
Da griff mit lohender Stirne
Ritter Palle zum Schwert,
Durchs Fenster hinaus der Fuhrknecht sprang,
Lachend und unversehrt ...
Am andern Tage aber
Die böse Gunhild sandt
Zum Ritter: ob er den Fuhrknecht
Als Jungfer auch befand?
Am zweiten Tage schickte
Sie heimlich Angebind:
Wickelband und Kinderzeug
Für seines Fuhrknechts Kind.
Am dritten Tage zäumte
Ritter Palle sein Roß:
Er ritt in die rote Heide hinaus,
Weit fort aus Stadt und Schloß.
*