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Sechstes Buch. England

Benutzt die gegenwärtige Zeit
Mit Heißahojuchheißassa,
Denn Liebe lacht im Jugendkleid
Zur Maienzeit, zur lustigen Paarezeit.

Shakespeare (1564-1616).

 

Geoffrey Chaucher: um 1340-1400

Geburtsort nicht sicher, studierte wohl zu Oxford oder Cambridge, von gründlicher Belesenheit, auch im französischen und italienischen Schrifttum bewandert. Im Kriege gegen Frankreich (1369) gefangen, dann entlassen; 1374 Zolleinnehmer, führte er ein kärgliches Leben. Nachfolgende Probe – die auch Langbein und Liliencron (Bunte Beute: die neue Sintflut) bearbeitet haben – stammt aus dem Italienischen. (Aus den Canterbury-Geschichten. Übersetzt von Wilhelm Herzberg, Leipzig 1866.)

 

Die Erzählung des Müllers

Vorzeiten war einmal zu Oxenford
Ein reicher Kauz, der hielt Kostgänger dort,
Und war ein Zimmermann von Profession.
Es wohnte auch ein armer Musensohn
Bei ihm, gar hochgelahrt, des Phantasie
Sich ganz gewendet auf Astrologie,
Der nach bestimmten Schlüssen auf Befragen
Sichern Bericht und Antwort konnte sagen,
Man nannt ihn nur den feinen Nikolas.
Auf Liebesheimlichkeit und andern Spaß
Verstand er sich, war schlau und konnte schweigen
Und sich verschämt wie eine Jungfer zeigen.
Er hatte auch ein muntres Saitenspiel.
Mit diesem musiziert er nachts soviel
Und lieblich, daß sein ganzes Zimmer klang,
Wenn Angelus ad virginem er sang.
Der Zimmermann war nur vermählt soeben:
Er liebte seine Frau mehr als sein Leben.
Vermut ich recht, war sie erst achtzehn Jahr.
Er hielt sie, da er eifersüchtig war,
In enger Haft. Jung war und wild die Dirne,
Er alt; drum spürt er Hörner an der Stirne.
Er war zu roh; nicht kannt er Catos Lehre,
Daß seinesgleichen man beim Frein begehre.
Man sollte nach Verhältnis immer frein,
Da Jugend sich und Alter oft entzwein.
Doch da er in die Fessel nun geschlagen,
Mußt er sein Kreuz so gut wie andre tragen!
Und nun, ihr werten Herrn, also geschahs,
Daß eines Tags der feine Nicolas
Mit diesem Weibchen, da in Oseney
Ihr Mann war, Jokus trieb und Schäkerei;
Und wie denn ein Student, ein schlauer Gast,
Hat zärtlich er und heimlich sie umfaßt
Und ihr gesagt: »Laß meine Lust mich büßen,
Sonst sterb ich, Schatz, vor Liebe dir zu Füßen.«
Und hielt sie um die Hüften fest umfangen
Und sprach: »O, Liebchen, stille mein Verlangen –
So wahr Gott lebt, sonst stürz ich tot zur Erde.«
Sie sprang empor gleich einem jungen Pferde
Im Notstall, drehte von ihm das Gesicht
Und rief: »Bei meiner Treu, das tu ich nicht.
Laß sein, ach! Nikolas,« sprach sie, »laß sein,
Sonst muß ich Mordio und Zeter schrein.
Ich bitte höflichst, nimm die Hände fort.«
Doch Nikolas gab manches gute Wort
Und fleht um Gnad und ließ so gar nicht nach,
Daß sie zuletzt ihm ihre Gunst versprach
Und schwur ihm zu bei St. Thomas von Kent,
Wenn sie erspäht den richtigen Moment,
So wolle sie erfüllen sein Verlangen.
»Mein Mann ist so von Eifersucht befangen;
Hältst du nicht stille dich und wartest fein,
So werd ich sicherlich des Todes sein.
Drum halte diese Sache ganz verborgen.«
Und Niklas sprach: »Darum sei außer Sorgen,
Einem Studenten müßt es sehr mißglücken,
Sollt er nicht einen Zimmermann berücken.«
Und sie versprachen sichs mit manchem Eid
Noch, wie gesagt, zu warten einige Zeit.
So machte Nikolas denn alles richtig.
Er klopft ihr dann noch auf die Hüften tüchtig,
Küßte sie süß, nahm die Gitarre drauf
Und spielt ihr munter noch manch Stückchen auf.
Und es begab sich einst nach den Geschichten,
Daß sie, um Christi Werke zu verrichten,
An einem Festtag in der Kirche war.
Ihr Antlitz glänzte wie der Tag so klar;
So wusch sie sich sobald ihr Werk getan.
Nun war bei dieser Kirch ein Sakristan;
Derselbige war Absalon genannt.
Er war ein lustger Bursch, das muß man sagen,
Rasieren könnt er, schröpfen, Ader schlagen,
Quittungen schreiben, Land- und Mietskontrakte,
Auf zwanzig Arten tanzen nach dem Takte.
Oft geigt er wohl auf einer kleinen Fiedel
Und sang mit lautem Ton dazu ein Liedel,
Auch könnt er trefflich die Gitarre schlagen.
Ihr mögt in Schenken und in Brauhäusern fragen
Im ganzen Ort: ist nur die Kellnerin
Recht schmuck, so wett ich, war er schon darin,
Doch stand in einem Ding es mit ihm faul: –
Er stank fatal und hatt ein böses Maul.
Der Absalon nun trat mit muntrem Sinn
An jenem Festtag mit dem Rauchfaß hin,
Räucherte tüchtig rings des Kirchspiels Frauen
Und tat auf sie verliebten Blickes schauen,
Vor allem auf des Zimmermannes Weib.
Ihr Anblick war sein schönster Zeitvertreib.
Sie sah so reinlich, süß und lecker aus:
Ich mag wohl sagen, war sie eine Maus
Und er ein Kater, würd er gleich sie fangen.
Und es erfaßt solch liebendes Verlangen
Den Küster Absalon, den netten Knaben,
Er nahm von keiner Frau die Opfergaben;
Er sprach: aus Höflichkeit nahm er sie nicht.
Und nachts schien hell und klar des Mondes Licht,
Da sah man Absalon zur Zither greifen,
Auf Minnedienst wachsam umherzustreifen.
So ging er lustig und verliebt denn aus
Und kam bald zu des Zimmermannes Haus,
Als kaum der erste Hahnenschrei vorüber.
Er setzt des Zimmermanns Wand genüber
Vor einem Fenster sich in Positur
Und singt allda – doch sanft und leise nur:
»O Holde mein! – ist es der Wille dein,
So bitt ich fein – erbarm dich meiner Pein!«
An einem Samstag, als der Zimmermann
Nach Oseney gegangen war, besann
sich Eischen mit dem feinen Nikolas
Auf einen Plan, durch einen schlauen Spaß
Den eifersüchtgen Ehmann zu berücken,
Wenn diese List dem Niklas sollte glücken.
Und hätten sie das Ding zurechtgebracht,
Dann wollt in seinem Arm die ganze Nacht
Sie schlafen; denn das wünschte sie wie er.
Und Nikolas (was solls der Worte mehr?)
War länger noch zu warten nicht gewillt.
Stillschweigend hat das Zimmer er gefüllt
Mit Trank und Speisen, etwa für zwei Tage.
Dann bat er sie, daß ihrem Mann sie sage,
Fragt er etwa, wo Nikolas doch wäre,
Sie wüßt es nicht, da sie bei ihrer Ehre
Den Tag lang ihn mit Augen nicht geschaut.
Er müsse krank wohl sein; es hab ihn laut
An seiner Tür gerufen ihre Magd,
Doch hab er keine Antwort ihr gesagt.
So ging Sonnabends hin der ganze Tag,
Daß Niklas still in seiner Kammer lag
Und aß und trank und nach Belieben tat,
Bis Sonntags auch der Abend sich genaht.
Der dumme Zimmermann quält sich mit großen
Bedenken, was dem Niklas zugestoßen,
Und spricht: »Beim heiligen Thomas, mir ist bange,
Mit Niklas ist etwas nicht recht im Gange.
Geh gleich hinauf,« sprach er zum Buben sein,
»Ruf an der Türe, klopf mit einem Stein.
Sieh, wie es steht, und sag mirs sonder Weile.«
Der Bube geht hinauf in voller Eile,
Und wie er an der Kammertüre stand,
Klopft er und schrie, als war er hirnverbrannt.
Doch half ihm nichts; es kam kein Wort herfür.
Da fand ein Loch er unten an der Tür,
Wo öfters wohl hindurch die Katze kroch.
Er bückt sich tief, schaut durch besagtes Loch,
Und endlich kommt ihm Niklas zu Gesicht.
Da sitzt er aufrecht, gafft und rührt sich nicht,
Als guckte er den neuen Mond sich an.
Er geht hinab und sagts dem Meister an,
Wie seinem Blick der Mann dort sei begegnet;
Worauf der Zimmermann sich kreuzt und segnet:
»Der Mann hier ist durch die Sternseherei
In Wut verfallen oder Raserei.
Ich dacht es immer, ob das gut wird gehn.
Man soll nach Gottes Heimlichkeit nicht spähn.
Das taugt zu nichts! Doch bei St. Thoms, mir tut
Der Nikolas sehr leid, das junge Blut.
Aufwachen soll er aus der Träumerei,
Steht mir der Himmelskönig Jesus bei. –
Gib mir nen Stock; ich setz ihn unter eben;
Dann, Robin, mußt die Tür du oben heben.
Er soll aus seinem Traume sicherlich.«
Und an die Kammertüre macht er sich;
Ein starker, tüchtiger Kerl war sein Geselle,
Er hob sie aus den Haspen auf der Stelle,
Und auf den Estrich fiel die Tür hinein.
Doch Nikolas hat stille wie ein Stein
Aufwärts ins Blaue gaffend dagesessen.
Jetzt hält der Zimmermann ihn für besessen:
»He! Niklas! Mann! Was? Laß das Stieren sein.
Wach auf und denk an Christi Kreuz und Pein.« ...
Und endlich seufzt der feine Niklas auf
Mit tiefem Schmerzenslaut und sagt darauf:
»Weh! ist der Untergang der Welt so nah?«
Der Zimmermann versetzt: »Was redst du da?
Sei, wie wir Arbeitsleute, Gott ergeben.«
Und Niklas sprach: »Laß mir zu trinken geben.
Dann will ich dir (doch gilts Verschwiegenheit)
Etwas vertraun von größter Wichtigkeit
Für mich und dich, das niemand sonst erfährt.«
Der läuft hinab, ist bald zurückgekehrt,
Und bringt von starkem Bier ein reichlich Quart,
Das auch von beiden ausgetrunken ward.
Die Tür schließt Nikolas fest zu alsdann,
Zieht zu sich auf den Sitz den Zimmermann
Und sagt: »Johann, mein Hauswirt lieb und wert,
Zuerst verlang ich, daß Ihr heilig schwört,
Ihr wollt niemandem meinen Plan verraten;
Denn Christus selber hat ihn mir geraten.
Erzählt Ihr einem ihn, seid Ihr verloren.
Denn diese Rache ist Euch zugeschworen,
Daß Ihr in Wahnsinn dann verfallt und Wut.«
»Bewahre, nein, bei Christi heiligem Blut!
Ich bin nicht einer von den Plaudermatzen,«
So sprach der Tor, »ich bin kein Freund vom Schwatzen.«
»Nun, John,« sprach Niklas, »sei dirs denn bekannt,
Daß ich es in der Sternenkunde fand,
Wie ich im hellen Mond es selbst gesehn,
Am nächsten Montag soll nachts gegen zehn
Ein Regen fallen und mit solcher Wut,
Daß halb so groß nicht war des Noah Flut.
In weniger als einer Stunde Dauer
Ersäuft die Welt; so schrecklich wird der Schauer.
Die ganze Menschheit muß ertrinken dann.«
»Mein armes Weib!« rief da der Zimmermann,
»Ertrinkt auch sie! Ach, armes Eischen mein!«
Fast fiel zu Boden er vor Sorg und Pein
Und sprach: »Und ist da keine Rettung, keine?«
»Ei ja, bei Gott!« sprach Nikolas, der feine.
»Nur mußt du hübsch nach Rat und Lehre wandeln
Und nicht nach deinem eignen Kopfe handeln.
Wahr ist, was Salomon der Weise spricht:
Was du nach gutem Rat tust, reut dich nicht.
Drum, folgst du gutem Rat auch hier als Regel,
Gedenk ich ohne Mast und ohne Segel,
Ich selbst samt dir und ihr davonzukommen.
Hast du von Noahs Rettung nicht vernommen,
Wie er des Herren Warnung erst empfing,
Bevor die Welt durch Wasser unterging?
In aller Hast tu dich für uns darum
Nach drei Backtrögen oder Mulden um,
Eine für jeden, doch nimm groß und starke.
Wir schwimmen dann darin, als wärs ne Barke,
Und nehmen Speise mit für einen Tag.
Im übrigen geschehe was da mag.
Denn um des nächsten Tages Morgenstunden
Sinkt schon die Flut und ist dann bald verschwunden. –
Doch hast du für uns alle bis zur Nacht
Die drei Backtröge dann herbeigebracht,
Sollst du sie hoch aufhängen unterm Dach,
Daß niemand unsern Plan erspähen mag.
Und hast du dann getan nach meinem Rat
Und sicher eingepackt den Mundvorrat,
Nimm eine Axt, daß wir damit entzwei
Den Strick haun, wenn das Wasser kommt herbei,
Und brechen nach der Wasserseite, hoch
Über dem Stall im Giebel uns ein Loch.
Ist dann der große Regenguß vorbei,
So ziehn wir unsers Weges froh und frei!
Dein Weib und du, ihr müßt gesondert hangen,
Daß zwischen euch kein sündiges Verlangen
Sich rege, nicht in Taten noch in Blicken,
So spricht der Herr. Geh; laß mit Gott dies glücken.«
Der dumme Zimmermann macht sich danach
Auf seinen Weg mit manchem Weh und Ach,
Hat sein Geheimnis auch der Frau vertraut,
Die gleich viel besser als er selbst durchschaut,
Was dieser schlaue Plan besagen wollte.
Sie tat gleichwohl, als ob sie sterben sollte,
Und sprach: »O weh! Ach, rasch und unverweilt
Hilf uns zur Flucht, eh uns der Tod ereilt.
Ich bin dein ehlich Weib, dir treu ergeben.
Ach, lieber Mann, geh, rette uns das Leben.«
Der seufzt und weint aus tiefster Herzenspein,
Und geht alsdann, kauft einen Backtrog ein,
Sucht außerdem sich einen Bottich aus
Und eine Muld und schickt sie in sein Haus,
Und hängt sie heimlich hoch auf unterm Dach.
Drei Leitern macht er selbst zurecht danach,
Um mittels ihrer Sprossen oder Stufen
Zum Balken aufzuklimmen, zu den Kufen.
Und Montags, als zu dunkeln es begann,
Schließt er die Tür, steckt keine Lichter an
Und setzt in Ordnung alles Reih bei Reih.
Hinauf dann klommen eilig alle drei.
Ein Viertelstündchen saßen sie da stumm.
Und Nikolas sprach: »Pater noster – hum,«
Und »hum« sprach Alison und »hum« ihr Mann.
Den Abendsegen sagte John alsdann,
Sprach sein Gebet, daß, ohne sich zu rühren,
Und horcht, ob noch vom Regen nichts zu spüren,
Bis er in einen Totenschlaf zuletzt
Verfiel; so matt war er und abgehetzt,
Es mochte wenig erst nach achten sein.
Er ächzte schwer von tiefer Seelenpein
Und schnarchte dann: sein Kopf lag ihm verkehrt.
Und Nikolas hinab die Leiter fährt,
Und Alison schlich sacht sich hinterdrein.
Stracks fliegen sie dann in das Bett hinein,
Wo sonst der Ruhe pflag der Zimmermann.
Da hob sich Lustbarkeit und Jubel an.
Und so lag Alison und Nikolas
Mit Schäkerein beschäftigt und mit Spaß,
Bis daß die Glocken zur Frühmette klangen
Und in dem Kirchenchor die Mönche sangen.
Und Absalon, der schmachtende Sigrist,
Der stets vor Liebe ganz verhimmelt ist,
War an dem Montag just in Oseney,
Sich zu zerstreun in lustger Kompanei,
Und fragte da ganz im Geheimen an
Bei einem Mönch nach John, dem Zimmermann.
Der nahm ihn aus der Kirche auf die Seite
Und sprach: »Ich sah von Samstag ihn bis heute
Nicht bei der Arbeit. Er ist über Land
Gewiß nach Holz von unserm Abt gesandt.«
Drob hat dem Absalon das Herz gelacht.
Er denkt: »Nun wach ich diese ganze Nacht.
Seit Tagesanbruch hab ich nicht gespürt,
Daß er von seiner Türe sich gerührt.«
Als kaum der erste Hahnenschrei erklungen,
Kam der verliebte Bursch schon angesprungen
Und stellt sich stille unterm Fenster auf,
Bis an die Brust reicht er daran hinauf;
So niedrig wars – und hustete ganz leise.
»Was raachts du, süßes Elschen, kleine Meise?
Mein Honigseim, mein süßes Zuckerplätzchen,
Wach auf und sprich zu mir, mein holdes Schätzchen.
Gar wenig ahnest du mein Liebeswehe,
Wie ich vor Inbrunst schwitze, wo ich gehe.
Kein Wunder, daß ich also schmelz und schwitze;
Ich schmachte wie das Lämmchen nach der Zitze.
So, Liebchen, zehrt an mir der Sehnsucht Plage,
Daß wie die treue Turteltaub ich klage.
Kein Kind kann weniger als ich verzehren.«
»Willst du, Hans Narr, dich gleich vom Fenster scheren!«
Sprach sie: »Bei Gott, es wird doch nichts, Kumpan.
Ich bin, gottlob, nem andern zugetan,
Geh in drei Teufels Namen, laß mich ruhn!«
Und Absalon klagt Ach und Weh nun,
Wie schlecht man treuer Liebe lohnt auf Erden.
»Nur einen Kuß, soll mir nichts Beßres werden,
Laß mich um Christi Liebe denn erflehn!«
»Und willst du dann auch deiner Wege gehn?«
»Ja, ganz gewiß, mein Herz,« sprach Absalon.
»So mach dich denn bereit, ich komme schon.«
Das Fenster öffnet rasch das schöne Kind
Und ruft: »Komm, spute dich und machs geschwind,
Daß unsern Nachbarn es nicht werde kund.«
Und Absalon wischt sauber sich den Mund.
Die Nacht war pechkohlfinster und voll Graus.
Sie sah zum Fenster – nicht von vorn – hinaus.
Und Absalon – es war nun anders nicht –
Küßt mit dem Mund ihr hintres Angesicht
Mit rechtem Wohlgeschmack, eh ers ward gewahr.
Er fuhr zurück; das Ding war ihm nicht klar.
Er wußte doch, ein Weib hat keinen Bart.
Er fühlt ein Ding ganz rauh und lang behaart.
»Weh! was hab ich getan,« rief er, »pfui, puh!«
Sie lacht: »Hi, hi!« und wirft das Fenster zu.
Und Absalon zieht ab mit trübem Mut.
»Ein Bart! ein Bart! wahrhaftig, das geht gut,
Bei Gottes Korpus!« sagte Nikolas.
Der dumme Absalon hört alles das
Und beißt vor Ärger auf die Lippen sich
Und spricht für sich: »Wart, ich bezahle dich!
O weh, o weh! wie war ich doch verblendet!«
Die Glut erlosch, sein Sehnen war geendet;
Er ist von seiner Krankheit nun genesen,
Schimpft weidlich auf das ganze Minnewesen
Weint wie ein Kind, dem man die Rute gab,
Und geht die Straße leisen Schritts hinab
Zu einem Schmied, Meister Gervais geheißen,
Der just dabei war, Pfluggerät zu schweißen,
Und spricht: »Mach auf, Gervais, doch spute dich.«
»Wer bist du denn! Was?« – »Absalon ists; ich.«
»Was fehlt Euch? Eine Dirne setzt, weiß Gott,
Dich lockern Burschen wieder so in Trott.«
Doch Absalon begann: »Gevatter wert,
Das heiße Eisen hier auf deinem Herd,
Ich könnt es wohl gebrauchen, leih es mir;
Ich bring es auf der Stelle wieder dir.«
Und Gervais sprach: »Und wenn es Gold, auf Ehre –
Ein Sack voll ungezählter Nobel wäre,
Ich gab sie dir, so wahr ich bin ein Schmied.
Doch, Sapperlot, was wollt Ihr denn damit?«
»Damit,« sprach Absalon, »seis, wie es mag,
Ich sag es dir wohl einen andern Tag.«
Und nimmt das Eisen auf beim kalten Ende,
Worauf er schlüpfte aus der Tür behende
Und hinschlich zu des Zimmermannes Wand.
Er hustet erst, dann klopft er mit der Hand
Am Fenster, ganz wie er getan vorher.
Und Alison antwortet: »Ist da Wer?
Wer klopft da so? Ich wett, es ist ein Dieb.«
»Nein, nein,« sprach er, »weiß Gott, mein süßes Lieb,
Ich bin dein Absalon, der Liebste dein,
Ich bringe dir ein goldnes Ringelein.
Dies geb ich dir, willst du mich dann auch küssen.«
Und Nikolas stand grade auf zu ...
Und dacht: »Ich bringe jetzt den Spaß zum Schluß,
Er gibt auch meinem Steiß noch einen Kuß.
Und rasch hat er das Fenster aufgemacht,
Das Hinterteil herausgestreckt ganz sacht,
Den ganzen Steiß mitsamt dem Schinkenbein.
Der Küster sprach: »Mein süßes Vögelein,« ...
Doch hielt das Eisen er, noch glühend heiß,
Und zogs dem Niklas mitten übern Steiß.
Die Haut ging eine Handbreit vom Popo
Ihm ab, der heiße Stahl verbrannt ihn so,
Daß er vor Schmerzen gleich zu sterben meinte
Und wie verrückt vor Pein laut schrie und weinte:
»Helft! Wasser! Wasser! Helft, bei Gott im Himmel!«
Der Zimmermann wacht auf bei dem Getümmel,
Hört einen wie verrückt nach Wasser schrein
Und denkt: Weh, jetzt bricht Noahs Flut hinein!
Er springt auf seine Füße sonder Weile
Und mit der Axt haut er entzwei die Seile.
Plumps! gings herab, Brot, Bier, der ganze Kram,
Bis er herunter auf die Schwelle kam.
Da lag besinnungslos er auf dem Flur.
Wie Niklas da empor und Eischen fuhr!
Wie Zetermordio durch die Nacht sie schrein!
Die Nachbarn rannten alle groß und klein
Herbei und starrten den betäubten Mann,
Der bleich und fahl noch dalag, staunend an.
Er hatt im Fall gebrochen seinen Arm.
Doch tragen mußt er seinen eignen Harm.
Denn, als er sprechen wollte, schrien ihn wieder
Der feine Nikolas und Eischen nieder.
Sie sagten jedermann, er sei verrückt,
Furcht vor der Sündflut hab ihn so berückt
Mit Phantasien, daß er in seinem Wahn
Sich jüngst nach drei Backtrögen umgetan,
Die hab er unterm Dach hoch aufgehängt
Und hab um Gottes willen sie bedrängt
Mit ihm zu sitzen dort par compagnie.
Die Leute lachten ob der Phantasie,
Gafften und guckten nach des Daches Sparren
Und hielten ihn mit seinem Schmerz zum Narren.
Was auch erwiderte der Zimmermann,
Es half ihm nichts, sie hörten ihn nicht an,
Da man mit Schwüren stets ihn niederdrückt.
Es hielt die ganze Stadt ihn für verrückt.
Denn die Studenten gingen Hand in Hand:
»Herr Bruder glaubts, der Kerl war hirnverbrannt,«
Sprach man und lachte, wie der Spaß geglückt.

So ward des Zimmermannes Weib berückt,
Trotz aller seiner Eifersucht und List.
Den falschen Mund hat Absalon geküßt,
Und Niklas ist verbrannt am Hinterteil.
Die Mär ist aus: Gott geb uns allen Heil!

*


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