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Friedrich Schiller: 1759 – 1805

 

Aus dem Venuswagen

 

(Die Schandtaten der Mutter Amors)

Klingklang! Klingklang! schimpflich hergetragen
Von des Pöbels lärmendem Hussa,
Angejochet an den Hurenwagen
Bring ich sie, die Metze Cypria!

Manch Histörchen hat sie aufgespulet,
Seit die Welt um ihre Spindel treibt;
Hat sie nicht der Jahrzahl nachgebuhlet,
Die sich vom verbotnen Baume schreibt? –

Ja, so heule, Metze – kein Erbarmen!
Streift ihr keck das seidne Hemdchen auf.
Auf den Rücken mit den runden Armen!
Frisch! und patschpatsch! mit der Geißel drauf. –

Volkbeherrscher! Götter unterm Monde,
Machtumpanzert zu der Menschen Heil,
Hielt die Buhlin mit dem Honigmunde
Eingemauert im Serail. –

Lose Buben mäkeln mit dem Fürstensiegel,
Kreaturen vom gekrönten Tier
Leihen dienstbar seiner Wollust Flügel
Und ermauscheln Kron und Reich dafür.

Ja, die Hure (laßts ins Ohr euch flüstern)
Bleibt auch selbst im Kabinett nicht stumm.
In dem Uhrwerk der Regierung nistern
Öfters Venusfinger um.

Blinden Fürsten dienet sie zum Stocke,
Blöden Fürsten ist sie Bibelbuch.
Kam nicht auch aus einem Weiberrocke
Einst zu Delphos Götterspruch? –

Manchen hat ins Elend sie gesprudelt,
Eingetrillert mit Sirenensang,
Dem im Herzen warme Kraft gesprudelt
Und des Ruhms Posaune göttlich Klang. –

Manchen Greisen, an der Krücke wankend,
Schon hinunter mit erstarrtem Fuß
In den Abgrund des Avernus schwankend,
Neckte sie mit tödlichsüßem Gruß;

Quälte noch die abgestumpften Nerven
Zum erstorbnen Schwung der Wollust auf,
Drängt ihn, die träge Kraft zu schärfen,
Frisch zu spornen zäher Säfte Lauf.

Seine Augen sprühn erborgte Strahlen,
Tödlich munter springt das schwere Blut,
Und die aufgepeitschten Muskeln prahlen
Mit des Herzens letztlichem Tribut.

Neuverjüngt beginnt er aufzuwärmen,
All sein Wesen zuckt in einem Sinn,
Aber husch! entspringt sie seinen Armen,
Spottet ob dem matten Kämpfer hin!

Was für Unfug in geweihten Zellen
Hat die Hexe nicht schon angericht?
Laßt des Doms Gewölbe Rede stellen,
Das den leisen Seufzer lauter spricht.

Manche Träne – aus Pandoras Büchse –
Sieht man dort am Rosenkranze glühn,
Manchen Seufzer vor dem Kruzifixe
Wie die Taube vor dem Stößer fliehn. –

Junge Witwen – vierzigjährige Zofen
Feuriger Komplexion,
Die schon lange auf – Erlösung hoffen,
Allzufrüh der schönen Welt entflohn;

Braune Damen – rabenschwarzen Haares,
Schwergeplagt mit einem siechen Mann,
Fassen oft – die Hörner des Altares,
Weil der Mensch nicht helfen kann.

Fromme Wut begünstigt heiße Triebe,
Gibt dem Blute freien Schwung und Lauf –
Ach, zu oft nur drückt der Gottesliebe
Aphrodite ihren Stempel auf. –

Selbst im Rathaus hat sies angesponnen,
Blauen Dunst Asträen vorgemacht,
Die geschwornen Richter halb gewonnen,
Ihres Ernstes Falten weggelacht.

Inquisitin ließ das Brusttuch fallen,
Jeder meinte, so von ungefähr!
Potz! da liegts wie Alpen schwer auf allen,
Närrisch spukt es um den Amtmann her. –

Sehet! und der Lüstlingin genüget
Auch nicht an des Torus geiler Brunst,
Selbst die Schranken des Geschlechts besieget
Unnatürlich ihre Schlangenkunst.

Denket – doch ob dieser Schandenliste
Reißt die Saite, und die Zunge stockt;
Fort mit ihr aufs schimpfliche Gerüste,
Wo das Aas den fernen Adler lockt!

 

An mein Täubchen

Geh, trautes liebes Täubchen du,
Zu Minna, meiner Kleinen,
Und was ich sag, das tu, das tu
Bei Minna, meiner Kleinen.

Ja, fliehe zärtlich schmeichelnd hin,
Der Kleinen liebzukosen,
Und lisple sanft ein Seufzerchen
Durch Düfte junger Rosen. –

Dann flattre zärtlich um sie her,
wie Rosenblütchen schwirre
In bangem, süßem Kreis umher
Und liebeseufzend girre,

Bis sich die liebetrunkne Brust
Von sanfter Ahnung hebet,
Und schon geheimer Liebe Lust
Im bangen Busen bebet.

Dann flieh ich, zittern fliehe ich
Zur kleinen Liebewarmen,
Ach Minna, Minna höre mich!
Ich sterb in deinen Armen.

 

Epigramme

 

1. Alte Jungfern

Schon freuen sich aufs Paradies
Die Reichen und die Armen.
Nur alter Jungfern soll gewiß
Ach das sich nicht erbarmen.

Au weh! Sie kamen schon zu spät
In diesem Jammerleben,
Und werden, wie die Sage geht,
Auch dort nicht viel erheben.

Sie habens Maul umsonst gespitzt!
Dort freiet man nicht wieder,
Und zwischen beiden Stühlen sitzt
Das arme Korpus nieder.

 

2. Äschylus

In Griechenland sind, wie die Sagen gehn,
Bei Äschylus Tragödien
Die schwangern Weiber – welche Szene!
Entbunden worden auf der Bühne.
Gott steh uns armen Christen bei!
Schrieb dieser Ketzer wieder,
Itzt kämen gar – die Jungfraun nieder.

 

3. Unterschied der Zeiten

Wer freite, kauft sein Weib sich sonst –
Jetzt kriegt man eine Frau – umsonst.

 

4. Die Buße

Jung buhlte sie mit groß und klein,
So recht ein epikurisch Schwein,
Itzt weidet sie an fremdem Glücke
Platonisch die bekehrten Blicke,
Tut Buße und treibt – Kuppelein!

*


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