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Pierre-Jean de Béranger: 1780-1857

In Paris geboren; Neuschöpfer der französischen Lyrik; auch satirischer und politischer Dichter.

 

Der Ratsherr

Ja, mein Weibchen bringt mir Ehre,
Röschen ist ein Kind wie Gold!
Ohne sie, die Holde, wäre
Mir der hohe Freund nicht hold.
Denkt, ein Herr Senator kam
An dem Tag, da ich sie nahm.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

O, ich weiß, wie ein Register
Seiner Freundschaft Proben all:
Letzten Winter beim Minister
Führt er meine Frau zum Ball.
Wo er unterwegs mich fand,
Drückt er immer mir die Hand.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

Röschen unterhält er munter,
Geistreich, aber ungeniert;
Ist mein Engel krank mitunter,
Spielen sie und er verliert.
Kein Neujahr, kein Namensfest,
Wo er unbegrüßt uns läßt.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

Ist es einmal schlechtes Wetter,
Blieb ich gern nach Tisch zu Haus,
Sagt er artig: Lieber Vetter,
Fahren Sie nicht gerne aus?
Was genieren Sie sich doch?
Drunten steht mein Wagen noch.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

Auf sein Landgut mitgenommen
Hat er uns: wir waren froh,
Ich – ein wenig weinbeklommen,
Röschens Bett stand anderswo.
Von den Zimmern all im Haus
Las er mir das schönste aus.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

Meinem Kinde, Gott sei gepriesen!
Ward er Pate; ohne Scherz,
Freudentränen ließ er fließen,
Küßt und drückt es warm ans Herz.
Ja, mein Söhnchen hat er jetzt
Selbst ins Testament gesetzt.
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

Späße liebt er oft beim Essen,
Und da werd ich manchmal grün;
Einmal trieb ichs gar vermessen
Beim Dessert und sagte kühn:
Denkt, man sagt – so lacht doch, lacht –
Daß ihr mich zum Hahnrei macht!
Sehr erfreut, sehr erfreut,
Ratsherrn sind scharmante Leut!

 

Die blinde Mutter

Spinne, spinne nur geschwind,
Spinne fort und laß dir sagen:
Mußt ihn aus dem Sinn dir schlagen,
Diesen Franz, mein liebes Kind!
Glaube nicht, was er geschworen!
Hab ich mein Gesicht verloren,
Hör ich doch mit feinen Ohren,
Was ein leises Seufzen spricht.
Sieh, er geht auf bösen Pfaden...
Kind, was machst du an dem Laden?
Lieschen, ei, du spinnst ja nicht!

»Gar zu schwül?« – Mag sein, doch du
Sollst mir nicht durchs Fenster gucken,
Denn sonst wirfst du nur dem schmucken
Buben wieder Küsse zu.
»Mürrisch sei ich?« – Nein, du Gute,
Ach, auch mir war so zumute;
Doch ich weiß, daß jungem Blute
Es an Vorsicht stets gebricht.
Daß dich Liebe nicht verführe...
Da ist jemand an der Türe!
Lieschen, ei, du spinnst ja nicht!

»An der Türe? – Nur der Wind
Mache, daß die Riegel krächzen?«
Und mein Hündchen büßts mit Ächzen,
Daß er wachsam auf mein Kind.
O, noch ists wie ehedessen;
Falsch sind alle, frech vermessen!
Weinen, wenn du dich vergessen,
Wirst du um dein schön Gesicht.
Gott, was hab ich hören müssen?
Grade, als ob zwei sich küssen...
Lieschen, ei, du spinnst ja nicht!

»Nur dein kleines Vögelein
Seis, dein Starmatz, der dich küsse?«
Hör, dem Vogel sag, das müsse,
Nein, das müsse gar nicht sein.
Manches Mädchen, wohlerzogen,
Ward um Glück und Ehr betrogen,
Und der Schelm, der dich belogen,
Lacht, wenn dich sein Arm umflicht.
Klugheit schütze dich vor Jammer ...
Doch du gehst ja in die Kammer?
Lieschen, ei, du spinnst ja nicht!

»Schläfrig bist du?« Mädchen, bleib!
Wie? Das wird ja immer toller.
Franz ist hier, sich trollen soll er,
Oder nehm er dich zum Weib!
Bis es ihm einst kommt zu Sinne,
In der Kirche treue Minne
Dir zu schwören, spinne, spinne,
Lieschen, daß kein Faden bricht.
»Wirr der Flachs?« – So laß es stocken;
Doch an einem andern Rocken,
Lieschen, darfst du spinnen nicht!

 

Der alte Hagestolz

Ei, ei, Babett, schon zehn Uhr in der Nähe,
Für einen Podagristen Schlafenszeit.
Seit einem Jahr, daß ich dich um mich sehe,
War ich noch nie so gut gelaunt wie heut.
Daß du zu mir gekommen an mein Bette,
Soll nicht dein Schaden sein, du Herzensdieb.
Nu, nu, ein freundliches Gesicht, Babette;
Mein Eiergerstchen und mein Mützchen gib!

Zutunlich und gefällig, liebe Kleine,
Muß eines Junggesellen Stütze sein.
Für minder leckre Wangen einst als deine
Beging dein Herr die tollsten Schwärmerein.
Ich speise morgen gleich, du Wundernette,
Mit dir im Gasthof, setzts auch einen Hieb.
Nu, nu, ein freundliches Gesicht, Babette;
Mein Eiergerstchen und mein Mützchen gib!

Verschone doch mit rauhen Handarbeiten
Die samtne Haut, die Finger zart und schön.
Jedwede Freude will ich dir bereiten,
Und Schmuck und Putz soll deinen Reiz erhöhn.
Mir ist, als ob verjüngt mich Amor hätte,
Ich fühle wieder seinen Flammentrieb.
Nu, nu, ein freundliches Gesicht, Babette;
Mein Eiergerstchen und mein Mützchen gib!

Babette, wie? versagt, was ich begehre?
So ists ein andrer, den die Jungfer kennt?
Hat etwa gar mein Neffe schon die Ehre?
Schon gut, das merk ich mir fürs Testament. –
Kind, sei gescheit, laß mich die Lilienglätte
Des Busens küssen, o wie bist du lieb!
Nu, nu, ein freundliches Gesicht, Babette;
Mein Eiergerstchen und mein Mützchen gib!

Du gibst dich, ach, du bist mein frommes Täubchen?
Doch weh, da läßt mich Amor selbst im Stich.
O weine nicht, komm nur, du wirst mein Weibchen.
Mein Alter? ... oder Spott? ... Was kümmerts mich?
Dann sorge nur, daß deine Glut mir rette
Den Funken Jugend, der mir noch verblieb.
Nu, nu, ein freundliches Gesicht, Babette;
Mein Eiergerstchen und mein Mützchen gib!

 

Der Heilige

 

(An Madam X...)

Ein Heiliger verfluchte
Der Liebe Glühn,
Da Satan ihn
Als junge Magd besuchte.
Der Heilige sprach: Fort, Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Dann schwebt als Sonntagsliebchen
Er flink herbei,
Hübsch, rosig, fein,
Im runden Kinn ein Grübchen.
Der Heilige sprach: Fort, Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Als Tänzerin Fuß und Wade,
Und ohne Geiz
Des Busens Reiz
Enthüllt sie ihm. Doch schade,
Der Heilige sprach: Fort, Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Als Sängerin kommt er wieder,
Die Harfe klingt,
Sie spielt und singt
Ihm süße Liebeslieder.
Der Heilige sprach: Fort, Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Er naht mit Perlenzähnen,
Im Auge Mut,
Als Gräfin, Glut
Im Herzen, wildes Sehnen.
Der Heilig sprach: Fort, Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Satan verzog die Mienen:
Und einmal kam
Er noch, Madam:
Wem glich die Maske? – Ihnen!
Der Heilige sprach nicht: Satan,
Nimm Rat an
Und fliehe, schöner Satan!

Ihr Witz und Reiz zur Stelle
Hat ihn gekirrt;
Er spricht verwirrt:
Im Dunkel meiner Zelle
O bleibe, liebster Satan,
Nimm Rat an,
Und küß mich, schönster Satan!

 

Hymens Weihe

Zwei, die zur Kammer ziehn,
Will Hymen heut empfangen.
Rings schwirren Melodien,
Wie niemals süßre klangen.
Ein Spalt erlaubt uns, traun,
Die Szene aufzufangen:
Sie ist voll Reiz zu schaun,
Er zähmt kaum sein Verlangen.
Noch sucht sie zu entfliehn
Und sträubt sich beim Umfangen,
Er läßt den Schatz nicht ziehn
Und hält sie wie mit Zangen.

Er löst ihr das Gewand,
Und sie erfaßt ein Bangen.
Schon triumphiert der Fant:
Bald gibt sie sich gefangen.

Doch eh die Wünsche, die
Er hegt, ihr Ziel errangen,
Entschlüpft dem Lager sie –
Der Fang ist ihm entgangen.

Halt! Er erhascht sie schon,
Sie läßt das Köpfchen hangen,
Bis endlich Flehn und Drohn
Die Schöne doch bezwangen.

Nun brummt er einen Fluch.
Und – was auch vorgegangen:
Der Ehe seltsam Buch
Hat jetzt erst angefangen!

(Sigmar Mehring)

 

Hannchen

Fort, ihr Koketten, ihr überlackierten,
Fort mit dem heuchlerisch-blendenden Glanz!
Mehr gilt als all ihr Gezierten, Blasierten
Meine Johanna, mein Hannchen, mein Hans!

Artig, jung und schön gestaltet,
Frisch ist sie und voll entfaltet,
Und ihr schwarzes Auge blitzt.
Rügt nicht, daß des Kleides Hülle
Zu gewölbten Busen schützt!
Ahnt ihr, Tadler dieser Fülle,
Wie mein Arm den Fehler nützt?

Reizvoll tritt sie stets entgegen,
Gut ist sie und nie verlegen,
Und beständig lächelt sie.
Mag sich manchmal töricht reden –
Sprechen lernte Hänschen nie –
Dennoch überzeugt sie jeden,
Daß Natur ihr Witz verlieh.

Wenn ich wo beim Festgelage
Allzu freie Reden wage,
Lenkt mein Schelm behende ein.
Sie versteht auch was vom Sange,
Lustig klingt ihr Lied und rein.
Glaubt! sie flucht, wenn ichs verlange,
Und sie trinkt von jedem Wein.

Schön durch Liebe und durch Freude,
Tuts nicht not, daß sie vergeude
Gold und Samt für Hals und Brust.
Siege hat sie stets erworben,
Wenn sie auch nicht prunkte just.
Und am Kleid wird nichts verdorben,
Drück ich sie nach Herzenslust.

Nachts – allein, bin ich der Meister!
Meine Wünsche werden dreister,
Und ihr Widerstreben ruht.
Mit dem Mund und beiden Händen
Schürt sie heißer Liebe Glut,
Und das Bett an allen Enden
Kracht bei unserm Übermut.

Fort, ihr Koketten, ihr Überlackierten,
Fort mit dem heuchlerisch-blendenden Glanz!
Mehr gilt als all ihr Gezierten, Blasierten
Meine Johanna, mein Hannchen, mein Hans!

(Sigmar Mehring)

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