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Paulus Silentriarius: um 550 n. Chr.

Sohn des Dichters Kyros, lebte am Hofe des Kaisers Justinian zu Konstantinopel;
Silentiarius ist der Titel einer Art von höheren Polizeibeamten.

 

Heimliche Liebe

Rauben wir heimlich Küsse dem Mund und den feindlich umstrittnen
Lieblichen Wonnegenuß, Rhodope, Cyprias Werk!
Süß ist Heimliches; süß, allwachende Augen zu täuschen,
Und der erlaubte Genuß weicht dem verstohlnen an Reiz.

 

Jähzorn/

Wie, allwagende Hand, du erkühntest dich? Hieltest die goldnen
Locken ihr fest und zogst wütend das Haupt ihr zurück?
Wahrlich, du hast dich erkühnt. Nicht hat dich ihr Jammern gerühret,
Nicht das zerzausete Haar noch der gebogene Hals.
Fruchtlos strafest du jetzt dein Gesicht mit unzähligen Schlägen,
Denn nicht faßt deine Hand fürder die schwellende Brust.
Aber ich flehe zu dir, o Gebieterin, übe so harte
Strafe nicht aus, denn ich wags, eher zu fallen vom Schwert.

 

Der Schwur

Fern zu verweilen von dir, du Strahlende, hab ich geschworen,
Bis zum zwölften Mal sich mir der Morgen erneut.
Doch nicht halt ich es aus. Schon scheinet der morgende Tag mir,
Ja, ich beschwör es bei dir, ferner als früher ein Jahr.
Bitte denn, Holde, die Götter mit mir, von den Blättern des Strafbuchs
Wieder zu tilgen den Schwur, den ich so töricht getan.
Ach, und erquicke mit Lust mir das Herz, daß nicht mich, o Herrin,
Geißeln der Götter zugleich treffen und Geißeln von dir.

 

Dasselbe

Jüngst warf abends die Tür Galatea mir zu vor dem Antlitz
Und rief schmähend dazu lästernde Worte mir nach:
»Schmach tilgt Liebe.« Vergebliches Wort, das eitel umherläuft!
Bei mir fachte die Glut stärker ihr Übermut an.
Zwar ich schwur, zwölf Monden von ihr in der Ferne zu bleiben,
Doch kaum dämmert der Tag, kehr ich ihr flehend zurück.

 

Liebesrausch

Liebende sah ich vorlängst. In dem Rausche stürmischer Liebe
Hingen sie Mund an Mund, Lippen an Lippen gepreßt,
Nimmer befriedigt in Liebesgenuß. Wohl hätten sie gern sich,
Wäre es nur möglich, ins Herz einer dem andern gesenkt.
Aber zu mildern der heißen Begier unbesieglichen Andrang,
Wurde des weichen Gewands Hülle von beiden vertauscht.
Da glich er dem Achill, da im Chor Lycomedischer Töchter
Und in dem Frauengemach dieser ein Mädchen erschien.
Jene, das Männergewand bis hinauf zu den glänzenden Schenkeln
Rüstig geschürzt, schien dir, jagende Artemis, gleich.
Wiederum einten die Lippen sie nun, denn immer noch raste
Ewiger Liebesbegier gliederaufreibender Durst.
Leichter wohl lösetest du verflochtene Stämme des Weinstocks,
Welche die rollende Zeit fest miteinander verband,
Als dies küssende Paar du getrennt, das mit fesselnder Arme
Brünstigem Wechselverkehr schmeidige Glieder umschlang.
Dreimal selig der Mann, der von Liebesfesseln umstrickt wird,
Dreimal selig! Doch wir, fern voneinander, verglühn.

 

Die Liebe kennt kein Hindernis

Weißt du wohl, was es für Freude gewährt, wenn Liebe mit gleicher
Macht zwei Herzen zugleich, o Cleophantis, bestürmt?
Trennt zwei Liebende wohl in der Inbrunst süßer Umarmung
Ares, oder die Furcht oder die züchtige Scham?
Binde mir immer die Glieder das Band von dem lemnischen Amboß
Und sonst jegliche List, welche Hephästus ersann,
Wenn mir, Liebliche, nur dein zartes Gebild in der Arme
Fester Verschlingung ruht, oder ein Kuß mich berauscht,
O, dann mag nur immer der Wanderer, Fremder und Landsmann,
Oder der Priester mich sehn oder die eigene Frau.

(F. Jacobs-Boesel)

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