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»Heut noch, Jung-Ingigerdur,
Beglücke mich hundertfach,
Bis ich an deiner weißen Brust
Morgen früh erwach.« –
»O, schlief ich doch, mein Trauter,
In deinen Armen ein
So tief, daß nimmer mich weckte
Der helle Sonnenschein.
Was soll mir denn Licht und Sonne,
Was soll mir die schöne Nacht?
Da heut uns ihre Wonne
Zum letztenmal glücklich macht!
Gleich gilt mir Tod und Leben,
Da beides von dir mich reißt –
Wer ist, vom Vater gegeben,
Die Jungfrau, die du freist?«
Herr Björn strich ihr übers weiche
Goldengelbe Haar
Und küßte ihr eine Träne
Vom schimmernden Augenpaar.
»Es ist eine Königstochter,
Schön-Engilborg genannt;
Der muß ich vorm Altare
Morgen reichen die Hand.«
Jung-Ingigerdur neigte
Das Haupt in Tränen schwer:
»O, dreimal selig Schön-Engilborg,
Und sah ich sie nimmermehr.
Ach, soll ich morgen tragen
Das festliche Gewand?« –
»So schön wie nimmer schmücke dich
Mit Blume und mit Band.
Den du sollst ja empfangen
Morgen die Gattin mein.
Frau Margret will ich dich heißen,
Und giltst als mein Schwesterlein!«
Harfentöne rauschten,
Flöten klangen im Chor,
Als nun die reiche Schön-Engilborg
Zum Schlosse ritt empor.
Stolz schritt sie hinan die Stufen,
Stolz trat sie in den Saal;
Hoch thront sie auf dem Ehrensitz
Neben Herrn Björn als Gemahl.
»O sag mir doch: wer reicht
Den Gästen dort Met und Wein?
Das scheint mir eine edle
Schöne Jungfrau zu sein.« –
»Die dort den Gästen reicht
Perlenden Wein und Met?
Es ist mein herzlieb Schwesterlein,
Und heißet Frau Margret.« –
»Und ists dein herzlieb Schwesterlein,
Sie sei mir willkommen und lieb.
Doch warum weint sie verstohlen
Und blickt so blaß und trüb?« –
»Es rinnen ihre Zähren
Vor großer Kümmernis;
Weil ihr der Tod den Gatten jüngst
Aus ihren Armen riß.« –
»Und wenn sie um den Gatten weint,
So lindr ich ihre Pein.
Mein lieber Bruder Kanut
Soll ihr Gatte sein.« –
»Wohl schmerzt michs, es zu sagen,
Und weiß nicht, wies geschehn,
Daß sie euern Bruder, den König,
Nicht lieben kann noch sehn.«
Endlich ist sie gekommen
Die heißersehnte Nacht.
Herr Björne führt Schön-Engilborg
Hinan zum Brautgemach.
Und wieder fragt Schön-Engilborg:
»Ich bitte dich flehentlich,
Die uns so lieblich kredenzte,
Wer ist die Feine? – sprich!«
Herr Björne zog die Stirne kraus:
»Ich sagts ja – mein Schwesterlein,
Die uns aufs bräutliche Lager
Gebreitet den schneeigen Lein.« –
»Warum denn rinnen die Tränen
Ihr übers Angesicht?
Es weinet um den Toten
Wohl Frau Margret nicht.
Der ist wohl nicht so ferne,
Um den sie bitterlich weint;
Nein! Ihr seid der Geliebte,
Wie mirs nach allem scheint.« –
»Fürwahr, es hat Euer Auge
Gesehn ins Herz mir scharf:
Jung-Ingigerdur ist es,
Die ich nicht freien darf.
Jung-Ingigerdur ist es,
Die ich um Euch verließ;
Weil Euch zur Gattin zu nehmen
Der strenge Vater mich hieß.« –
»Nicht so« – sprach da Schön-Engilborg,
»Soll es durch mich geschehn« –
Und vor des Brautgemaches Tür
Ließ sie Herrn Björne stehn.
Kaum war Schön-Engilborg
Am frühen Morgen wach,
Ließ sie Jung-Ingigerdur
Rufen ins Brautgemach.
»Frau Ingigerdur« – sprach sie
Und zog sie sanft ans Herz;
»Dies bräutliche Lager stille
Hinfort all Euern Schmerz.
Und all mein Gold, mein rotes Gold,
Und all mein Edelgestein,
Das soll, Frau Ingigerdur,
Nun alles Euer sein.
So lebt in Gottes Namen
Und liebt euch nach wie vor,
Nicht solls durch mich geschehen,
Daß Euch Herr Björn verlor.
Ich, nun ich Braut gewesen,
Muß doch noch Jungfrau sein,
So will ich denn ins Kloster
Und mich dem Himmel weihn.
Ihr aber lebt in Glücke
Und Liebe überreich,
Und keine andre dränge
Sich je mehr zwischen euch!« –
Das Fräulein saß in des Schlosses Hallen
Und ließ die Würfel rollen und fallen.
Fünf Ritter hielten den Widerpart,
Bis jeglicher überwunden ward.
Von einem gewann sie Spangen und Decken,
Vom andern den Falken, vom dritten den Schecken;
Dem vierten nahm sie das Reiherbarett,
Dem fünften ein scharlachrotes Kollett!
Jung-Limik, ein Ritter jung und schlank,
Er sprach: »Mich macht Euer Spiel nicht bang!
Als sechster wag ichs einmal mit Euch –
Ich setze Schimmel und Sattelzeug!«
Das Fräulein rief: »Ihr seid verwegen,
Doch setz ich meinen Rappen dagegen!« ...
Es rollten die Würfel – das Fräulein lachte,
Als sie das Spiel zur Gewinnerin machte.
»Ei, ei, Jung-Limik, was sagt ich Euch?
Zusammen gehören Rößlein und Zeug!« –
Der Ritter sprach: »Ihr sollt mich nicht schelten,
Jetzt mag es Acker und Wiese gelten!«
»Ich setze Garten und Anger daran!« ...
Es klirrten die Würfel – das Fräulein gewann.
Sie rief und lachte: »So mag ichs leiden,
Ein Rößlein muß Acker haben zum Weiden.«
Jung-Limik ballte die Faust in Wut: –
»So gelt es all mein Hab und Gut!«
Sie sprach: »Ich setze alles daran,
Was ich bisher im Spiel gewann!« ...
Die Würfel fielen – o schlimmer Tag,
Dahin ist alles auf einen Schlag.
Das Fräulein lachte: »So gehts in der Welt,
Zusammen gehören Gut und Geld!«
Der Jungherr saß da, zu Tode blaß,
Ihm bebte die Hand, seine Stirne war naß.
Er murmelt: »Ich setze zum Letzten mein Leben!
Wollt Ihr dafür das Eure geben?«
Das Fräulein erschrak – dann lacht sie: »Wohlan!
Leben gegen Leben – Weib gegen Mann!« ...
Und als man den Becher hob empor –
Jung-Limik gewann – das Fräulein verlor.
Sie rang die Hände – »Nehmt all mein Geld,
Und was Euch in meinen Schlössern gefällt,
All mein Geschmeide, in Gold gefaßt,
Wenn Ihr die Freiheit mir dafür laßt!« ...
Jung-Limik lachte: »Mein Fräulein mitnichten,
Wie könnt ich auf solchen Gewinn verzichten?
Die Hochzeitsfackeln sollen uns flammen –
Denn Jungherr und Jungfrau gehören zusammen!«
*