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Geboren zu Forli, lebte er in Bologna und Rom.
Ach, wär ich Priester, welch ein Leben führen
Wollt ich, zufrieden an bescheidner Stätte!
Spät ständ ich auf, ging abends früh zu Bette
Und äße gut und ließe das Studieren.
Mit meiner Purpurnase um die Wette
Würd ich, dank meiner Köchin, prosperieren,
Flink bei der Messe, lang bei Tisch! Das spüren
Mein Bäuchlein und mein Kater dann am Fette.
Doch meine liebsten Stunden, ohne Frage,
Euch, schöne Damen, sag ichs im Vertrauen,
Die wären, wenn ihr kämet, mir zu beichten.
O, wie genußreich teilt ich meine Tage,
Ihr jungen Mädchen, zwischen euren leichten
Bedenken und den Sünden schöner Frauen!
(Bettina Jacobson)
Aus: Panzacchi, Stecchetti, d'Annunzio. Neueste italienische Lyrik, übersetzt von Julius Litten. Leipzig (jetzt Dresden). Carl Reißner 1888.
Du bist Penelope, du senkst zur Erde
Den Blick, doch nicht den unerschrocknen Sinn,
Und triffst mit wahrhaft göttlicher Gebärde
Vor deiner Freier, vor die Sünde hin.
Dir machten böse Zungen nie Beschwerde
Und nie der Neidzahn deiner Nachbarin,
Du scheinst ein Geist, dem Gott auf dieser Erde
Verlieh die Hoheit einer Königin.
Die Scham verhüllt dich mehr als Seid und Linnen,
Wenn du zum Tanze gehst; ein Blick von dir
Macht die Begierde in der Brust gewinnen.
Du bist Penelope, des Hauses Zier!
Die weiße Leinwand seh ich tags dich spinnen,
Und nachts zerstörst du wieder sie – mit mir.
(Julius Litten)
O abgestandne herbe Jungfernschaft
Mit schmalen Lippen und mit langen Zähnen!
O magre Tugend, der schon Ärger schafft,
Wenn Alabasterschultern nackt sich dehnen!
Verschließ die Fenster, setz dich selbst in Haft,
Um zu entgehen diesem Tal der Tränen,
Indes im Mai mit alter Leidenschaft
Beginnt das Blühen und das Liebessehnen!
Verschließ die Augen, denn im Mädchenhaar
Erglänzen Blüten, denn auf Wiesengründen
Verliebt das Schaf sich in das Schäfchen gar!
Verschließ dies Buch, damit es nicht kann künden,
Wie gar so herrlich und so wunderbar
Der Mai, die Sünderinnen und die Sünden!
(Julius Litten)
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