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Oskar Wiener: geb. 1873

 

Nippes

Diese patinierte Bronze,
Dieser dickbebauchte Bonze
Schlummert süß auf dem Kamin. –
Doch die Porzellanpagode
Nickt kokett sich noch zu Tode,
Als verliebte Nachbarin.

Ihre schiefgeschlitzten Augen
Wundervoll zum Flirte taugen,
Brünstig ihre Lüste schrein;
Ihre Aprikosenwangen
Wie zwei reife Früchte prangen:
Lieber Bonze, beiß hinein! –

Doch gefühllos bleibt der Bonze;
Diese patinierte Bronze
Ist zur Ehe viel zu alt.
Ach, in diesem Indererze
Schlägt kein liebevolles Herze –
Tausend Jahre machen kalt.

 

Sag es nicht

Sag es nicht, geliebtes Herzchen,
Daß wir heimlich uns gesprochen,
Daß sich unsre Lippen fanden,
Wir im Abendrot gestanden;
Sag es nicht, geliebtes Herzchen, sag es nicht! –

Sag es nicht, geliebtes Herzchen,
Daß wir nachts im Wald gewesen,
Daß beim Heiland wir begegnet,
Er uns heimlich eingesegnet;
Sag es nicht, geliebtes Herzchen, sag es nicht!

 

Junge Frau

Und nun bin ich junge Frau,
Hab mein Herz begraben,
Und nun will ich wie der Pfau
Bunte Kleider haben.

Jeder Nachbar, hat er Mut,
Küßt mich, weil ich darbe,
Doch wer fromm und ehrbar tut,
Trägt nicht meine Farbe.

Kommt mein Schatz, der mich verriet,
Kommt er stumm und trübe,
Will ich, daß er küssen sieht
Seine alte Liebe. –

 

Die Zigarette

Zarte Regenbogenschwingen
Einer kleinen Amorette
Leuchten aus den blauen Ringen
Meiner süßen Zigarette. –

Und auf blanken Schillerwellchen
Und im lauen Abendwinde
Schlingt ein zierliches Libellchen
Kunstgerechte Tanzgewinde.

Neigt sich, will mir etwas sagen,
Rümpft kokett das stumme Naschen
Und mit lachendem Behagen
Zeigt sie ein Paar Spitzenhöschen.

Und im kindlichen Vergnügen
Glänzen ihre drallen Bäckchen,
Kurze Mädchenröcke fliegen
Und der Wind zaust blonde Löckchen.

Lockt und lacht die kleine Wilde. –
Süßer Traum vom blauen Glücke!
Reckt und nickt das Rauchgebilde
Und verhaucht im Augenblicke ...

 

Novelle

Das Aktmodell hat diebische Augen,
Doch einen gottähnlichen Leib –
Als ehelich Weib
Mag sie dem Teufel taugen.

Dem kleinen Maler ist bang,
Ihm zittern verliebt seine Hände;
Diese kahlen Zimmerwände
Machen ihn krank.

Seine Sehnsucht kennt keinen Damm,
Und draußen liegt alles im Grünen –
Er muß seine Sehnsucht sühnen;
Seine Sehnsucht kennt keinen Damm ...

So werden die beiden ein Paar;
Er malt seine Frau und hungert,
Sie lacht wie das Laster und lungert
Und steckt eine Blume ins Haar.

*


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