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Vor kurzem bot nach neuestem Systeme
Ein Börsenmann die eigne Tochter aus.
Gern gibt er einem Junker, der sie nähme,
Den Raub an seiner Vetternschaft heraus.
Erlangt sein Kind nur Zutritt zu der Creme,
Flickt ihre Mitgift das verfallne Haus,
Und was am Väterchen die Leute tadeln,
Wird, wie man hofft, die noble Heirat adeln.
Die Tochter war ein kleines Ungeheuer,
Hochschultrig, ein Gesicht von schiefem Schnitt,
Nur Kinn und Nase; und ein Farbenfeuer,
Das mit dem Safran um die Palme stritt.
Doch eine Schönheit macht sie allen teuer:
Achthunderttausend Skudi bringt sie mit.
Dem Zauber widersteht ein Junker schwerlich;
Er macht die Tochter schön, den Vater ehrlich.
Der Ehrenmann braucht nicht mit der Laterne
Herumzuspähn nach einem Schwiegersohne,
In dessen Prunkgemächern die moderne
Kohlmäuserei bei aller Hoffart wohne.
Im lächelte das Glück mit günstigem Sterne,
Und vor dem Haus, drin aller Mädchen Krone
Des Freiers harrte, wimmelte die Straße
Von hochgebornen Bettlern reiner Rasse.
Von etwa Zwanzigen, die er gebucht
(Mit faulen Schulden auf demselben Blatte),
Trug endlich einer heim die goldne Frucht,
Um die er lang genug gekrochen hatte.
In seinen Adern floß ein ausgesucht
Latinerblut, so rein, daß durch die glatte,
Gepflegte Haut durchschien der edle Tropfen
Und ihn der Leibarzt fühlt im Pulse klopfen.
Geschwind ward der Verlobungstag bestimmt,
Und seines künftigen Eidams hohe Sippe
Lädt unser Geldmann, der in Wonne schwimmt,
Vollzählig ein. Nur bleibt noch eine Klippe:
Die Vetternschaft der Braut. Er aber nimmt
Die Sache leicht, schweigt oder rümpft die Lippe
Und sagt: Kommt, wenn ihr mögt. Natürlich: zwingen
Will ich euch nicht; Freiheit vor allen Dingen! –
Ein groß Getümmel
Ist abends erschollen
Von Rossen und Wagen,
Wie unter dem Himmel
Mit Rollen und Grollen
Gewitter sich jagen.
Da strömen zusammen
Neugierige Gesichter,
Gelockt von dem Schalle,
Bestaunend die Flammen
Und schimmernden Lichter
Der Hochzeitshalle.
Zur Kette geschlossen
Erscheint unabsehlich
Das Heer der Karossen.
Die Gassen unzählig
In eingem Gedränge
Durchflutet die Menge,
Und zwischen dem Rufen
Geschäftiger Lakaien,
Wo hell an den Stufen
Die Fackeln sich reihen,
Gesondert betraten
Die Vestibüle
Die Aristokraten
Und die Crapüle.
Hier rümpfet das Näschen
Die Dame vom Stande,
Dort trippelt ein Bäschen,
Ein Mühmchen vom Lande.
Ein Kämmerer hüben,
Ein höfischer feiner;
Ein Lebküchler drüben,
Ein bäurisch gemeiner.
Die Braut, herausgeputzt
Aufs allerbeste,
Begrüßt errötend die
Verehrten Gäste.
Glückwünsche nähern sich
Die holden Kleinen,
Die aus dem Oberhaus
Und die Gemeinen.
Diese umarmen die
Glückliche Muhme,
Jene verspottet sie
Fein durch die Blume.
Sie muß für jeglichen
Ein Wörtchen finden,
Muß im Gewühle sich
Drehen und winden.
Aber der Bräutigam
Lächelt gezwungen
Zu den ironischen
Beglückwünschungen.
Doch wie ein Grautier
Unter den Säcken,
Beugt er den Ahnenstolz
Höheren Zwecken.
Geschnürt und aufgebläht,
Mit hochentflammter
Miene, genau wie ein
Steuerbeamter,
Steht unser Wucherer,
Grüßt die Verwandten,
Plaudert, ist witzig und
Spielt den Scharmanten,
Tauschte vor Seligkeit
Nicht mit den Göttern. –
Gegen die adligen
Tanten und Vettern
Fließt von Ergebenheit
Über die Lippe;
Kühler empfängt er die
Eigene Sippe ...
Doch jetzt – in Szene geht
Der letzte Akt:
Der Herr Notarius
Liest den Kontrakt.
Alle dem Range nach
Zeichnen ihn stumm,
Dann trägt die Dienerschaft
Das Eis herum.
Von Gold und Silberzeug
Glänzen die Tische,
Prunksucht und Filzigkeit
Bunt im Gemische.
Die Damen spotten im
Nachhausefahren:
»Den Etikettenzwang
Konnte man sparen.
Für dieses Bürgerpack,
Wahrhaftig, hätte
Vollkommen ausgereicht
Die Haustoilette.«
Und die Plebejischen,
Schwer überladen
Mit Tee und Zuckerwerk
Und Limonaden,
Müde von stundenlang
Verhaltenen Gähnen,
Keuchen und seufzen sie
Zwischen den Zähnen:
»Endlich! Ojemine!
Nur rasch nach Haus!
So fest geschnürt zu sein
Hält man nicht aus.
So was ist schauderhaft!
Lieber in Ketten,
Als unter Adligen
Und in Korsetten!«
Ganz zuletzt schied auch der junge
Bräutigam mit verdorbnem Magen,
Schwerem Herzen, bittrer Zunge,
Knirschend, dieses Kreuz zu tragen,
Und von seiner goldnen Kette
Wundgebückt, ging er zu Bette.
(Paul Heyse)
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