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Lodovico Ariosto: 1474-1533

Zu Reggio geboren; hatte wenig Sinn für das praktische Leben und flüchtete in die romantische Welt Bojardos, zu dessen Verliebtem Roland sein Rasender Roland freie Fortsetzung bildet. Er schloß sein beschauliches Poetendasein zu Ferrara. (Stanze 52-74 aus dem Gesänge 28 des Rasenden Roland, übersetzt von Johann Dietrich Gries (1804-1808).) Nachstehendes Bruchstück schildert, wie zwei Freunde sich in die Gunst eines Mädchens teilen und was ihnen dabei durch einen dritten Liebhaber zustößt.

Der junge Römer stimmte, froh entschlossen,
Dem Plane bei, den sein Gefährt empfahl;
Und beide nun durchsuchten unverdrossen,
In dieser Absicht, Ebne, Berg und Tal.
Zuletzt, einstimmig, lenkten die Genossen
Auf eines spanischen Wirtes Kind die Wahl,
Der in Valencia trieb sein Wirtschaftswesen;
Und schön und lieblich war, die sie erlesen.

Sie blühte noch im ersten Jugendprangen,
Daher sie zart und fast noch unreif ließ.
Ihr Vater, der der Kinder viel empfangen
Und ein gewaltger Feind der Armut hieß,
Ward leicht bewogen, als sie in ihn drangen,
Daß er sein Kind den beiden überließ,
Um mit ihm hinzuziehn, wohin sie wollten;
Nur daß sies immer gut behandeln sollten.

Sie nehmen nun das Mädchen und vergnügen
Sich um die Reih in Ruh und Wohlergehn,
Gleich Blasebälgen, die mit Wechselzügen,
Bald der, bald jener, in den Ofen wehn.
Drauf ziehn sie weiter, um nach einigen Zügen
Durch Spanien, auch des Cyphax Reich zu sehn.
Am Tage, da sie aus Valencia kommen,
Wird in Xattiva Nachtquartier genommen.

Um Straßen und Paläste zu betrachten,
Marktplätze und Kirchen, gehn die Herren fort;
Wie sie gewöhnlich diese Lust sich machten,
Wenn sie gelangt an einen fremden Ort.
Das junge Mädchen, das sie mit sich brachten,
Blieb unterwegs bei den Bedienten dort,
Die für die Pferde sorgten, für die Betten,
Und daß die Herrn bei Zeit die Mahlzeit hätten.

Im Gasthof war ein Kellner, der vor Jahren
In Diensten bei des Mädchens Vater stand.
Er liebte sie, seit sie beisammen waren,
Und ihre Neigung war ihm nicht entwandt.
Wohl sann sie sich, doch ließens nicht gewahren,
Aus Furcht, ihr Einverständnis werd erkannt.
Erst als sich Herrn und Diener fortbegeben,
Erkühnt man sich, die Augen zu erheben.

Der Bursche fragt, wer sie zu sich genommen
Von diesen beiden, und wohin sie ziehn.
Fiammetta sagt ihm alles vollkommen
(Ihr Nam ist dies, den Griechen nennt man ihn).
»Ach! nun ich hofft, es sei die Zeit gekommen,«
So sprach der Grieche, »da mir sei verliehn,
Mit dir zu leben, Engel, willst du gehen,
Und nie vielleicht werd ich dich wiedersehen!

Wie schrecklich wird mein süßer Plan versauert,
Wenn du mit andern wegziehst, weit von mir!
Denn da ich lang im Sparen ausgedauert,
Mit bitterm Schweiß und ängstlicher Begier,
Und teils von Gästen einiges Geld erlauert,
Teils abgedarbt von meinem Lohne hier,
Gedacht ich nach Valencia heimzukehren
Und dich zur Frau vom Vater zu begehren.«

Das Mädchen, achselzuckend, sagt dem Armen,
Er habe nun zu spät sich eingestellt. –
»Willst du mich sterben lassen ohn Erbarmen?«
Spricht er, und weint und seufzt, zum Teil verstellt.
»Umschlinge mich denn doch mit deinen Armen,
Gib Luft der Glut, die meinen Busen schwellt!
Laß mich nur einen Augenblick erwerben,
Bevor du gehst, dann will ich freudig sterben.«

Das Mädchen sagt aus mitleidsvollem Streben:
»Nicht minder kam es mir als dir zugut;
Doch hier, wo so viel Augen uns umgeben,
Sind wir ja nie und nirgend ohne Hut.«
Der Grieche spricht: »Ich bin gewiß, mein Leben,
Fühlst du ein Dritteil nur von meiner Glut,
So weißt du wohl ein Mittel festzusetzen,
Daß wir heut nacht ein wenig uns ergötzen.

»Wie kann ich,« spricht die Kleine, »dir genügen?
Ich liege ja inmitten dieser zwei;
Und bald will der, bald jener sich vergnügen,
Und ich bin nie von ihren Armen frei.« –
»Das macht dir nichts, das wird sich alles fügen,«
Versetzt der Grieche, »sei es wie es sei.
Du schleichst, wenn du nur willst, hinweg von beiden;
Und wollen mußt du, kümmert dich mein Leiden.«

Sie sinnt ein wenig nach, und heißt ihn kommen,
Sobald er glaubt, daß alles schlafen kann;
Von allem Tun belehrt sie ihn vollkommen
Und gibt das Kommen wie das Gehn ihm an.
Der Grieche machts, wie er von ihr vernommen;
Und als er glaubt, es schlafe jedermann,
Schleicht er zur Tür, um sacht sie aufzuklappen;
Sie weicht, er tritt hinein mit leisen Tappen.

Er macht die Schritte lang, bleibt immer stehen
Fest auf dem einen Fuß; der andre streicht
Voraus, als müss er zwischen Eiern gehen
Und fürchte sich, er tret in Glas vielleicht.
So läßt er auch voraus die Hände spähen
Und tappt nun fort, bis er das Bett erreicht.
Dann sucht er, wo der andern Füße liegen,
Sacht, mit dem Kopf voran, sich einzuschmiegen.

Rücklings, ihn still erwartend, lag Fiammette;
Sacht kroch er zwischen ihre Lenden ein,
Umschloß sie fest und blieb bei ihr im Bette,
In Freud und Lust, bis kurz vor Tagesschein.
Stark ritt er zu und ging nicht mit Stafette;
Nie durfte ja das Pferd gewechselt sein.
Auch scheint so guter Trab dem seinen eigen,
Daß er die Nacht nicht Lust hat abzusteigen.

Wohl hat Giocond, wohl hat der Fürst vernommen,
Wie das Gerappel stets ihr Bett bewegt;
Allein vom gleichen Irrtum eingenommen,
Glaubt jeder dann, der andre hats erregt.
Der Grieche schleicht davon, wie er gekommen,
Nachdem er seinen Weg zurückgelegt.
Fiammetta nun, beim ersten Tagesschimmer,
Steht auf und läßt die Diener in das Zimmer.

Gioconden sagt der Fürst, um ihn zu necken:
»Du hast gewiß ein gut Stück Wegs gemacht,
Und wohl ists Zeit, die Ruhe jetzt zu schmecken,
Da du zu Pferde warst die ganze Nacht.«
Doch dieser spricht, um das nicht einzustecken:
»Du sagst zu mir, was ich dir zugedacht.
Dir ziemt die Ruh, und mag sie dir behagen;
Du hörtest ja die Nacht nicht auf zu jagen.«

»Wohl,« spricht der König, »hätt auch ich gelassen
Durchtrabt in dieser Nacht ein Stückchen Feld,
Wenns dir gefiel, den Gaul mir abzulassen,
So lange bis ich mein Geschäft bestellt.«
Giocond versetzt: »Gebiete deinem Sassen,
Brich den Vertrag und tu was dir gefällt.
Doch solche Winke kannst du wohl verschmähen;
Du konntest ja nur sagen: Laß sie gehen!«

Der eine spricht, der andre wills bestreiten,
Und schon geraten sie in harten Zwist.
Vom Scherze kommen sie zu Bitterkeiten,
Denn jeden kränkts, daß er verspottet ist.
Man ruft Fiammetta, die gehorcht von weiten
Und fürchtet, jetzt entdecke sich die List;
Und jedem soll sie ins Gesicht behaupten,
Was beide lügnerisch geleugnet glaubten.

»Sprich,« sagt mit Ernst der König, »und nicht schrecke
Dich eine Furcht vor diesem noch vor mir:
Wer war die ganze Nacht hindurch der Kecke,
Der ohne Teilung sich ergötzt mit dir?« –
Ein jeder meint, der andre nun entdecke
Als Lügner sich, und wartet voll Begier.
Fiammetta stürzt aufs Knie in höchsten Nöten,
Sieht sich entdeckt und glaubt, man wird sie töten.

Sie fleht um Gnade, daß, zu sehr befangen
Von Liebe, die sie für den Jüngling trug,
Von Mitleid für ein armes Herz voll Bangen,
Das viele Leiden schon für sie ertrug,
Sie sich in dieser Nacht so sehr vergangen;
Und nun erzählt sie redlich, ohne Lug,
Wie er sich zwischen sie gelegt, im Meinen,
Er werde jedem als der andre scheinen.

Die beiden Freunde sehn bei diesen Sachen,
Verwirrt und staunend, sich einander an,
Und müssen beiden die Bemerkung machen,
So angeführt sei wohl noch nie ein Mann.
Und nun geraten sie in solches Lachen,
Daß keiner bald mehr Atem schöpfen kann.
Mit offnem Mund, die Augen zugeschlossen,
Rücklings aufs Bette fallen die Genossen.

Als sie gelacht, bis sich die Brust vom Stöhnen
Verwundet fühlt und sich das Auge näßt,
Da sprechen sie: »Gibts Wache für die Schönen,
Wodurch des Mannes Schimpf sich hindern läßt,
Wenn dieser selbst gelang uns zu verhöhnen,
Die zwischen beiden lag, eng angepreßt?
Hätt auch der Mann mehr Augen noch als Haare,
Er hindert nicht, daß er Verrat erfahre.«

»Wir prüften tausend, all in Reiz und Schimmer,
Und fanden keine, die sich stolz betrug.
Prüft man noch mehr, sie werden sein wie immer;
Allein zur rechten Prob ist dies genug.
Nicht minder keusch sind unsre Frauen, nicht schlimmer
Als alle sind; das glauben wir mit Fug.
Und sind sie wie die andern Fraun auf Erden,
So gehn wir heim, um ihrer froh zu werden!«

Fiammetta rief, nachdem man dies beschlossen,
Auf ihr Gebot, den Buhlen selbst herzu.
Nun gaben sie ihn ihr zum Ehgenossen
Vor vielen Zeugen, und noch Geld dazu.
Dann reisten sie, doch wandten mit den Rossen
Nicht, wie sie wollten, sich dem Abend zu;
Sie kehrten zu den Frauen um, gen Morgen,
Und machten ihrenthalb sich nie mehr Sorgen.

*


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