Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Politik

Aus des Zweifels breitem Erker
Schaut man lustig, schaut man frei
Nieder auf den engen Kerker
Der Partei.

(Vereinsaufruf)

»Die Guten sollen sich zusammenscharen!«
Sehr einfach, was ihr da so warm empfahlt;
Doch wer ist gut? Wie soll man das erfahren?
»Wer pünktlich seinen Mitgliedsbeitrag zahlt.«

(An die Zeloten)

Kann eures Eifers Rachechor
Im Glauben uns bestärken?
Der liebe Gott hat mehr Humor,
Als je die Pfäfflein merken.

Ein kalter Virtuose,
Der sittlich tobt und schnaubt:
Entrüstung ist die Pose,
Der man am schnellsten glaubt.

(Der Nachtwächter)

Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen,
Ein neu Jahrhundert beginnt zu tagen;
Versteckt das Feuer und auch das Licht;
Stört Dunkelmännern die Ruhe nicht;
Lobet Gott den Herrn;
Aber haltet ihn fern!

Ist und War
Sind ein Paar;
Wird – so nennt sich ein Galan,
Der's Frau Ist hat angetan.
Schöpft der Gatte War Verdacht,
Dann, Freund Wird, nimm dich in acht!

Zwar sind nicht mehr in Acht und Bann
Die Dichter und die Denker;
Doch eilen sie der Zeit voran
Als Lichter und als Lenker,
Gleich hetzt auf sie Herr Dunkelmann
Die Richter und die Henker.

Die einen zetern erbost und schrill,
Wie schlecht die Ernte geraten;
Die andern bereiten den Boden still
Für künftige bessere Saaten.

Ein rechter Gottesfechter,
Am allerbesten ficht er
Gen Wichter und Gelichter
Mit schallendem Gelächter.

Ein feuriges Schlachtroß? Vergangene Zeiten!
Nein, Freund, wer heute zu siegen begehrt,
Der muß auf einem Prinzipe reiten:
Ein Königreich für ein Steckenpferd!

Schneuzt sich ein Held beim Marktbesuch,
Gleich zetert das Gesindel:
»Er braucht wie wir ein Taschentuch;
Sein Heldentum ist Schwindel!«

Mancher geht in den Augiasstall,
Läßt uns dabei mit lautem Schall
Glauben, daß er Herkules ist,
Und vermehrt doch nur den Mist.

Wer wird mit Lügen sich beschmutzen?
Die Wahrheit, der man gern entflieht,
Läßt sich so putzen und so stutzen,
Daß sie sich selbst nicht ähnlich sieht.

Was immer Stoff zum Jubel geben mag,
Bei euren Festen bin ich nicht zur Stelle;
Zu Hause kenn' ich manchen Feiertag,
Nur mangelt mir der Sinn fürs Offizielle.

Nachdem die Lakaien und Domestiken
Im Kutscherstüblein unter sich
Die Herrschaft benörgelt mit scharfen Kritiken,
Katzbuckeln sie doppelt meisterlich.

Jeder adlige Sprößling nennt
Sich den Erben erlauchter Toten;
Aber der Geistesadel kennt
Immer nur Stammherrn und keine Nepoten.

Leute, die am höchsten stehn,
Müßten auch am weitsten sehn,
Wenn's in solcher Wolkensphäre
Nur nicht oft so neblig wäre.

(Trojas Fall)

Die Stadt, die tausend Helden sich vermehrt,
Zuletzt erlag sie durch ein hölzern Pferd;
Stets taugt am besten der Erobrungslist,
Was halb ein Spielzeug, halb ein Fetisch ist.

Am Fortschritt der Moral beteiligt,
Sind wir darüber einig nun,
Daß nicht der Zweck die Mittel heiligt;
Doch der Erfolg wird's ewig tun.

 

 


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