Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Der morgenländische Prinz

        Es war einmal im Morgenlande –
Genau die Jahreszahl
Zu nennen bin ich nicht imstande –
Kurzum, es war einmal

Ein Prinz von feurigem Geblüte,
Wie Prinzen eben sind,
Gereift zu voller Jugendblüte,
Sonst aber noch ein Kind.

Denn während auf der Stufenleiter
Vom Spiel bis zur Gefahr
Als Ringer, Fechter, Schütz und Reiter
Er ohne gleichen war,

Entzog ihn unerklärlich Grauen
Der lieblichsten Gewalt:
Es fanden ihn die schönsten Frauen
Des Hofes spröd und kalt.

Selbst von den Königstöchtern allen,
In deren Reich er kam,
Vermocht' ihm keine zu gefallen,
Zu seines Vaters Gram.

Schon glaubte man, da solche Fälle
Sich häuften Schritt für Schritt,
Es wohn' ihm an des Herzens Stelle
Im Busen ein Granit –

Als eines Tags in einer Wildnis,
Durch die er jagend stob,
Ein kleines wundersames Bildnis
Er von der Erde hob.

Aus einem Rahmen von Rubinen,
Gefaßt in lautrem Gold,
Begrüßten einer Jungfrau Mienen
Ihn unbeschreiblich hold.

Kaum daß auf dem gemalten Wunder
Sein Augenpaar geruht,
Stand schon sein ganzes Herz wie Zunder
In lichterloher Glut.

Er nahm das Bild mit sich von hinnen,
Er spornte jäh sein Roß
Und sprengte heimwärts, wie von Sinnen,
Nach seines Vaters Schloß.

Er traf ihn traurig und alleine,
Wies jubelnd ihm den Fund,
Rief; »Diese will ich oder keine
Zum ehelichen Bund!«

Des alten Königs Augen lohten
Vor Glück, und alsogleich
Entsandt' er ungezählte Boten
Durchs ganze Königreich.

Die bliesen vor des Volkes Ohren
Die Lungen sich entzwei,
Zu forschen, wer das Bild verloren,
Und wer das Urbild sei.

Vergeblich Mühn! Die Boten kamen
Mit leerer Hand nach Haus;
Die Jungfrau trat aus ihrem Rahmen
Leibhaftig nicht heraus.

Der König aber hoffte, trösten
Werd' im Verlauf der Zeit
Den jetzt vom starren Frost Erlösten
Greifbare Wirklichkeit.

Doch weit gefehlt. Mit wieviel Reizen
Manch allerliebste Fee
Beflissen war, ihm einzuheizen,
Der Prinz blieb spröd wie je.

Des Vaters Schloß ward ihm zum Kerker,
Und Sehnsucht, nie gestillt,
Ließ ihn mit jedem Tage stärker
Entbrennen für das Bild.

»Niemals gehör' ich einer Andern,«
So lautete sein Schwur,
»Müßt' ich auch jahrelang durchwandern
Die Welt auf ihrer Spur.«

Nun sah der König, hier verlohne
Sich weder Zwang noch List,
Und Urlaub gab er seinem Sohne
Für unbestimmte Frist.

Der Prinz, mit Kräften eines Leuen,
Der endlich brach die Haft,
Begab mit wenigen Getreuen
Sich auf die Wanderschaft.

Er raste durch die Welt im Fieber,
In atemloser Hast,
Und stete Mühsal war ihm lieber
Als noch so kurze Rast.

Er ward nicht müd vom Sturm der Reise,
Nicht durch Entbehrung krank;
Denn Liebesnot war seine Speise,
Und Hoffnung war sein Trank.

Bis an der Erde fernste Ränder
Beharrlich kreuz und quer
Durchzog er aller Herren Länder,
Durchpflügte jedes Meer.

Er säumte nicht in Paradiesen,
War jeder Kurzweil fremd
Und focht mit Drachen und mit Riesen,
Die seinen Fuß gehemmt.

Ob Sommer strahlte von den Auen,
Ob Schnee vom Himmel fiel,
Es galt sein Denken wie sein Schauen
Nur dem geliebten Ziel.

Lenz kam auf Lenz im Schwung der Jahre,
Nun sprießend, nun verdorrt;
Schon bleichten mählich seine Haare;
Jedoch er suchte fort.

Er hatte zehnmal in der Runde
Die ganze Welt umkreist –
Da ward von einem Land ihm Kunde,
Das er noch nicht bereist.

Und wieder viele hundert Meilen
Auf unwegsamer Bahn
Bergauf bergab mußt' er durcheilen,
Um diesem Land zu nahn.

Auch hier das Bildnis der Erkornen
Vorweisend früh und spat,
Empfing von einem Eingebornen
Er endlich, endlich Rat.

Wo man des Bildes Urbild finde?
Und wer die Göttin sei?
Traun, von des Königs einz'gem Kinde
War dies das Konterfei.

Sie hatte, jedem Freier trutzend,
Von herbem Stolz beseelt,
Zurückgewiesen viele Dutzend
Und war noch unvermählt!

Der Prinz, von taumelndem Entzücken
Berauscht, bewältigt fast,
Flog stracks auf seines Pferdes Rücken
Zur Hauptstadt, zum Palast.

Er trat mit ungestümem Beben
In den geweihten Raum
Und sah nach einem halben Leben
Verkörpert seinen Traum.

Sie, deren Bild ihn herzverwirrend
Mit anderm Glück entzweit;
Sie, der zulieb er suchend, irrend
Vertan die Jugendzeit;

Für die den Erdkreis er durchmessen
Mit sehnlichem Begehr,
Sie war es, ja, sie war's – indessen
Sie glich dem Bild nicht mehr. –

 

 


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