Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Epilog zu »Der Traum ein Leben«

(Zur Feier von Grillparzers hundertstem Geburtstag,
15. Januar 1891, gesprochen im Lessingtheater zu Berlin)

(Der Epilog schließt sich unmittelbar an die Handlung des Stückes an. – Die Harfentöne klingen kurz fort; wieder hört man den Gesang des Derwisches wie am Schluß des ersten Aufzugs; wieder spricht Rustan die Worte nach:)

(Rustan)

        »Schatten sind des Lebens Güter,
Schatten seiner Freuden Schar,
Schatten Worte, Wünsche, Taten,
Die Gedanken nur sind wahr.«
Die Gedanken, die Gestalten,
Die aus großem, reinem Sinn
Mit Gewalten sich entfalten
Über alle Herzen hin.

(Der Gesang bricht ab; die Harfentöne klingen fort und schwellen immer mächtiger an. Allmählich, den folgenden Versen entsprechend, verwandelt sich die Szene wie am Schluß des ersten Aufzugs. Die Wand des Hintergrundes öffnet sich; Wolken verhüllen die Aussicht und heben sich langsam. Man sieht endlich wieder die Gegend des zweiten Aufzuges; nur der Hintergrund mit Bergstrom und Brücke hat sich in eine heitere Landschaft verwandelt. In deren Mitte, umrahmt von Blumen und Büschen, erhebt sich die Büste Franz Grillparzers; auf den Stufen des Postamentes ist die Muse gelagert, ihre Blicke zu dem Bild emporgewandt, den goldenen Lorbeerkranz in ihrer Rechten)

(Rustan)

        Horch! Der Harfentöne Wogen
Kommen feierlich gezogen;
Wie sie schwellen, wie sie hallen!
Täuscht mich wiederum ein Traum?
Wolken schweben, Schleier wallen,
Und es weitet sich der Raum,
Und die Ferne wird zur Nähe.
Ist es Blendwerk, was ich sehe?
Ist es wieder jene Stätte,
Wo sich meines Ruhmes Bahn
Trügerisch mir aufgetan?
Mirza, Massud, rette, rette!
Nein, seht her! Das ist sie nicht!
Nicht der Strom mehr, nicht die Brücke!
Und mein wirrer Traum vom Glücke
Ward verklärt im Sonnenlicht.
Wo ich stürmte jugendwild,
Um zu freveln, um zu büßen,
Ragt ein hehres Menschenbild.
Seine ernsten Blicke grüßen,
Und es schmiegt sich ihm zu Füßen
Eine Göttin stolz und mild,
Und der Kranz in ihrer Rechten
Soll das Heldenhaupt umflechten,
Das geheiligt hat ihr Ruf,
Soll die hohe Stirne krönen,
Die sich gab dem Dienst des Schönen,
Deren Traum uns Leben schuf,
Seinen Töchtern, seinen Söhnen. – –
(Die Harfe verstummt. Er wendet sich zu dem Bilde)
Ja, auch du warst jung und warm
Und dem kühnsten Traum ergeben,
Als mit kraftgestähltem Arm
Du dich stürztest in das Leben;
In der Jugend heißen Tagen
Fühltest du die Pulse schlagen
Und vertrautest deinem Stern,
Wolltest kämpfen, wolltest wagen,
Und kein Ziel war dir zu fern.
Du entwichest aus der Enge,
Drin die dumpf bescheidne Menge
Sich verriegelt vor der Tat,
Und mit tausend hellen Glocken
Hörtest du den Ruhm dich locken
Auf der Ehrsucht Schwindelpfad.
Fliehend in der Träume Land,
So entsagtest du der Liebe,
Die mit ihrer weichen Hand,
Wartend, ob dein Herz ihr bliebe,
Ihrem Helden Kränze wand;
So entsagtest du dem Glücke,
Das dich hielt in träger Ruh',
Stürmtest auf der schwanken Brücke
Deinen hohen Göttern zu. –
Doch du fühltest dich ermatten
In der Geistesfürsten Schatten,
Die, gewaltiger als du,
Fremder Dichtkunst bunte Schlange
Töteten mit sichrem Streich
Und in heimischem Gesange
Sich geteilt das Königreich;
Standest zag vor ihrem Throne,
Fühltest unwert dich der Krone,
Lauschtest an des Tempels Stufen,
Ob dich nicht zum Eintritt lade
Deiner Göttin späte Gnade,
Deines Volkes Jubelrufen.
Doch kein Echo klang zurück,
Bis dir sank des Lebens Leuchte,
Bis dir wertlos ward der Preis,
Bis der kampfesmüde Greis
Sehnend suchte nach dem Glück,
Das dem Jüngling nichtig deuchte.
Als der Tag schon fast verglommen
Deinem Schaffen, deinem Mühn,
Sahst du einsam und beklommen
Durch dein Fenster strahlend kommen
Deines Traumes Morgenglühn.
Deine Sonne war entbrannt;
Doch dich freute nicht ihr Scheinen;
Hieltest nur die weiche Hand,
Der du kämpfend dich entwandt,
Abschiednehmend in der deinen. –

Doch erlöst von ird'scher Fessel
Stieg dein Geist zu jenen Großen,
Die dich nimmermehr verstoßen
Von dem goldnen Fürstensessel,
Die zum Gruß entgegeneilten,
Als du eintratst scheu und bleich,
Die das tausendjähr'ge Reich
Stolz und freudig mit dir teilten:
Denn du wuchsest ihnen gleich.
Und dein Volk, das lange schwieg,
Jauchzet Dank und jubelt Sieg
Deines Kampfes heil'ger Beute;
Deiner Dichtung Sonne stieg;
Hoch im Mittag steht sie heute.
Wer von solcher Träume Macht
Ward durchleuchtet und entfacht,
Dem ist nur ein Traum die Bahre,
Ist ein Tag wie hundert Jahre,
Hundert Jahr' wie eine Nacht.

(Währenddessen ist das Dichterbild
von immer hellerem Glanze übergossen worden)
Sel'ge Sonne dieses Helden,
Die dem reinsten Licht entstammt,
Wirst den Enkeln flammend melden,
Was du uns ins Herz geflammt.
Breit' es aus mit deinen Strahlen,
Senk' es tief in jede Brust:
Höchstes Menschenlos hienieden
Ist dem Genius beschieden
Und der heil'gen Schöpferlust.
(Wieder zum Bilde gewendet)
Dir war Größe nicht gefährlich,
Dir der Ruhm kein leeres Spiel;
Was er nahm, war nicht'ger Schatten,
Was er gab, es war so viel;
Hat die Schwingen dir gegeben,
Körperlos dahinzuschweben
Über Raum und über Zeit;
Deine Träume wurden Leben
Und dein Leben Ewigkeit.

 

 


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