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Ja, nun bin ich wie begraben
Und mit Epitaph geziert;
Denn die Fachgehirne haben
Mich für immer rubriziert.
Freie Sänger, Fink und Wachtel,
Euer Mitleid ruf' ich an:
Seht, ich steck' in einer Schachtel,
Der ich nicht entschlüpfen kann.
Auf der Schachtel steht zu lesen
Ein erschöpfender Bericht
Von des Vogels Art und Wesen,
Was er singen kann, was nicht.
Will ich andre Lieder wagen,
Dann mit zornigem Gebrumm
Drehen mir sogleich den Kragen
Meine Schachtelwärter um.
Ach, ihr Ordnungssinn ist peinlich,
Ihre Strenge hat System;
Denn so wird die Welt erst reinlich,
Übersichtlich und bequem.
Nicht von schreienden Kontrasten
Wird ihr Einklang mehr gestört:
Friedlich sitzt in seinem Kasten
Jeder, wo er hingehört.
Aber freilich, hin und wieder
Packt mich wilde Freiheitsucht,
Und ich rüttle mein Gefieder
Und versuche kühn die Flucht.
Doch umsonst! Mir folgt als Klette
Meine Schachtel mit hinaus,
Wie dem Sträfling seine Kette,
Wie der Schnecke folgt ihr Haus.
Still, rebellisches Gemüte!
Was der Deutsche haßt und schätzt,
Wird schon in der Lebensblüte
Wissenschaftlich beigesetzt.
Bleib in deiner Schachtel hocken;
Etwas enge zwar und karg,
Aber fest und warm und trocken,
Spart sie künftig dir den Sarg.
Hüpfend, springend nütze munter,
Was dir noch an Raum verblieb,
Und ertönen laß mitunter
Vorschriftsmäßiges Gepiep;
Lern' im Chore mit zu schnattern
Und verschmerze möglichst bald
Deiner Jugend frohes Flattern
Und dein Heimweh nach dem Wald. |