Neunzehn Jahr'! Nun zählst du bald
Viermal zehn Semester;
Zweifellos, wir werden alt,
Meine liebe Schwester.
Einst in froher Kinderzeit –
Ist mir's doch wie heute –
Sahen wir mit tiefstem Neid
Auf die großen Leute.
Selbst einmal so groß zu sein –
Ja, wir wollten's gerne;
Doch das lag wie Dämmerschein
In der fernsten Ferne.
Als wir keck und unbeirrt
In die Höhe schossen,
Daß der Mensch auch älter wird,
Blieb uns noch verschlossen.
Als wir dann der Zeiten Spiel
Ahnend wahrgenommen,
War's der Sehnsucht letztes Ziel:
Aus der Schule kommen.
Dieses war der Schicksalstag,
Dies das große Endlich!
Daß noch was dahinterlag,
War uns kaum verständlich.
Jahre huschten schnell vorbei,
Morgen ward zum Heute,
Und nun sind wir alle zwei
Selbst die großen Leute.
Ich ein Mann, dem fast entflohn
Erstes Jugendschwellen,
Du ein Fräulein, welches schon
Tanzt auf allen Bällen.
Ich, dem manch ein Mägdlein traut
Gern ein Kränzchen flöchte,
Du schon alt genug zur Braut,
Wenn dich einer möchte.
Und wie lange währt es noch,
Bis auch dies vergangen,
Bis wir in das Ehejoch
Richtig eingefangen;
Bis nach unsrem einst'gen Ziel
Jüngre Augen schielen,
Und bis unser Kinderspiel
Unsre Kinder spielen!
Aber wenn wir auch geschwind
Durch das Leben fahren
Und um vieles älter sind
Heut in fünfzig Jahren,
Wenn des Lebens Mond dahin
Bis zum letzten Scheibchen,
Ich ein Hutzelmännchen bin,
Du ein Hutzelweibchen,
Wenn verflogen Spiel und Schein,
Vor der Wahrheit Schimmer:
Brüderlein und Schwesterlein
Spielen wir noch immer. |