Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Gesellschaft

Der Löwenhöhle steht Geselligkeit
Nicht nach an tückevollem Graus:
Du kommst hinein mit großer Schnelligkeit,
Doch nie im Leben mehr heraus.

Das ist der törichte Zirkellauf,
Den sich die Weltstadt ersann:
Die Menschen regen sich furchtbar auf
Und meinen, sie regten sich an.

Bei Tisch ist mir ein Bösewicht
Erträglicher als ein Flegel;
Denn schmutziges Denken seh' ich nicht,
Aber schmutzige Nägel.

Mancher dünkt sich einen Cäsar schon,
Wenn er eine Vorschrift guter Sitten
Kühn verachtend überschritten;
Denn er glaubt, das sei der Rubikon.

Ihr lodert zu willig
In sittlichem Feuer:
Entrüstung ist billig,
Und Einsicht ist teuer.

(An die Künstler)

Laßt von des Alltags Flutgeroll
Nicht eure Kraft verbrauchen;
Denn wer die Woge klären soll,
Darf nie drin untertauchen.

Als einer den andern selten geschaut,
Da fühlten sie sich verwandt und vertraut:
Sie sahen und sprachen einander täglich
Und wurden sich fremd und unerträglich.

Ihr glaubt, der Geck im aufgebauschten Kleid
Verstelle sich nur,
Und doch, wie schnell wird Unnatürlichkeit
Zur zweiten Natur!

Persönliche Fragen sind stachlicht,
Wenn man sie nicht versachlicht.

's gibt Frauen, die scheinbar aus innerem Drang
Sich emanzipierten,
Nur weil sie vergeblich jahrelang
Den Eh'mann zitierten.

Das ist gewiß ein grämlicher Kanzleirat,
Dem eine Maid nicht würdig dünkt zur Heirat,
Weil sie sich rüstig tummelt auf dem Zweirad.

O schlimme Unausbleiblichkeit
Bei Frauen als Doktoren:
Die Weiblichkeit, die Weiblichkeit
Geht unbedingt verloren.
Vom Bier die Unzertrennlichkeit
Bleibt Vorrecht der Studenten:
Die Männlichkeit, die Männlichkeit
Hat Angst vor Konkurrenten.

Wie seltsam, daß durchtriebene Frauen
Den schlichtesten Mann am schwersten durchschauen;
Sie halten es für verteufelte List,
Wenn er sich arglos gibt, wie er ist.

Wären deine Gründe stark wie Eisen,
Hoffe nicht, du könnest überhaupt
Irgendetwas einer Frau beweisen,
Was sie nicht schon unbewiesen glaubt.

Frauen ertragen die Einsamkeit
Nur zu zweit.

Männer vermochten der Welt zu entrinnen
Leichten Gemütes und heitren Gesichts;
Aber von Einsiedlerinnen
Meldet die Fama nichts.

»Was ist besser? Sich beweiben
Oder frei und ledig bleiben?«
Freund, es gibt da kein System:
Laß dich trauen, schau, mit wem.

Ein Abgrund klafft von Ich zu Ich,
Unwegsam hemmend unsre Schritte:
Freundschaft und Liebe treffen sich
Auf schwankem Notsteg in der Mitte.

 

 


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