Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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In Venedig

I

        Unsterblicher Meister Tizian,
Wie muß ich arm dich nennen!
Du lebtest und schufest im stolzen Wahn,
Die lieblichsten Frauen zu kennen.

Was ewig unerreicht dir blieb,
Mir ward es zum seligen Lohne;
Du kanntest ja nicht mein süßes Lieb,
Sie aller Frauen Krone. –

II

        Du zauberhafte, hehre
Verwunschne Stadt im Meere,
Du bleibst mir fremd und stumm;
Mit allen deinen Schätzen
Kannst du mir nicht ersetzen
Mein fernes Heiligtum.

Wie könnte mich beglücken,
Wie mir den Sinn berücken
Was ihn so reich umschließt,
Wenn sie, der all mein Leben
Geweiht und übergeben,
Nicht lächelnd mitgenießt!

Der Zukunft Tor steht offen,
Darin ein selig Hoffen
Vor meinen Blicken liegt:
Daß hier an meiner Seite
Einst die Geliebte schreite,
In meinen Arm geschmiegt.

Und wenn die Vollmondstrahlen
Sich in den Fluten malen
Beim Abendglockenklang,
Wenn durch die Säulenhallen
Uralte Weisen schallen
Und träumender Gesang,

Dann in beglücktem Schweigen
Die Gondel zu besteigen
Lädt uns die laue Nacht,
Daß wie vom Liebeshauche
Verschönt, verjüngt enttauche
Die halbversunkne Pracht. –

Du Stadt im Märchenschimmer,
Dein Zauber lockt mich nimmer,
Bis mir ein Gott gewährt,
Daß dich die wundersüßen,
Geliebten Augen grüßen,
Von Seligkeit verklärt.

 

 


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