Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Epistel

        Weit von dir getrennt und überlassen,
Herzgeliebte, meinen stillen Seufzern
Und den bittren Tagen des Entbehrens
Träum' ich gerne mich in deine Nähe,
In das kleine Reich, darin du webest,
In die schlichte, wohlbekannte Stube.

Zwar kein fürstlich schwelgerischer Wohnraum,
Nur erfüllt von den verdroßnen Möbeln,
Welche lieblos jedes Mieters harren,
Ohn' auch nur an einen sich zu ketten
In persönlich innigem Verhältnis;
Doch für mich ein Festsaal und ein Tempel
Und ein trautes Heim, weil du's bewohnest.
Alles steht mir greifbar vor den Augen:
Knallrot hier das Sofa mit den Sesseln,
Hier der Tisch mit Büchern, Briefen, Karten
Und dem Kasten voll von Konterfeien;
Dann die Staffelei ihm gegenüber,
Die das Bildnis trägt der Herzgeliebten,
Wohlgemeint, doch ganz und gar nicht ähnlich.
Etwas rechts davon der harte Diwan,
Dessen anatomische Gebresten
Schonend einhüllt der karierte Teppich.
Zwischen beiden Fenstern dort der Spiegel,
Ihm zu Füßen auf dem Marmorsimse
Das Porträt von jemand, dessen Ehrgeiz
Keinen andern Lohn so heiß erstrebet
Als den Titel deines Lieblingsdichters . . .
In der Ecke dort das Wäscheschränkchen,
Dessen wohlgeordnet weiße Linnen,
Schön verziert mit selbstgestickten Säumen,
Zeugen von dem Fleiße meines Mädchens.
Aber zu des Sofas andrer Seite
Jener Schreibtisch, dran ich alle Tage
Seine Herrin gern beschäftigt wüßte,
Süße Briefe schreibend ihrem Liebsten . . .
Rings verteilt die welken Kränz' und Sträuße;
Freilich, könnte gleich zur Blume werden
Jeder meiner zärtlichen Gedanken,
Dann fürwahr mit ewig frischen Blüten
Würde sich der ganze Raum umflechten. –
Auch nicht zu vergessen auf dem Ofen
Jener Mustersammlung leerer Körbe,
Fast genug schon, um mit sichrem Vorteil
Schwunghaft einen Handel zu betreiben;
Und der Ofen selbst, das braune Monstrum,
Dran gelehnt, die Hände auf dem Rücken,
Du so gern mit großen stummen Augen
Grübeln magst und träumen . . .

                                                Doch beim Himmel,
Nun ich so die Stube mir gezeichnet,
Möcht' ich mir das Bild noch schöner malen,
Möchte mir den Schauplatz reich beleben
Mit zwei glückvereinten Menschenkindern.
Siehe da, mich trägt der Zaubermantel
Durch die Wolken schnell zu meinem Ziele:
Flink, in ungeduldig langen Sätzen
Spring' ich aufwärts die vertraute Stiege;
Bebend drückt der Finger auf das Läutwerk,
Und man öffnet: »Fräulein ist zu Hause,
Bittet, einen Augenblick zu warten.«
Durstig schlürf' ich die willkommnen Worte,
Freue mich der lieblichen Verheißung,
Hänge meinen Mantel an den Haken,
Und gesittet meinen Hut in Händen
Tret' ich ein. Nicht lange muß ich harren.
Horch, die süße Stimme, lustig trällernd,
Hör' ich auf dem Gang und leichte Schritte:
Nun – o Glück – nun öffnet sich die Türe,
Und du fliegst an meinen Hals und lächelst –
Jenes märchenhafte, holde Lächeln,
Das mir völlig den Verstand geraubt hat –
Und ich halte dich in meinen Armen,
Küsse deinen Mund, die beiden Augen,
Deine Stirn und wieder deine Lippen,
Bis du wehrend sagst: Zuviel des Guten! –

Und wir setzen uns vernünftig nieder
Wie zwei alte gute Kameraden,
Hand in Hand und Auge fest in Auge,
Schwatzen weidlich über dies und jenes;
Was auch wär' in aller Welt vorhanden,
Daß wir nicht darüber schwatzen möchten?
Alles wird bedeutsam und gefällig,
Wenn aus liebem Mund es lieb hervorklingt;
Leichten Scherz verklärt und weiht die Liebe,
Rosig wird der Ernst von ihrem Hauche. –

Und dann plötzlich vor mir hingekauert,
Zwischen meinen Knieen zart und schmiegsam,
Schaust du auf und ich zu dir hernieder,
Und wir schweigen – und mir dünkt dies Schweigen
Wie ein Strauß von unberührten Blüten,
Wie ein Meer von ungesungnen Liedern.

Du erhebst dich, und ein dunkler Schatten
Überstreift dein sonnenlieblich Antlitz,
Und es schleichen sich zwei große Tränen
Aus den Augen, deine Wangen feuchtend.
Ich jedoch, an meine Brust dich schließend
Und die Tränen küssend von den Wangen
Flehe sanft und innig: Sag mir, Liebchen,
Sag mir, was die Seele dir belastet!
Ist es schwer, so will ich's mit dir tragen,
Ist es schmerzlich, will ich mit dir weinen;
Aber zweifle nicht an meiner Liebe,
Die so groß und rein und allbezwingend;
Hab Vertrauen zu dem ernsten Herzen,
Das sich dir geschenkt hat und ergeben;
Schau in ihm den Hafen deines Glückes,
Deiner Leiden sichre Zufluchtstätte;
Willst du, Liebchen, willst du? . . .
                                                    Und du lächelst
Unter Tränen; deine weichen Lippen
Finden zu berauschtem Kuß die meinen,
Und die feuchtverklärten Blicke sagen
Rührender beredt als arme Worte,
Sagen einem glückverwirrten Toren,
Sagen ihm, daß er von dir geliebt ist.

 

 


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