Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Prolog zu
Wilhelm Jordans Lustspiel »Durchs Ohr«

(Zur Feier seines achtzigsten Geburtstags im
Frankfurter Stadttheater, 8. Februar 1899)

        Von des Reiches Grenzen fern im Norden
Kam ich zu des Maines hellem Strand,
Zog die Straße, die mein Dichter fand,
Als er früh der Heimat sich entwand,
Jüngling noch und schon zum Mann geworden.
Ob er mich noch kennt? Ich war ihm teuer,
Und ich schürte seines Herzens Feuer,
Wenn er, sehnsuchtsvoll ins Weite lugend,
Lichte Träume spann von künft'gem Glück:
Seht mich an! Ich bin des Dichters Jugend,
Und noch einmal kehr' ich ihm zurück.

Darf getrost an seine Türe pochen;
Denn kein Schuldbewußtsein macht mich zag,
Wenn ich ihm ins Auge blicken mag
Heut an seinem goldnen Erntetag;
Alles gab ich ihm, was ich versprochen:
Einen trauten Herd, vom Sturm gemieden,
Selbsterwählter Heimat Schaffensfrieden,
Heilig Gut, für das er mitgefochten,
Kraft und Größe seines Vaterlands
Und vom Danke Tausender geflochten
Einen unverwelklich vollen Kranz.

Doch vielleicht, daß er mit ernstem Grüßen
Wehmutstill die Hand mir beut und spricht:
»Meine Jugend, du betrogst mich nicht;
Keine Hoffnung mußt' ich mit Verzicht,
Keinen Glauben mit Enttäuschung büßen.
Deine Saat erwuchs in reifem Prangen;
Nur du selber bist hinweggegangen.
Ungebeugt vom Druck der achtzig Jahre
Darf ich wohl der Zukunft noch vertraun;
Aber, Jugend, meine Silberhaare
Macht dein letzter Gruß nicht wieder braun.«

Spricht er so, dann werd' ich flink erwidern:
»Wohl, ich bin zumeist ein flücht'ger Gast;
Dich jedoch verließ ich nie; du hast
Zaubernd mich gebannt zu steter Rast;
Denn ich blühe fort in deinen Liedern.
Deines Volkes starke Jugendtage
Hast du neu belebt im Glanz der Sage,
Hast geheimen Tiefen abgewonnen
Den versunknen tausendjähr'gen Hort;
Aus der deutschen Sprache Märchenbronnen
Schöpftest du das ewig junge Wort.«

Statt mit Lorbeer kränz' ich meinem Dichter
Drum mit Rosen heut den Ehrenthron:
Nein, die Tugend ist ihm nicht entflohn,
Und mißtraut er meinem Herzenston,
Dann euch insgesamt ruf' ich als Richter.
Wer den Mutterlaut so kühn gemeistert,
Daß er bald wie mächt'ge Harfen geistert,
Bald erklingt wie dröhnend Meeresrauschen,
Bald wie frommer Kirchenglocken Chor,
Der empfinde, daß in treuem Lauschen
Deutsches Volk ihn liebgewann – durchs Ohr.

 

 


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