Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Prolog zu Freytags »Journalisten«

(Festaufführung im Wiesbadener Hoftheater aus Anlaß
der Enthüllung des Freytag-Denkmals)

Konrad Bolz tritt vor und spricht:

        Liebwerte Damen, hochgeschätzte Herrn!
Gemeiniglich seht ihr's nicht eben gern,
Wenn ihr gewillt seid, buntem Spiel zu lauschen,
Daß jemand in geschniegeltem Habit,
Verzögernd noch des Vorhangs Aufwärtsrauschen,
Als Sprecher an die Rampe tritt.
Auch ich, obgleich nicht schüchtern von Natur
Und aus Berufspflicht schauderhaft verwogen,
Erkühne mich zu diesem Wagnis nur,
Weil eure Gunst mich gründlich hat verzogen.
Beliebtheit macht die Dreisten dreister noch;
Verehrt ihr mich seit fünfzig Jahren doch
Als wackren Kauz und muntren Spießgesellen,
Und lediglich aus höchst gerechtem Stolz
Erlaub' ich mir, mich nochmals vorzustellen:
Ich bin der Doktor Konrad Bolz.

Wie? fragt ihr mit erstauntem Ton;
Der Bolz, der unsrer Väter Väter schon
Zu hellem Lachen wußte zu erschüttern,
Wenn er des Übermutes Pritsche schwang?
Der Bolz, der unsrer Mütter Müttern
Den Frohsinn auf die Mädchenstirne zwang?
Und noch kein weißes Haar? Noch keine Falten?
Wie hat er sich so jugendlich erhalten?

Dies Staunen ist fürwahr nicht übertrieben.
Ein Wunder scheint es immerhin,
Daß ich trotz fünf Jahrzehnten jung geblieben,
Jung wie das Kunstwerk, dessen Held ich bin.
Längst ist der Hader, den es malt, gedämpft;
Auf größrer Walstatt wird der Kampf gekämpft;
Geschlechter sind versunken und ersprossen;
Aus damals dürftig grünem Unterholz
Ist Deutschlands Eichwald mächtig aufgeschossen;
Doch jung wie einst steht vor euch Konrad Bolz.
Und fragt ihr noch: Woher der Wangen Rundheit?
Woher der frische Blutstrom, der sie färbt?
Von jener unverwüstlichen Gesundheit,
Die mir mein Vater hat vererbt.

Dank dir, mein Vater! Meine Jugend quillt
Aus dir und ist von deiner nicht zu trennen.
Wer recht mich kennt, muß dich in mir erkennen.
Du schufst mich ja nach deinem Ebenbild:

Ein deutscher Mann, zu Tat und Rat geboren,
Ein Fechter und ein Schwärmer, mild und stark,
Den Schelmen faustdick hintern Ohren;
Doch ritterlich und lauter bis ins Mark.
Im Ernste heiter, wurzelecht im Scherz,
Ein treuer Eckart heiliger Gesetze,
Tiefinnen nur ein kleines Taschenherz,
Doch in dem Täschlein ungeahnte Schätze.
Ein Freund den Freunden, wenn es galt,
Ein Freund des Volks, dem aus verschollnem Schachte
Den Hort der Ahnen er zutage brachte;
Ein Führer durch Gestrüpp und finstren Wald
Zu schimmernder, verheißungsvoller Lichtung
Und weiter bis zur Heimat, bis zum Herd;
Ein Recke, der als Banner trug die Dichtung,
Das Wort als scharfgeschliffnes Schwert.
Ein freier Mann, mit keiner Zunft im Bunde
Und katzenbuckelnd weder rechts noch links,
Doch abhold nicht in einer guten Stunde
Dem Gelbgesiegelten Freund Piepenbrinks.
Beim Becher ein behaglicher Genoß,
Zu jedem Mutwill, jeder Schalkheit nütze;
Jedoch am Werk ein zielgewisser Schütze,
Und ich der Bolz, den er ins Schwarze schoß.

Nun wird in dieser Stadt der warmen Bronnen,
Von der er sprach: Hier laßt uns Hütten baun,
Die seinen Abend gastlich warm umsponnen,
Sein Bildnis dauernd auf uns niederschaun.
Die Gönner, die das teure Denkerhaupt
In edler Abform seinem Volk bescheren,
Sie bringen's dar, um sich in ihm zu ehren,
Nicht weil sie des bedürftig ihn geglaubt.
Denn trotzen wird noch manchem Sturmeswehn
Das Denkmal, das er selbst in Erz gegraben;
In Deutschlands Hauptbuch wird sein Soll und Haben
Nicht als verlorne Handschrift stehn.
Und wenn ihr heut, von seinem Geist erfaßt,
Dies kunstgeweihte Haus verlaßt,
Dann fragt euch, ob der kerngesunde Mann
Wohl Marmor braucht, um seinen Ruhm zu fristen,
Den er doch täglich neu verkünden lassen kann
Von seinen eignen Journalisten.

 

 


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