Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Studienkopf

        Was sitzt dort und gleißet von üppigem Tand,
Mit perlenverzieretem Busen?
Es ist eine Dame von großem Verstand,
Gefeiert als Freundin der Musen.
Sie spricht über das, und sie redet von dem,
Und lockige Jünglinge lauschen,
Indessen nach wohlüberlegtem System
Die seidnen Gewänder ihr rauschen.

Sie spricht von dem pinselgewaltigen Mann,
Der gestern mit fröhlichem Mute
Ein langes Menü, das sie selber ersann,
Bei ihr zu verspeisen geruhte.
Sie spricht von dem Dichter, der beifallumtobt
Des Helikons Gipfel erklommen,
Und zeigt ein Billettchen, worin er gelobt,
Zum morgigen Frühstück zu kommen.

Sie redet sodann von dem neuesten Stern,
Den eben die Zeitungen buchen,
Und daß er geäußert zu mehreren Herrn,
Er werde sie nächstens besuchen.
So reiht sie und füget die glänzende Schnur;
Es fehlt kein erlauchtester Name,
Kein Perlchen, von dessen Talent man erfuhr,
Im Funkelgeschmeide der Dame.

Die Jünglinge schütteln das lockige Haupt
Als höchster Bewunderung Zeichen;
Sie hätten es nimmer gedacht und geglaubt,
Man könne so Großes erreichen.
Denn jeglicher Heros und jeder Gigant,
Vor dem man in Ehrfurcht versteinert,
Er zeigt sich in dieser geschmeidigen Hand
Zum niedlichen Spielzeug verkleinert.

Die Jünglinge suchen in schlafloser Nacht
Die Zaubrin umsonst zu vergessen:
Ach, hätten sie selber so weit es gebracht,
Bei ihr sich unsterblich zu essen!
An wen die bedeutsame Ladung ergeht
Zu dieser geheiligten Stätte,
Der findet das amtliche Ruhmesdekret
Gleich unter der weißen Serviette.

 

 


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