Ludwig Fulda
Melodien
Ludwig Fulda

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Zu Friedrich Theodor Vischers
hundertstem Geburtstag

(30. Juni 1907)

        Auch Einer – vom Stamm der Schwaben,
Und einer der besten zwar,
Er feiert, obwohl begraben,
Lebendig sein hundertstes Jahr.
Er bot als Herzenserfrischer
Uns echtestes Schaumgeperl:
Der Friedrich Theodor Vischer,
Das war ein ganzer Kerl.

Das war kein Augenverrenker
Mit leerem Gered' und Getu';
Das war ein geharnischter Denker
Und ein Poet dazu.
Der ritt auf seinem Katheder
Wie auf dem feurigsten Pferd,
Und seine geschliffene Feder
War scharf wie ein blankes Schwert.

Und galt es den Kampf – beim Himmel,
Der Schwabe forcht' sich nit,
Wenn er im dichten Gewimmel
Gen die Philister stritt.
Da ließ er die Pfeile sausend
Einhageln auf ihr Heer.
Er schlug wohl ihrer zehntausend;
Nur waren es leider noch mehr.

Und wenn er dem Finsterlingsvolke
Gezaust nach Noten das Ohr,
Dann aus der Gewitterwolke
Brach lächelnd sein Humor.
Der blieb den Hetzern und Hassern
Ein unangreifbares Ding
Und schwebte über den Wassern
Als sonniger Sonderling.
Ihr, die noch nicht ihn ergründet,

Kommt flink heran und entdeckt's,
Wie trutzig er Fehde gekündet
Der Tücke des Objekts,
Dem Kleinlichen und dem Kleinen
In dieser boshaften Welt,
Das, wenn wir zu fliegen vermeinen,
Den Fuß am Boden uns hält.

Er hat in Alltagsbeschwerde
Ins Herz den Trost uns gesät,
Daß über der ebenen Erde
Ein oberes Stockwerk besteht.
Dort gegen die Rippenstöße
Des launischen Zufalls gefeit,
Hat er sich menschlicher Größe
Zum Hohenpriester geweiht.

Nie ließ er zu Schemen erblassen
Der Helden unsterbliche Schar;
Er konnt' an der Wurzel sie fassen,
Weil ihres Geschlechts er war.
Zu ihrem Königsschlosse
Stand ihm der Zugang frei;
Er war ihr Bundesgenosse,
Doch niemals ihr Lakai.

Drum, Deutschland, rüste zur Feier
Und rühre dein Glockengeläut'
Dem alten Schartenmeier,
Der jünger als Jugend von heut.
Vom Laube der Neckarreben
Ein Kranz, mit Rosen besteckt,
Soll ihm die Stirn umweben
Als ausgesöhntes Objekt.

Wann immer man wird gedenken
Der Männer gottgesandt,
Die mit erhabnen Geschenken
Bereichert ihr Heimatland
Und noch die Enkel durchdringen
Mit ihres Geistes Hauch,
Dann wird man sagen und singen;
Auch Einer war einer auch.

 

 


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