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Blindheit, Blindheit,
Nimmer geheilte, nimmer verscheuchte,
Undurchdringlich der sonnigen Klarheit
Und dem Flammenschwerte der Wahrheit
Und des Wissens göttlicher Leuchte!
Blindheit, Blindheit!
Seit den Tagen träumender Kindheit,
Seit der Jugend brausenden Stürmen
Ewiges Erbteil des Menschengeschlechtes,
Rastlos geschäftig, im Wahne des Rechtes
Urweltquadern emporzutürmen
Gegen das Licht,
Deinen Irrtum vergötternd zur Pflicht
Und in des Väterglaubens Hafen
Sicher gewiegt und selig entschlafen
Gestern wie heut,
Wenn von Schwingen der Andacht getragen
Du den Retter ans Kreuz geschlagen
Und dem Verderber Rosen gestreut.
Wehe, du schreitest zu festlichen Tänzen
Durch ein Tal voll rauchenden Blutes,
Und dein Mund in hellem Gesange
Weissagt nimmer und nimmer Gutes.
Unter den frischgeflochtenen Kränzen
Siehest du nicht die züngelnde Schlange?
Blindheit, Blindheit,
Siehest du nicht vom Winde geschwellt
Dort die wallende, wachsende Flamme
Nagen an deinem bewimpelten Zelt,
An des Daches stützendem Stamme?
Blindheit, wehe, du fällst ihr zum Raube!
Falsch deine Freude,
Morsch dein Gebäude,
Locker dein Glaube!
Feuer zerstört
Prasselnd dein heuchlerisch prunkendes Reiche
Aber die Sehenden, die für dich litten,
Deren rufende, warnende Bitten
Du nicht gehört,
Werden verglühen mit dir zugleich. –
Und wie tausend Male zuvor
Aus der verschütteten Asche wieder
Steigst du neugeschaffen empor,
Reckst die herrlich verjüngten Glieder,
Blindheit, Blindheit,
Hängest geschwind
Funkelnd neue Namenschilder
An die ältesten Götzenbilder,
Und ein erneuertes Fest beginnt.
Nimmer des Lichtes lebende Boten
Wirst du erkennen; wirst sie hassen,
Wirst sie verdammen. Sprich, warum
Ehrst du gläubig die großen Toten?
Weil dir nicht obliegt, sie zu fassen,
Weil sie geduldig wurden und stumm.
Dich bekämpfend sind sie gefallen,
Und mit Weihrauch magst du gern
Blindheit, Blindheit,
Zu den Gräbern der Heiligen wallen,
Deren heiliger Geist dir fern. |