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(1888.)
I. |
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Carmen Sylva, Carmen Sylva, Warum eiltest Du durch Breslau, Ohne – durch ein Wort – zu gönnen, Daß ich Dich begrüßen dürfe? Ach, nicht viel hätt' ich gesprochen, Lange nicht Dich aufgehalten! – Ungerufen, unwillkommen Aber durft' ich nicht mich nahen: Nicht der Kön'gin, nicht dem Weibe, Nicht der Priesterin des Schönen. Carmen Sylva, o wie traurig Widerspiegelt das mein Leben! Immer Sehnen nach der Muse: Einmal nur ihr flüchtig Nahen – Einmal huldreich angelächelt: – Aber dann schwebt, unerreichbar, Hoch ob meinem Haupt vorüber Still und stolz im Lorberkranze, Abgewandt von mir die Göttin, Der ich treu doch bis zum Tode! – |
II. (Mit einem Lied, aus Coblenz gesandt.) |
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Fern von des Rheinstroms rauschenden Wogen, Weit aus der deutschen, der heimischen Au' Kommt hier ein Vögelein singend geflogen, In die Kemnate der Königsfrau. Kennst Du das Vögelein? Kannst Du es nennen? Siehe, hier schwebet ein Lied Dir zu Füßen |
III. 1. |
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Schöne Kön'gin, Du vom Aufgang, Aehnlich Du der Morgenröthe, Wärst Du früher als Aurora, Deine rosigholde Schwester, Ueber Breslau hingezogen, – Sicher hätt' ich dieses Auge, Dieses schönheitdurst'ge Auge, Huld'gend zu Dir aufgeschlagen. Doch, indeß Du heimwärts schwebtest, Saß ich noch am Strand der Nordsee, Träumend bei dem Flug der Möwen, Und es rauschten mir die Wellen Manch' geheimnißschwere Kunde Von dem Weib in weißen Haren, Doch mit wunderjungen Augen, Das sie jüngst auf Sylt gesehn: Von der Märchen-Königin! – – |
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2. |
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Ja, nach hundert Jahren wird noch Dort die Sage flüsternd umgehn; Und erzählen wird die Greisin, Wie die Mutter ihr erzählte, Daß dereinst vom fernen Ostland Eine wunderschöne Kön'gin, Leuchtend wie die Morgenröthe, Kam gezogen durch die Wellen: Einsam kam sie – trotz Gefolges! – Und ein seltsam Zaubertreiben |
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3. |
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Und alsbald, wie neu gekräftet, Winkte sie mit beiden Händen Ueberall hin ob dem Eiland, Leise Worte dazu raunend, Worte einer fremden, weichen, Hier noch nie vernommnen Sprache: Sieh, da kamen alle Kinder, Kamen Knaben, kamen Mädchen, Blonde, rothe, braune Köpflein, Kamen an von allen Enden: Und sie drangen und sie drängten Wimmelnd an die Knie der Kön'gin, Wie die saß im gelben Sande, Ueber ihr der blaue Himmel, Unten tief der Meerfluth Branden; Und noch einmal schwang die Rechte Sie beschwörend über all die Blonden, rothen, braunen Köpflein Und begann nun zu erzählen! – |
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4. |
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Ja, begann nun zu erzählen: Märchen, Märchen über Märchen, Selbsterfundne wie erlauschte In dem fernen Land im Osten. Sie erzählte, wann die Sonne Ueber ihr stand voll im Mittag, Bis die blauen Schatten fielen Und der Gluthball sank ins Wasser Und die Möwe, heimwärts hastend, Im Geklippe fern verschwebte Und die stillen Sterne kamen Und der Mond, der Geisterkönig, Geisterbleich sah auf die Düne. Und die Kinder lauschten! Lauschten Offnen Auges, offnen Mundes, Nimmer müde, auf zu horchen, Nimmer müde, auf zu schauen Zu der wunderschönen Kön'gin, Die da saß mit weißen Haren, Aber wunderjungen Augen, Manchmal hob den Zeigefinger Ihrer weißen rechten Hand. – |
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5. |
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Ja, sie bannte Knab' und Mädchen, Wie zu Hameln einst sie bannte Jener Rattenfänger; aber Nicht, sie in den Tod zu locken: Nein: – sie lockte und sie führte Die erstaunten Fischerkinder In ein nie geahntes, schönes Blaues Märchenreich der Wunder: In das Wonneland der Dichtung, Dessen nie mehr mag vergessen. Wer dort einmal nur gegastet! – Und so wirkt seit jenen Tagen Von Geschlechte zu Geschlechte Unaustilgbar fort der Zauber, Unauslöschlich fort der Segen, Den hier ausgestrahlt dereinst die Wunderschöne Märchenfürstin, Sie, die Kön'gin Morgenröthe, Jung von Auge, weiß von Har. |
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6. |
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Doch am Erhabensten hat aus Allen Einer erkannt die Erhabene: Odhin von Asgardh! Weil sie weihte ein Weihthum, Gütig gönnte ein Grab Den traurigen Todten, Welche da wirft die wilde Woge, Ferne den Freunden, Fern von dem Frieden Der holden Heimath, An des steilen Gestades Oed'-unwirthliches Ufer. – Als Odhin oben in Asgardh Brachten diese Botschaft Raunend seine raschen Raben, Da strich der Stolze Sich, selig sinnend,. Ueber den wirr wogenden, weißen Breiten Bart: »Heil Dir, Du Herrliche!« Rief er in Rührung, »Wohl Dir – trotz all Deinem Weh! – Du weihevoll Weib! Du hilfst mir halten Die Welt wider das Wüthen Ruchloser Riesen. Wahr nun werden Uralte Ahnungen, Daß dereinst mir Eine herrliche Helferin, Ein wonnig Weib, Eine Königin, komme. Eher nicht endet das All, Bis Naglfar naht, das nächtige Schiff, das scheusälige, Das ganz gebaut Und genietet aus Nägeln Trauriger Todter, Welche geworfen die wilde Woge An das öde Ufer, Und welche herzlose Härte Ungepflegt, ungesäubert, unbestattet Liegen ließ im Leide, die Leichen. Heil mir, eine holde Helferin, Eine Königin, kam! Sie wehrte, das wonnige Weib, Daß Naglfar nahe. Heil Dir, Du Herrliche: Schild an Schild Stehest Du Stolze Odhin von Asgardh! Zum Danke des Dienstes Spend' ich sprudelnd Aus Quasir, dem quillenden Quell, Tiefsten Trunk Dir der Dichtung!« |