Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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III. Abtheilung.
Lyrisches.

I. Von Felix Dahn.

Rom.

                  Vom Monte Pincio sah ich auf die Stadt,
Die schimmernd vor mir lag im Mondesglanz:
Doch nicht allein die glänzenden Paläste,
Die Kirchen sah ich und die Säulenreih'n, –
Es stiegen aus den Gräbern vor mir auf
Die Todten, welche diese Straßen einst
Als Lebende mit Lust erfüllt und Leid. – –

Die ersten Bote sah ich, drauf die Hirten
Den gelben Tiber abwärts ihre Rinder
Vom triftenreichen Umbrien zum Markt
Des kleinen Dorfs im Gau der Ramner brachten. –

Dann sah ich Männer rauher Tugenden,
Des Pflugs nicht minder eifrig als des Schwerts,
Vom Rand des Abgrunds oft den jungen Stat
Abdrängen mit den angestemmten Schultern
Und ihn zum Herrn Italiens erheben.
Schon bringen vom besiegten Afrika
Carthago's Götterfunken die Trieren,
Schon schreiten unter goldner Ketten Last
Bei Tubaklang zum Kapitol hinan
Die unterjochten Kön'ge Asia's
Voraus des Triumphators goldnem Wagen.
Und ungeheure Laster thronen bald
Auf allen sieben Hügeln dieser Stadt:
Das Uebermaß der Lust, der Pracht, der Macht
Bricht aus im Größenwahnsinn der Cäsaren.
Entkrönet wird nun Roma: nach Ravenna
Und nach Byzantium hinüber gleitet
Vom müden Scheitel ihr das Diadem. –

Im Adlerhelm, die Streitaxt in der Rechten,
Auf's Forum sprengt der blonde Alarich,
Und leise klinget im Sanct Peter schon
Der Hammerschlag, der bald ein neues Rom
Zur Weltherrschaft der Seelen auferbaut. –

Dann wirft in der Colonna stolzes Heim
Des Connetable's Landsknecht seine Fackel:
Doch unvergänglich neben Jupiter
Wohnt und Apoll die holde Christengöttin,
Die jungfräuliche Mutter, und es strahlt
Durch ödes Dunkel drei Jahrhunderte
Der Schönheit lichte Himmelsherrlichkeit.
Roms einz'ger Schmuck und Trost, bis endlich sieghaft
Der neue Geist, der Geist des Vaterlands,
Des freien, einigen Italiens
Mit Trommelschlag und mit Kanonenschall
Durch Porta pia seinen Einzug hält. – –

So sah ich zwei ein halb Jahrtausende
Am Pincio vor mir vorüberziehn:
Doch nicht den Wehruf der Vergänglichkeit,
Wie Andre wohl, vernahm daraus mein Ohr:
O nein: der Ewigkeit Trompetenruf,
Der Weltgeschichte Tubaton von Erz.
Was einmal Heldenthum und Kunst erschuf, –
Und mag's in Trümmer der Barbar zerschlagen, –
Es war doch einst, war groß und schön und stolz:
Und ewig ist, was einmal ist gewesen,
Denn unvernichtbar bleibt es, daß es war! – – –


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