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Wie giebt man neuer Richtung rasch Erfreuliche Verbreitung? Man kauft mit barem Geld und schreibt Dann selbst jedwede Zeitung. |
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Dies auch wirkt sehr zur Reclame: Zu Berlin im Ladenfenster Angeschlagen liegt das Buch, just Auf der Seite, drauf zu lesen Aller Schmutzereien stärkste: Jeder Knabe, jeder Backfisch, Der vorbei geht, kann es lesen: Neugier reizt ihn, mehr zu lernen: Er tritt ein und kauft das Buch sich. – So verbreitet man die »Wahrheit«: Nicht die Kenntniß »der Natur« blos, Auch der niederträcht'gen Laster, Welche gegen die Natur! – |
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Gar schön wird die Poesie gerathen Im State der Socialdemokraten: Die lassen auch das Dichten »Gesellschaftlich verrichten«. |
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(Frei nach Goethe.) | |
»Sie kochen breite Bettel-Suppen: Drum haben sie ein groß' Publikum.« |
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Sie nennen uns schmähend »die Alten«: Wollen sie selbst denn alt nicht werden? Homer hat sich noch immer gehalten, Zählt just nicht zu den Jungen auf Erden. Aber die Werke der Jungen veralten, Sowie sie nur versendet werden. Manch' Alter hat nie die Jugend verloren, Viele Junge sind schon alt geboren. |
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Hoch das Modernst-Dänische, Das Gespensterhafte-Asthenische! Die Edda nieder von Asgardhs Höh'n: Denn dort ist's leider stark und schön! Hoch auch manch Russisches Getriebe: Zumal die Aufhebung der Liebe; Doch das Schönste bleibt: – ich sag' es frei: – Frech Französische Frivolerei: Doch wohl verstanden: sonder esprit Und das feine französ'sche Geschmackgenie, In das Deutsche plump und roh versetzt, Auf daß es den Gaumen mit Zoten letzt. |
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Man muß sich über die Herren nur Beileibe nicht erregen: Sie betragen sich in der Literatur, Wie sie's im Leben pflegen: Die Rüpel sind nicht Elfen, Da ist nun nicht zu helfen! |
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»An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«: Weintrauben an den Schlehen Hat selten man gesehen. Und wie sie wirken, so muß man sie nennen: Die Rosen duften und die Nesseln brennen, Die Sterne blinken Und die Pfützen stinken. Sie müssen so. – Uns aber sei erlaubt, Zu wenden zu den Einen fromm das Haupt Und von den Andern mit Grauen Hinweg zu schauen! |
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Sie haben nichts gelernt: Wie sollten sie was lehrenAnmerkung des Setzers:
Wer Miserables denkt, Der dichtet auch Miseren. |
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»Was dem Wesen angeboren, Davon trägt es das Gepräge,« Eselein hat lange Ohren, Liebt die Disteln und ist träge.Anmerkung des Setzers:
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Es ziemt der Jugend, sich zu erdreisten: Und das gefällt mir selbst am meisten: Nur muß man dann auch etwas leisten, Wie zum Beispiel der junge Sigfried that: Der war auch ein wenig ungezogen, Und doch sind wir ihm heute noch gewogen. Warum? Er war ein großer Held, Zog schönheitstrahlend durch die Welt! Drum geb' ich den jungen Herrn den Rath, Sie sollen auch einmal etwas leisten! Reicht's auch im entferntesten nur an – Geibel (Denn der ist ja ihr Haupt »Pfui-Deibel!«) Soll'n nicht schrei'n stets in die Welt hinaus: »Jetzt kommt aber nächstens was Großes heraus!« Von Allem, was sie trieben und treiben, Von Allem, was sie schreiben und schrieben, Ist nichts bisher am Leben geblieben: Wird ihr Künftiges am Leben bleiben? |
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Sonder Ideal und Recht Wächst nach ein thierisches Geschlecht, Das alles Frechsten sich erfrecht. Gebt Acht, ihr Deutschen, sonst geht's euch schlecht! Sonst naht die Götterdämmerung Mit alles Hohen Zerhämmerung: In dem Stat Der Socialdemokrat, In der Literatur Die Dreck-Kreatur Werden herrschen allein: Und das wird dann »die Moderne« sein. |
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Du sagst mir zur Beschwichtung: »Auch die jüngste Richtung In der Dichtung Ist eine nothwendige Schichtung«. Ja, das klingt sehr verständig: Gewiß ist sie nothwendig: Denn gar nichts wird auf Erden, Was da nicht mußte werden. Nothwendig ist der Rosenstrauch, Nothwendig auch der Knobe-Lauch: (Der althochdeutsche Chloba-Loch.) Verschieden werthen wir sie doch: Wir schlürfen dankend der Rose Hauch, Vor dem Knoblauch halt' ich die Nase zu. Ich wenigstens; (hoffentlich auch Du.) |
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Alles Schöne und Hohe auf Erden Muß verrungeniret werden! Hoch im Gemälde das Pfützengrau! Hoch auf der Bühne die Ekel-Schau! Hoch in dem Zeit-Roman die Sau, Und hoch auf der Straße der Radau! |
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Jetzt hatten wir immer geglaubt bisher, Daß die Wahrheit Sache der Wissenschaft wär': Da gingen wir tumben Kindlein In die Irre wie die Rindlein. Nein: Zola und Ibsen bewiesen es klar, Was der Psychiatrie verschleiert war Mit der pathologischen Physiologie (?) Und der allgemeinen Biologie, Das erklärt fortab die Poesie. Nun thun mir meine Collegen leid Von der medicinischen Facultät: Wie verwenden sie künftig ihre Zeit? Umlernen müssen sie, ob auch spät! Und ihr Biologen, Chun und Semper, Gebt auf euer dilettantisch Geplemper. Jetzt wurde der Dreifuß der Dichtung ledig, Da setzt euch drauf (Gott sei uns gnädig!) Karl Vogt wird fortab die Balladen machen Und Häckel die feineren lyrischen Sachen! |
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Das Volk studirt die Gemeinheit im Theater Und vollführt sie dann im Leben spater. Der Dichter studirt sie zuerst im Leben, Um sie auf dem Theater wiederzugeben. So wird die Bühne – wie Schiller gewollt – Erziehungsanstalt hehr und hold. Und umgekehrt wurzelt die Kunst im Leben: Es widerzuspiegeln ist ihr Streben. »Die Wahrheit, die Wirklichkeit schildert sie eben« – Kann's schönere Wechselwirkung geben? |
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Es ist der gleiche Zug der Zeit, Der Schillers Bühne frech entweiht, Der fröhnt dem Cult der Häßlichkeit In Bildern, nicht gemalt, – geschmiert, Mit Menschen drauf, – zum Vieh verthiert, Und der zuweilen explodirt Zerstörungsfroh im Dynamit. All das marschiert in gleichem Schritt Zu Einem Ziel: der Anarchie: Die herrscht schon in der Poesie! Gebt Acht: es sinkt mit Stil und Stumpf Europa in den Stinke-Sumpf, Oder die Götter in flammenden Wettern Reinigen, richten und zerschmettern. |
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Kennt ihr nicht das holde Märchen Von der echten Königstochter Und der unterschobnen, falschen, Die sich für die echte ausgiebt, Um den Königssohn zu frei'n? Doch der Trug trat bald zu Tage: Aus der echten Mund – das waren So gewöhnt an ihr die Menschen, – Wann sie sprach, glitt eine Rose. Doch so oft die falsche aufthat Ihre Lippen, um zu reden, – Eine ekelhafte Kröte Sprang heraus. – – So gleiten aus des Echten Dichters Mund die Rosen: Aber ekle Kröten hüpfen Aus der Pseudo-Dichter Mund! – |
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Was wir jetzt immer müssen lesen Von dem »neuen Realismus«, Und dem noch neuern »Naturalismus:« – Es ist Alles schon dagewesen: Ich sag' Euch's ohne Federlesen: 's sind alte, abgebrauchte Besen. Es hat die Literatur Mit dem Meer verwandte Natur: Die häßliche Ebbe folgt der Fluth, Sie ebbet ab: – und damit gut. Viel ekles Gewürm läßt die Ebbe zurück, Aber sie währt nicht lang' zum Glück: Dann wieder heran braust freudig die Fluth Und begräbt, was Abscheuliches unter ihr ruht Und ich meine: Du Ebbe der Häßlichkeit, – Bald wieder verstrichen ist deine Zeit. |
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Treibt ihr das Ideal hinaus, Wird die Welt ein Mörder- und Dirnen-Haus! |
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Als nothwendige Uebel muß man ertragen Die Herrn mit überlegener Klarheit: Doch einmal mußt' ich sie ihnen sagen: – Sie lieben sie ja so sehr – die Wahrheit! |
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Im Kunstwerk bringt der Dichter nur zu Tag, Was ihm als Eigenstes im Innern lag: Die Göttin der mit strahlend schöner Stirne, Der Andere die Straßen-Dirne. |
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Sie schelten mich immer idealistisch: Nun schreib' ich hier ganz naturalistisch: Ich schildre Dreck und Schmutz ganz offen: Und doch hab' ich's wieder nicht getroffen: Denn – Ihr werdet's sehn! – die Herrn, Sie lesen auch das von mir nicht gern! |
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In Kampf und Fehde steh' ich hie, Und dies mein Feldgeschrei: Hoch, dreimal hoch die Poesie Und nieder die Schweinerei! – |