Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Die Gabe der Göttin.

                    Ein Eiland liegt im Nordmeer, weltverloren:
Die Möwe hastet einsam nur darüber.
Zu einer Felsbucht öffnet sich's im Süd,
Da ist der Sand gar rein und weich – doch fest:
Zum Bade lockt er. –
                                    Um die Felswand biegt
Der König Swan: der Sturm der letzten Nacht
Verschlug ihn her: jetzt blaut die See so friedlich.
Er stockt, er staunt, und wie von Sonnenschein
Geblendet, sinkt er schauernd auf das Knie,
Denn vor ihm steht: – soeben streift sie erst
Ein Schwanenhemd um ihren stolzen Busen: –
– Goldwellig Har umfluthet ihre Schultern: –
Ein wunderherrlich junges, blondes Weib.

»O, selig Weib, wer bist du?« ruft der Held.
»Dich schauen ist dich lieben. – Komm! – Dein Kuß . . .!«

Auf springt er: – auf die Weiße stürmt er zu:
Doch leise hebt sie nur die Hand:
Er steht – wie angewurzelt – regungslos.

»Du liebst mich?« lächelt sie. »Das sei verziehen!
Mich küssen aber? – – Armer Sterblicher!
Verbrennen würde dich mein Kuß: denn ich
Bin Freia selbst, der Schönheit Göttin und
Der Liebe. – Wem die Göttinnen erscheinen,
Dem füllen sie mit ew'ger Sehnsucht zwar
Die Brust: – du wirst des Sehnens nie genesen! –
Doch dieses Weh wird auch dein Heil! Halt still!«

Aus ihrem goldnen Hare löste sie
Die goldne Nadel, that ihm auf das Wamms,
Und über's Herz hin ritzte sie ihn leicht:

»Leb wohl, mein Freund! Nie heilt dir diese Wunde:
Jedoch ihr Weh ist süß. Und unbezwingbar
In jedem Kampfe macht sie dich fortan,
Und keinen Schmerz der Erde fühlst du mehr.«

Und ihre weißen Schwanenflügel hob sie
Und war verschwunden in der Sonne Glanz.


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