Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Das Wunder des Bakchos.

        Nahe der Reußen Mark, bei den roßezüchtenden Pruzzen,
Saß ein trefflicher Mann, den den Felix Dahn sie benannten.
Weise war er und fromm: und vor allen Göttern dem Bakchos
Dient' er und hielt ihm bereit in dem Keller der duftenden Weine
Stets ein gedeihliches Maß von den auserlesenen Arten,
Welche der Fromme genoß bald zu zwein mit der harfenden Gattin,
Bald mit der Freunde Schar, doch der Besseren, Rebenverständigern:
Denen allein nur gönnt' er das Feinere, die es verdienten:
Würzburgs feurigen Stein und den duftigen Reiz der Mosella
Und was das Trinele baut zu Rametz im porphyrenen Etsch-Thal. –
In dem hintern Gelaß bei den Weinen barg er das Bier auch,
Das er aus München bezog, der Stadt der unsträflichen Baiern:
Besseres Edelgebräu: wie Salvator oder auch Bockbier. –

Daß er ein trinkbarer Mann, ward bekannt in den Horden der Pruzzen,
Und ein gieriger Gauch, den dort »Lorbaß« nennen die Leute,
Drang in nächtlicher Ruh', zwei Thüren erstemmend mit Eisen,
– Also trieb ihn der Durst! – in den Keller des heiligen Sängers.
Doch den schirmte der Gott, der den Thyrsos schwingt, den gewalt'gen,
Über das Panthergespann: Dionysos heilige Stärke:
»Wie?« – so zürnte der Gott –»soll der dumpfe masurische Roß-Knecht
Schlingen in rohen Schlund, der von Branntwein dampft noch und Fusel,
Würzburgs feurigen Stein und den duftigen Reiz der Mosella?
Und was das Trinele baut zu Rametz im porphyrenen Etsch-Thal?
Oder das Edelgebräu des Salvators und bairischen Bockbiers?
Oder was sonst ihm die Muse bescheert, dem vortrefflichen Felix,
Oder ich selber, gerührt von der Treu', mit der er zum vierten
Male gedichtet schon hat – (so gefällt's ihm!) – daß ›durstig die Sänger‹?
Nein! Ich beschütz' ihm ›das Sach‹! Für den Dichter geschehen noch Wunder.«
Sprach's und in's Kellergelaß flugs ergoß er verdunkelnden Nebel,
Sonderlich über die Thür, die da führt zu dem Keller des Weines.
Nur die in's Vordergelaß, wo das Holz und Gerümpel gehäuft liegt,
Wies er in hellerem Licht. – Und es sprengte wirklich der Lorbaß
Diese, die vordere Thür, und im Drang des unendlichen Durstes,
Auch von dem Schreckniß gehetzt, daß der waffengewaltige Skalde
Rumpeln ihn hör' und sofort mit Revolver und Wurf-Assegai
Über ihn stürme herein, – rasch faßte er, hastig und blindlings,
Was er von Flaschen ergriff – und es waren nicht wen'ger als sieben! –
Und mit dem köstlichen Raub in die schweigenden Straßen entfloh er. –

Doch als am andern Tag mit den Rosenfingern Therese
Zögernd dem Pfühl entstieg und Mathilde, die Perle der Mägde,
Zeternd, mit Diebesgeschrei, ihr geklagt den entsetzlichen Einbruch, –
Stieg in den Keller hinab mit entrüstetem Herzen der Sänger: – –
Äußerlich zwar gefaßt: doch es brannt' ihn der Grimm in die Seele!
Ist er auch geizig nicht: – nur Erlesenen gönnt er den Firnwein.
Lieber hätt' er dem Dieb manch' geschenkte Lyrik gelassen,
Welche mit Goldschnitt steht, doch nie aufgeblättert, im Buchschrein,
Als das flüssige Gold von Rametz. – Doch wie er den Schaden
Unten im Keller besah, – da erhob er olympisch Gelächter,
Schlug sich die Seiten vergnügt: und es lachten auch Gattin und Sclavin:
Denn was hatte der Dieb in der Dunkelheit Schönes erbeutet?
Sieben Flaschen, einst Soda gefüllt, doch lange nun leer schon,
Wie sie ein Wackrer gewöhnt ist mit zechenden Freunden zu trinken,
Wann sie des Weines genug – was sich selten ereignet – genossen! –
Siehe die Strafironie des gewaltig waltenden Bakchos:
Leere Flaschen dem Dieb – und dazu nur von elender Soda! –
Unversehret der Wein und das Bier für den heiligen Sänger!
Thut es dem Trefflichen nach, unablässig im Dienst Dionysens,
Und auch Euch wird der Gott auf dem Panthergespanne beschützen.


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