Felix (und Therese) Dahn
Gedichte
Felix (und Therese) Dahn

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Wolkenzauber.

I.
                »Wolke, wanderst Du über die Welt?
    Warte, bis ich mich Dir gesellt!«

»Eile: denn meine Nebelflügel
    Tragen mich rasch über Thal und Hügel.«

»Über Hügel, Wasser und Au'n:
    Die ganze Welt möcht' ich erschau'n.«

»Dann rasch auf den Berg, soll Dir's gelingen,
    In meinen Mantel Dich zu schwingen.«

»Hoch steht die Sonn' im Heimaththal:
    Nur meinen Gatten grüß' ich nochmal.«

»Pflügend im Feld wirst Du ihn erblicken
    Hoch aus der Luft und ihm Grüße schicken.«

»Willige Wolke, nur noch geschwind
    Küss' ich mein junges, mein schlafendes Kind.«

»Laß Deinen Knaben in warmer Wiegen
    Träumend in süßem Schlummer liegen.«

»Du schwankst im Winde, die Schwingen gespannt:
    Wirst Du mich tragen von Land zu Land?«

»Rasch vor dem Winde werden wir jagen,
    Zög're nicht länger mit Zweifeln und Fragen.«

»Rasch durch die Welt und wieder zurück
    In meine Heimath? zu meinem Glück?«

»Vorwärts wandr' ich: woher ich gekommen, –
    Dahin hab' ich Rückfahrt niemals genommen.«

»Grüßt unsre Hütte der Abendstern,
    Schweben wir dann noch weit und fern?«

»Mich hat der junge Morgen geboren:
    Dämmert der Abend, bin ich verloren.«

»Kehret mein Gatte zurück vom Feld,
    Ziehen wir dann noch fern in die Welt?«

»Kehret der Mann von des Ackers Brodem,
    Trank mich längst des Himmels Odem.«

»Aber mich? mich trägst Du zurück
    Zum Gatten? zum Kind? und dem harrenden Glück?«

»Mit mir sinkest auch Du zur Erde:
    Suchest dann wandernd nach Deinem Herde.«

»Und suchend dann fern von Allem, was mein?
    Tückische Wolke, nein! flieg' allein!«

»Willst Du schauend die Welt durchjagen,
    Mußt Du Dein Glück und Dich selbst dran wagen.«

»Nicht nach der Welt steht ferner mein Sinn! –
    Schon enteilst Du? Fahre dahin! –«

»Du hüte, was Schicksal Dir gnädig beschieden!
    Wandernde Wolken kennen nicht Frieden.«


II.
»Sausende Wolke, nun sitzest Du fest
    An meiner Väter steinernem Nest!

Jetzt breite mir willig die schwarzen Schwingen,
    Mitten hinein laß mich hurtig springen:

Dann hebe Dich vor des Sturmes Gebraus,
    Und fort in die Welt zickzack und kraus!« –

»Deine Mutter, Kind, wird Herzleid quälen, –
    Scheuest Du nicht Deines Vaters Schmälen?«

»Die Mutter ist todt, der Vater erschlagen,
    Der Brüder Herrschaft mag ich nicht tragen.

Das siebente Kind gerieth ich nicht recht,
    Stets dünkte mich gut, was den Andern schlecht.

Sechs lagen im Schild, mich hüllte die Windel,
    Sie schwangen den Speer, ich drehte die Spindel

Die hab' ich heut' Nacht im Feuer verbrannt,
    Nun halt' ich des Vaters Wehr umspannt:

Des Vaters Speer in meiner Faust,
    Gieb Acht, wie der im Siege saust!«

»Trägst Du nicht heimlich bangend im Herzen
    Bindender Liebe Lust und Schmerzen?«

»Einen Liebsten gewann ich: – sie trieben ihn fort:
    Drum will ich ihn suchen von Ort zu Ort.

Er wandert über der Erde Rücken,
    Ihn zu finden, das muß mir glücken.«

»Bleibe daheim: nicht kenn' ich mein Ziel,
    Hadernder Stürme werd' ich ein Spiel.«

»Ich fürchte mich nicht vor ihren Streichen,
    Meinem Speere müssen sie weichen.«

»Theilst Du der fliegenden Wolke Los,
    So sitzest Du nicht wie in Mutters Schos:

Nasse Winde jagen von Westen.«
    »Ich hab' einen Mantel, einen wetterfesten.«

»Eisig stürmt der Nordwinde Braus.«
    »Drum jagen wir hurtig ihnen voraus.«

»Und vor der Sonne heißem Blinken
    Muß ich wahllos niedersinken.«

»Sinke zur Erde, wo immer es sei:
    Aufrecht steh' ich, bin ich nur frei!

Soll ich mein Leben im Thurm hier verweinen?
Ihn will ich suchen, ihm mich vereinen!

Nicht länger darfst Du am Stein hier sitzen:
    Ich reiße Dich los, mit dem Speere, dem spitzen!«

»Wirr sind die Wege der weiten Welt:
    Wo mag er weilen, der Dir gefällt?«

»Wo Weise hülflos suchen Rath,
    Wo schlichten Worten folgt die That,

Wo Männer stolz in Schlachten geh'n,
    Wo Helden stark im Vorkampf steh'n!

Nun auf! gen Osten: der Sonn' entgegen:
    Dort schreitet mein Liebster auf siegreichen Wegen!«


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