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Das Lahntal zwischen Weilburg und Diez ist weit über die Grenzen Nassaus wegen seiner landschaftlichen Schönheiten bekannt und von Freunden der Natur gerne aufgesucht. Leider wenig außerhalb Nassaus bekannt ist aber die Tatsache, daß sich hier das Lahnmarmorgebiet befindet. Und zwar wird an den Höhenzügen des Westerwaldes der größte Teil des deutschen Marmors überhaupt gefördert. Die Nassauer Marmore, die eine Farbenüppigkeit und Farbenmannigfaltigkeit ohnegleichen auszeichnet, werden bei Diez, Villmar und besonders in den Gemarkungen Schupbach, Wirbelau und Gaudernbach, kleinen Dörfern bei Weilburg, gefunden. Sie erscheinen bald in feurigroten Farbtönungen, weiß und gelb geflammt, bald in Silbergrau mit schwarzen und weißen Tupfen, oder in einer Färbung, die dem Anblick eines Laubwaldes im Herbstkleid ähnelt. – Das Ausland hat keinen farbigen Marmor aufzuweisen, der sich an Schönheit mit dem Lahnmarmor messen könnte. – Alle jene Sorten, die der Marmorbruchbesitzer vor dem Kriege nur unter hochtönenden fremdländischen Bezeichnungen, wie Porvenir oder Rojizonazzo verkaufen konnte, haben während des Krieges ihre guten deutschen Namen »Brunhildenstein« und »Grafenstein« wiedererhalten.
Die Geschichte der Marmorindustrie im Lahntal entbehrt nicht des Reizes. Um die Wende des 17. Jahrhunderts gründeten die Fürsten von Nassau in ihrer Residenz Weilburg a. d. Lahn ein Arbeitshaus, in dem die Gefangenen mit nutzbringender Arbeit beschäftigt wurden. Die Sträflinge zogen in Abteilungen nach den Marmorbrüchen von Villmar, Schupbach und Odersbach, und hier mußten sie die Marmorblöcke aushauen. Andere Kolonnen fertigten unter Leitung von Steinmetzen Grabmäler, Altar- und Kanzelstücke an. All die herrlichen Marmorarbeiten im Schloß und in der Schloßkirche zu Weilburg sind damals entstanden. Das Arbeitshaus wurde im Jahre 1784 von Weilburg in die Burg nach Diez a. d. Lahn verlegt. Nach Becker (Die Marmor- und Granitwerke am Mittelrhein, Ffm. 1884) beteiligten sich aber nicht allein Gefangene der Burg an den Brucharbeiten, sondern auch freie Arbeiter, die sich allmählich zu kleinen Meistern heranbildeten, um dann in eigener Arbeitsstätte Gegenstände für den Hausgebrauch und kleinere Grabsteine anzufertigen. Die Werkstätte in Diez nahm im Laufe der Jahre einen immer größeren Umfang an. Denn neben den Kunstwerken in der nächsten Umgebung sind die Marmordenkmäler des Rheingaus und der Maingegend in Diez zugeschnitten worden. Als Herzog Adolf 1847 die Lahnkanäle anlegen ließ, nahm die Lahnmarmor-Industrie einen bedeutenden Aufschwung. Denn nun konnte man die zentnerschweren Blöcke und fertigen Arbeiten leichter verfrachten und damit den Absatz vergrößern. Doch dauerte der Aufschwung nicht allzu lange. Die Fortschritte, die der Bahnbau um die Mitte des 19. Jahrhunderts machte, führte zwar zu einer Verbindung mit den westlichen Ländern, doch bedeutete dieser Fortschritt in Wirklichkeit einen Rückschritt. Frankreich und Belgien überschwemmten Deutschland mit ihren Marmorartikeln und sie konnten die deutschen Preise unterbieten, weil ihre Arbeit maschinell eingestellt war, während in der Diezer Werkstätte noch alles handgearbeitet wurde, was natürlich zur Folge hatte, daß die Arbeit langsamer und auch teurer war. Auch die Umstellung des Betriebes auf eine rationelle Arbeitsweise vermochte den Untergang des Lahnwerkes nicht aufzuhalten. Dies wurde von der ausländischen Konkurrenz erdrückt, seine Werke wurden stillgelegt und die Brüche zerfielen. Das geschah im Jahre 1863. Erst Jahrzehnte später begann man wieder mit dem Abbau. Auf der Weltausstellung in St. Louis und später auf den Ausstellungen in Brüssel und Chicago waren Marmorportale zu sehen, die höchste Bewunderung erregten. Die Portale waren in grauer bis tiefschwarzer Grundfarbe mit weißer, zartrosa und gelblicher Äderung. Dieser Marmor stammte aus unserer nassauischen Heimat, und ebenso wie in den Schlössern von Homburg oder Hohkönigsburg, den Kurhäusern von Ems und Wiesbaden würden die Besucher ohne sichtbaren Hinweis nicht merken, daß dieser von einer wunderbaren Schönheit ausgezeichnete Marmor deutscher Marmor – Lahnmarmor – ist. Auch manchen Schreibtisch ziert Schreibzeug in feurigrot, schwarz, oder weiß, in rosa oder gelb und der Besitzer weiß ebensowenig, wie die Frau des Hauses, die feine geschliffene Marmorschalen besitzt, daß der Marmor ein »Brunhildenstein«, ein »Schupbach«, ein »Grafenstein« oder ein »Auberg grau« ist. Auch die nach dem Entwurf des Bildhauers Schreiner ausgeführte Löwenfigur des Hochhauses in Düsseldorf ist aus Lahnmarmor »Wirbelau« gehauen. Der riesige Block hatte ein Gewicht von 26 000 Kilogramm. – Ebenso wird der Lahnmarmor zu Dekorationszwecken bei der Innenarchitektur gern verwandt, denn seiner Farbenüppigkeit entspricht eine fast unbegrenzte Verwendungsmöglichkeit. In Platten geschnitten dient er zur Herstellung von Wandverkleidungen, Möbelaufsätzen aller Art, Treppenstufen, zur Ausschmückung von Wohnungen und vielen anderen Zwecken. Auch der erst vor kurzem entstandene Rathausneubau in Rotterdam zeigt in Gestalt von Säulen und Wandverkleidungen die Farbenpracht des Brunhildensteiner Marmors.
Lahnmarmor! Wer kennt seine Schönheit, seine Farbenpracht und Güte. Viel zu wenige wissen davon und doch sind so viele Schlösser, Dome, Theater und Kirchen, öffentliche und private Bauten mit farbenprächtigem Lahnmarmor geschmückt.