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Die Kulturarbeit der Benediktiner- und Cisterzienserklöster Nassaus

Von P. Gilbert Wellstein, O. Cist

Die Zahl der im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Nassau gelegenen Klöster ist nicht sonderlich groß, und auch von diesen kann man nur wenige als eigentlich nassauische Klöster ansprechen, weil die Mehrzahl erst in säkularisiertem Zustand an Nassau fiel. Wenn wir von diesen wieder diejenigen des Benediktiner- und Zisterzienserordens herausgreifen, so soll damit nicht etwa bekundet werden, daß die übrigen Stifte und Klöster geringere Verdienste um die Kultur des Landes sich erworben hätten. Auch die idyllisch gelegene Prämonstratenserabtei Arnstein und das Kloster der Minderen Brüder zu Limburg z.B. haben sich überaus segensreich in nassauischen Landen betätigt.

Die stetig fortschreitende Christianisierung der deutschen Stämme im 8. Jahrhundert führte auch bald die Söhne des hl. Benedikt ins Land. Die glückliche Verbindung des beschaulichen mit dem tätigen Leben, die ihrer Regel entspricht, ließ für die Befestigung und Vertiefung der christlichen Lehre in den Herzen der Bevölkerung niemand geeigneter erscheinen als gerade die Schwarzen Mönche, deren alter Wahlspruch lautet: Ora et labora! Um das Jahr 778 faßten die Benediktiner zuerst in Bleidenstadt festen Fuß, von wo aus sie in unermüdlicher Arbeit die Segnungen des Evangeliums in der ganzen Umgegend verbreiteten. In kürzester Zeit wurde die Abtei als die Ruhestätte des Hl. Ferrutius zu einem Brennpunkt religiösen Lebens, der aus nah und fern ungezählte Pilger anzog und wiederum nach allen Seiten hin seine erwärmenden Strahlen entsandte. Während des Dreißigjährigen Krieges sank die älteste und berühmteste Stiftung Nassaus in Schutt und Trümmer, nachdem Jahrhunderte hindurch die friedlichen Mönche als Seelsorger und Träger höherer Kultur ein erfolgreiches Wirken entfaltet hatten.

Viel später als in Bleidenstadt entstand zu Anfang des 12. Jahrhunderts das Doppelkloster Schönau, mit dessen Ursprung der Name des Hauses Nassau aufs innigste verknüpft ist. Denn zum Seelenheil des bei einem Jagdzuge meuchlings ermordeten Drutwin von Laurenburg, des Ahnherrn der Grafen von Nassau, ist es von dessen Bruder Dudo an der Mordstätte errichtet worden – wie die Schönauer Reimsage meldet. Seinen höchsten Ruhmesglanz aber verdankt Schönau der hl. Seherin Elisabeth, die bis 1164 Meisterin des dortigen Konventes war. Bis zum Jahre 1803 vermochten hier die Mönche ihre stille Tätigkeit zu entfalten, während das Nonnenkloster schon bei Beginn des 17. Jahrhunderts erlosch. Wenn in dem farbigen Holzschnitt vom Jahre 1460, auf dem der Abt von Schönau im Gebete vor dem hl. Florin, dem Schutzpatron des Klosters, kniet, ein Exlibris zu erblicken ist (wie Zedler vermutet), so besitzen wir darin das älteste seiner Art, das auf uns gekommen ist – eine Tatsache, die auf die Kunstpflege der Mönche ein bedeutsames Streiflicht wirft.

Ebenfalls in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts oder kurz zuvor hatten sich die Söhne des hl. Benedikt auf dem Johannisberge, einem Doppelkloster, und in Gronau angesiedelt, wo bis zur Zerstörung beider Gründungen in den Wirren der kirchlich-politischen Umwälzung Großtaten der Menschenliebe ausgingen. Denn was dem Kloster auf dem Johannisberge neben seiner entzückenden Lage, dem zu seinen Füßen wachsenden Edeltrank und seiner kolonisatorischen Tätigkeit seine Bedeutung verlieh, war vor allem sein Leprosenhaus, das den Ärmsten unter den Siechen gastliche Herberge und liebevolle Pflege bot. Getreu den Vorschriften der Klosterregel übten die Schwarzen Mönche hier wie anderwärts in echt benediktinischem Geiste eine unermüdliche Gastfreundschaft aus, die auch dem geringsten und niedrigstehenden Manne aus dem Volke zugute kam – Akte der Wohlfahrtspflege, mit denen die Klosterbrüder den humanitären Bestrebungen späterer Zeitalter weit vorauseilten; wie sie denn – aus Gottesliebe – Wanderarbeitstellen, Herbergen, Gaststätten für die Reisenden und Lazarette unterhielten, die heute durch Gesetze für soziale Fürsorge erzwungen werden müssen.

Neben den erwähnten Frauenklöstern erblühten im Verlauf des 12. Jahrhunderts drei weitere, nämlich die zu Eibingen, Walsdorf und Tiefental, zu welchen sich im folgenden Jahrhundert noch solche in Seligenstadt und Dirstein gesellten. Ohne Zweifel genoß von diesen das Kloster Eibingen, das unter der Fürsorge der großen Seherin, der heiligen Hildegard (gestorben 1179), ins Leben trat, das meiste Ansehen, das auch mit seiner Aufhebung im Jahre 1803 nicht erloschen ist. Denn fast hundert Jahre später sollte die ehrwürdige Stätte des Gebetes und stiller Entsagung im Jahre 1900 in der, in edelem Beuroner Stile erbauten und ausgemalten Abtei St. Hildegard bei Eibingen, ihre Auferstehung feiern. Während die Klöster Walsdorf und Dirstein um das Jahr 1560 ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet wurden, ging Seligenstadt, an das nur mehr spärliche Mauerreste erinnern, schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts unter.

Die beiden großen, auch persönlich sich nahestehenden Mystikerinnen Elisabeth von Schönau und Hildegard, die Äbtissin vom Rupertsberg und Eibingen, die sich auserwählt fühlten, die religiösen Energien ihrer Tage zu neuem Leben zu erwecken, haben in zahlreichen geist- und seelenvollen Briefen an weltliche und geistliche Würdenträger das Gewissen der Zeit aufgerüttelt, aber auch durch das Beispiel ihres gotterfüllten Lebens wie durch ihre religionswissenschaftlichen und visionären Schriften stärksten Einfluß auf die Volksseele gewonnen. Neben den Scivias der heiligen Hildegard hat vor allem der Liber Viarum Dei, den Elisabeth unter dem Einfluß des Hildegardschen Codex schrieb, als eine Quelle frühmittelalterlicher Geistesbewegung unschätzbare kulturhistorische Bedeutung erlangt. Die Gestaltung, die Elisabeth der Ursulalegende, einer ihrer verbreitetsten Schriften, gab, diente allen späteren Arbeiten des Mittelalters zur Grundlage. Es kann kein eindrucksvolleres Beispiel als die Wirksamkeit beider Äbtissinen dafür geben, in welchem Maße wir die Kenntnis der Vergangenheit den Klöstern verdanken. Auch in den Schätzen ihrer Büchereien und Archive, die von den Mönchen mit liebender Sorgfalt behütet wurden, besitzen wir oft nur die einzige Quelle für die Geschichte entschwundener Zeiten.

Außer seinen fünf Nonnenklöstern besaß der Zisterzienserorden auf nassauischem Gebiet nur zwei Abteien, Eberbach und Marienstatt, von denen die erstere an Bedeutung für die kulturelle Entwicklung des Landes jene der Schwarzen Mönche weit überragt. Vom heiligen Bernhard im Jahre 1131 gegründet, nahm Eberbach schon bald einen ungeahnt raschen Aufschwung. Durch den Ruf des in ihm herrschenden Geistes, sowie durch seinen vorbildlichen Wirtschaftsbetrieb errang das Kloster auf die weitesten Kreise unberechenbaren Einfluß. Im Gegensatz zu dem bisherigen Zinssystem hielten die Grauen Mönche lange Zeit zähe am Eigenbetrieb fest und verstanden als erfahrene Meister in der Landwirtschaft und im Weinbau ihre zahlreichen Höfe zu wahren Musteranlagen auszubauen, die Acker- und Weinbau auf eine vorher nicht gekannte Stufe der Kultur hoben. Eines ihrer Hauptverdienste bestand darin, daß die Brüder überall, wo sie Besitzungen erwarben, durch ausgedehnte Rodungen neues Land und damit weitere Möglichkeiten für rationellere Ausnutzung des Bodens erschlossen. Auf diese Weise legten sie auch die berühmten Weinberge an, die ihren Weltruf begründeten. Man braucht nur die Edelmarken wie den Steinberger, Markobrunner, Reichardshausener zu nennen, um zu wissen, daß die Weinbauern im Kloster Eberbach eine gute Schule besaßen. Ihr Handel mit eigenem Ausfuhrort (Reichartshausen), Zoll- und Abgabenfreiheit machten das Kloster reich und mächtig.

Wer aber die alten, herrlichen, teils in wuchtig romanischem, teils in elegantem gotischem Stile aufgeführten Bauten der Abtei betrachtet, erstaunt nicht weniger über den feinen künstlerischen Sinn und Geschmack der um die Volkswirtschaft so verdienten Mönche. Die Abteikirche, das Dormitorium der Mönche, das Kapitel, das Refektorium der Konversen usw. sind Perlen edelster mittelalterlicher Baukunst und gehören unstreitig zum Besten, was uns aus jenen Zeiten erhalten geblieben ist. Im Jahre 1803 wurde das Schicksal des Klosters durch seine Aufhebung besiegelt. Jahrzehnte lang wurde der Bau als Zucht- und Irrenhaus benutzt – eine Kultursünde gegen ein Juwel der Baukunst und eine Pflanzstätte des Geistes, die sich selber richtet. Eine verwandte Stellung, wenn auch nicht von derselben Fernwirkung wie Eberbach, nahm die Abtei Marienstatt ein. Aus ähnlichen Gründen ward das Kloster für den ganzen Westerwald eine Quelle reichsten Segens und löste besonders durch seine blühende Wallfahrt im Volke unschätzbare Werte aus. Daß auch in dem einsamen Waldtalkloster Männer von tief-künstlerischem Empfinden wohnten, beweist der herbstolze Bau der Abteikirche, die in ihrer Art als ein vollendetes Denkmal zisterzienserischer Kunst dasteht. Mit Eberbach teilte auch Marienstatt das Los der Säkularisation, erstand aber im Jahre 1888 wieder zu neuem Leben. Wie die beiden Männerklöster des Zisterzienserordens, so erfüllten auch die fünf Frauenkonvente dieses Ordens: Gottestal, Tiefental, das sich im 13. Jahrhundert dem Orden angeschlossen hatte, Marienhausen, Affolderbach und Gnadental ihre stille Mission, die bei den zwei zuletzt genannten bereits im 16. Jahrhundert endigte. Fast das einzige, was wir noch von ihnen allen besitzen, ist ein Glasgemälde mit dem Judaskuß aus Tiefental. Aber ihre ganze künstlerische Kultur wird in diesem köstlichen romanischen Denkmal transparent.

s. Bildunterschrift

Hermann Dienz, Kloster Marienstatt (Westerwald)

Ein milder Glanz schimmert aus all diesen Namen, auf welchen der Edelrost einer segensvollen Vergangenheit ruht. Für viele wurden die Klöster im Verlaufe der Jahrhunderte zu Inseln des Friedens und verinnerlichten Lebens. Von jeher waren sie Stätten des Gebetes, Stätten edelsten Dienstes in der Fron des Herrn. Doch keine Träumer und Müßiggänger wohnten in ihnen, denn wie der rastloseste und dabei der innerlichste Mensch, St. Bernhard, sagt: »Sich mit Gott beschäftigen, ist die vornehmste aller Beschäftigungen.« Darum bezeichnet auch der HI. Benedikt das Chorgebet als ein Opus dei, ein Werk Gottes; eine Arbeit, die sich auch nach außen hin wohltätig kundgibt. Bei dem erhebenden Eindruck, den der von den Ordensleuten mit hoher Kunst gepflegte, feierlich-ernste Chorgesang und der tiefsinnige, liturgische Gottesdienst auf die Gläubigen hervorriefen, nimmt es nicht Wunder, wenn von jeher viele, selbst aus den vornehmsten Häusern, an Festtagen zu den Klöstern zogen, um aus der unversieglichen Quelle des liturgischen Lebens Kraft und Erbauung zu schöpfen. Von welchem veredelndem Einfluß das Beispiel der strengen Klosterzucht auf manches verwilderte, unbändige Gemüt gewesen ist, läßt sich mehr ahnen als in Worte fassen. Wenn der Enterbte sah, wie namentlich bei den Zisterziensern der Edelgeborene dem schlichten Kinde vom Lande im Range gleichgestellt war, so mußte in seinem Herzen das beglückende Gefühl der allumfassenden Gotteskindschaft mächtig aufflammen. War nicht dieser Ausgleich eine laute und eindringliche Mahnung zu echter Nächstenliebe und Volksgemeinschaft? Es ist daher kein Zufall, daß es in jenen Zeiten, da das Klosterleben sich frei auswirken durfte, noch keine brennende soziale Frage gab. Vielmehr war es gerade die Wirksamkeit der Klöster, die mit dazu beitrug, daß die sozialen Spannungen sich nicht zu Katastrophen entwickelten. Ja, es ist eine unwiderlegbare Tatsache, daß die Klöster, abgesehen von ihrem tiefgehenden sittlich-religiösen Einfluß, auf sozialem Gebiet hervorragendere Leistungen aufzuweisen haben als die meisten unter großen Kostenaufwendungen ins Leben gerufenen Einrichtungen und Gesellschaften des bürgerlichen Lebens. Denn während diese äußeren Mißverhältnissen nur mit äußeren Mitteln abzuhelfen vermögen, was niemals zu einer Lösung des Problems, sondern immer nur zu einer Verschiebung der Not in andere Gesellschaftsschichten führt, ist der von den Klöstern gepflegte Geist stets darauf bedacht gewesen, mit Hilfe seiner inneren Maßstäbe das seelische Gegengewicht zu schaffen, das mit den Widersprüchen und Unvollkommenheiten der äußeren Welt versöhnt, und statt der vergoldeten Steine des Materialismus – das Brot religiöser Kultur zu spenden.


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