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In der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts kamen schlechte Zeiten für das einsame neue Kloster in Clarenthal, so schlimme, daß es daran zugrunde ging. Erst ritt der tolle Markgraf von Brandenburg-Kulmbach stöbernd und marodierend den Rhein herunter, und die guten Clarissenfrauen mußten sich hinter den festen Mauern der Burg von Wiesbaden verbergen, dann schlich sich ohne Lärm die Pest in den Waldfrieden hinein. Knechte und Mägde fielen, niemand wußte recht warum, und während man sich noch verwunderte, räumten die Sterbensläufte schon unter den Nonnen auf. Gerade vor Weihnachten im Jahre 1553 machten die dünne Äbtissin und der vergnügte alte Beichtiger Heinrich die Augen zu. Im folgenden August starb die Priorin, und die junge Schwester Maria, die man schon in ihrer Kindheit in das Clarenkloster getan hatte, blieb allein übrig, denn was sonst von den verwirrten frommen Frauen dem »Sterbend« nicht erlegen war, das war in der höchsten Not zu den bestürzten Verwandten ausgewichen.
Sobald die verlassene Nonne das Nötige vollzogen und viel geweint und viel gebetet hatte, schrieb sie nachdenklich zwei Briefe. Davon war der eine an den Grafen Philipp gerichtet, den Herrn Fundator, Oberen und Protektor: Sie könne nicht allein bleiben und wolle in das Mutterkloster nach Mainz hinüber, er möge seinen Amtmann schicken, daß dieser bis auf weiteres die Schlüssel des Klosters nehme. Den anderen Brief sandte sie an die gute Mutter, die Äbtissin von Reichsklaren in Mainz, und bat um Aufnahme bei ihr. Die Antwort der Äbtissin brachte der Zehentknecht Peter gleich zurück, die soror Maria solle kommen und nit vergessen, die von ihr erwähnten Ornata und Kirchenkleinod mitzunehmen. Auch der recht zufriedene Graf zögerte nicht, sondern versprach, der Amtsvorsteher und Rentmeister würden nächsten Tages erscheinen, um alle Siegel und Briefe des Klosters zu besichtigen und den Inhalt zu verzeichnen.
Auf diese Männer wartete die einsame Jungfrau. Wie aber drei Tage lang niemand aus Wiesbaden heraustrabte oder fuhr, und ihr des Klosters Hofmeister Hen von Erbenheim und Theiß, der Verwalter des Armenruhegutes, erzählten, die Herren in der Stadt hätten noch Furcht vor der Ansteckung, da beschloß sie, ohne längeren Verzug nach Mainz zu übersiedeln und den Meister Hen inzwischen zum Rechten sehen zu lassen. Mit andächtigen und sorglichen Händen packte sie die heiligen Gegenstände zusammen, die nach Reichsklaren genommen werden sollten, die leuchtende Monstranz, die große silberne Krone unserer lieben Frau, unserer lieben Frau Zopf, den seidenen Umleger mit dem großen englischen Gruß, die Kleinodien von unserer lieben Frau Kindchen, die drei feinen Hostienhäuschen, unserer lieben Frau blauen Rock mit den goldenen Buchstaben, das purpurne Altartuch, daran die Borde mit den zwölf Aposteln, und drei Meßkelche und Patenen und noch mehr. Als die ordentlichen Ballen fertig waren, und der Hofmann sie vorsichtig selbst herunter trug, damit sie von dem Zehentknecht Peter und dem alten Sauhans auf den Packsätteln gehörig verschnürt würden, war es schon spät geworden am Nachmittage, und die Nonne hätte vor Torschluß nimmermehr in Mainz sein können. Deshalb ließ sie den Leuten sagen, sie sollten sich für den Frühmorgen wohl bereit halten. Durch die Verschiebung des Abzuges und nach Erledigung aller Arbeit wuchs die Unruhe des Scheidens ganz gewaltig in ihr, und alle ernsten Versuche im brünstigen Gebete und den Meditationen der heiligen Clara Selbstvergessenheit zu finden, blieben umsonst. Mit klopfenden Herzen durchstrich sie das geweihte Haus, an dem die ganze Freude und das ganze Wehe ihres jungen Lebens hing, und verweilte dann wieder an den offenen Fenstern, als müsse sie sich immer von neuem vergewissern, daß jedes Bodenfältchen und Strichelchen des Forstes und der Flur im Gedächtnis die richtige Stelle für alle Zeiten habe.
Draußen sonnte sich ein reicher Spätsommerabend, die vielen Schwarzamseln in den Wipfeln an den Waldrändern sangen ihm ihre Kantilenen dazu, und die wilden Blumen und das Gras und das Grumt auf den Wiesen bei der Klostermühle am Druderbach gaben ihren ganzen Duft her. Als Maria von Nassau aus dem Dormenter nach Osten schaute hinüber zur Rodung des Hanges, wo der neue Wingert angepflanzt werden sollte, spielten die Lichtstrahlen just mit der Aureole und dem Glasperlengürtel Sankt Johannis des jungen Apostels, der blauröckig dort oben aus seinem steinernen Bethäuschen unter den Eichen auf das Kloster herunter lächelte. Es gab ein seltsames Blitzen, und das heilige Bild schien ordentlich zu leben und sich zu bewegen. Da dachte das unruhige Mädchen: »Es wird nichts schaden und nichts Unrechtes sein, wenn ich ein wenig zu ihm gehe und auch von ihm Abschied nehme.«
Sie schlüpfte schnell hinaus. Es war nicht weit steil hinauf, doch keuchte ihre junge aufgeregte Brust ob dem ungewohnt raschen Laufe und dem eiligen Bücken nach Blüten und Blättern. Sie kniete deshalb nicht sehr lange auf der Stufe, sondern ließ sich zur Rast neben dem glücklichen Liebling des Herrn nieder und fing an, ein Kränzlein für ihn zu flechten, und sah dazwischen mit ihm in die Welt, und bald wanderten ihre Augen immerfort vom freundlichen Kloster im grünen Tale zur Hohen Wurzel, hinter der die Sonne versinken wollte, und von der Hohen Wurzel links hinüber am Hügelland her bis in den Taleinschnitt, wodurch im Dunst des Rheinstromes ein paar Türme von Mainz noch eben erkennbar waren. Der fertige Kranz fiel ihr aus den Händen, und bei aller Frömmigkeit und Gottergebenheit merkte sie, daß sie viel lieber hier geblieben wäre, als hinein ziehen zu müssen in die dumpfe, enge Stadt fern vom Walde, und sie fing an, die toten Nonnen im Kreuzgang zu beneiden und fast auch die leichtsinnigeren, entflohenen Schwestern. An der Traumverlorenen wandelten sie alle vorüber: die ehrwürdige, magere Mutter Anna mit den strengen Falten, die kecke Agnes von Hattstein, die stille Marie Echtern und auch die tolle Christel und die Greth, die Stickerin, die jetzt auf irgendwelchen Höfen der Verwandtschaft saßen und wohl längst das geistliche Gewand mit dem irdischen vertauscht hatten. Zuletzt kam die entschlafene Priorin, die Margarete von Rheinberg. Da neigte die kindliche Schwester ihren Kopf tief, und die Tränen begannen ihr zu rinnen, denn diese hatte sie sehr lieb gehabt, und die bona et diligentissima cantrix, von der man weit herum erzählte, hatte sie nicht nur die Kunst des Singens durchaus gelehrt, sondern es dahin gebracht, daß sie mit ihr vor den anderen Schwestern die Antiphonen vortragen durfte in der Klosterkirche. Seitdem hatten alle Hörer immer gesagt, daß die hohe Stimme der Schülerin so wundervoll rein und mit solch seltener Kraft der Ergänzung der tieferen vollen Stimme der Margarete entgegen klänge, daß man wahrhaftig vermeinen dürfe, unter den Seligen zu sein. Ganz rot wurde Maria von Nassaus Gesicht, sie vergaß zu weinen. Die Hymnen klangen voll in ihr an und namentlich die eine an die Himmelskönigin, zu der sie mit der guten Margarete vor kaum vierzehn Tagen trotz Not und Sterbend eine neue Weise eingeübt hatte. Sie merkte auf einmal, daß sie den Kopf zurücklehnen und den Mund öffnen mußte, weil die starken aufquellenden Töne sich nimmer halten lassen und durchaus hinaufschwingen wollten in den Abendhimmel.
»Salve regina, mater misericordiae, vita, dulcedo et spes nostra salve, salve regina ...«
Die Schwarzamseln stockten beim ersten jubelnden Einsatz, aber dann packte sie gleich der Ehrgeiz. Sie spannten die kleinen Brüste bis zum Zerspringen fast, und es war ein schmetterndes Jauchzen über dem Waldtal wie noch nie – –
Vor der Klostermühle schafften die Bärbe, des Klostermüllers Tochter, und der Hannes, des Klostermüllers Knecht. Der Hannes hatte keine rechte Arbeitsfreude. Er war vor Jahr und Tag als Soldat mit dem Schwarm des tollen Markgrafen gelaufen und hatte sich wohl gefühlt bis zur unerwünschten Ablösungsstunde. Danach war er nun kurrend und quengelnd nach Hause gerannt gekommen, und nachdem er kein richtiges Handwerk je gemeistert hatte, half der starke und eisenfeste Kerl hier aus und dort, und die Leute ließen es sich noch halb furchtsam und nicht allzu gerne gefallen. Mit der Bärbe war der Hannes einmal versprochen gewesen vor seiner Reiterzeit. Der Hannes hielt wenig mehr von dem Verspruch. Er wußte, die Bärbe wollte rechtschaffen geheiratet sein, vordem sie einen heranließ an ihren straffen, jungen Leib, und er wußte auch, daß der Klostermüller keinen landfahrigen, verzweifelten Burschen zum Eidam nehmen würde. Dienen um die Bärbe, wie Jakob um die Rahel, wollte aber der trotzige Hannes nicht. Die Bärbe dagegen dachte anders. Sie sagte es dem Hannes jeden Tag vor, daß er sich dranhalten müsse, damit er bald etwas hinter sich gebracht habe, und sie beide nicht länger zu warten brauchten. Der Hannes hörte ihr stets eine Weile zu, dann reckte er gelangweilt die Arme mit den gewaltigen Muskeln und erwiderte ihr, sie sei doch nicht das einzige Mädchen in der Welt, da gäb's noch ganz andere Weiber da draußen von besserer Manier, und die viel mehr könnten, und von denen hätten sich auch schon manche umsonst die Finger nach ihm geleckt. Das machte wiederum der Bärbe jedesmal Angst, und das tüchtige Kind sah den ungeschlachten Riesen mit klopfendem Herzen an und fragte: »Ach, lieber Hannes, was kann ich denn wieder nit, und was macht so ein fremdes Mensch da draußen besser?« Die Bärbe konnte wirklich viel, und mühte sich zu allem, und dem Hannes wurde es immer schwerer, ein gültige Ausstellung zu finden, desto langweiliger aber däuchte ihm die Bärbe.
Gerade als der verlassenen Schwester oben ihre tote Freundin und Lehrerin vorüber glitt und das Gedächtnis an all die gemeinsamen frommen Wechselgesänge in ihr aufweckte, zankten sich die Bärbe und der Hannes wieder, das heißt, die Bärbe schwätzte gründlich ihre Meinung her, immer eifriger, je mehr sie merkte, daß sie den Mann schon verloren hatte, der Hannes selber, der gähnte meistens.
Da fluteten des Antiphons erste Klänge zu ihnen: Salve regina ... und auch über der Mühle hielten die Schwarzdrosseln einen Atemzug lang ein, vordem sie den Wettstreit um den Preis der Himmelskönigin aufnahmen. Wie die Vögel schwieg die Bärbe gleich still und sah zum Hannes hinüber, und sie erstaunte sich sehr. Der grobe, harte Bursche stand lauschend auf den Rechen gestützt mit einem versonnenen Gesichte. Die Bärbe dachte: »So, so hat er ausgesehen vor seiner Reiterzeit, damals, als wir uns einander versprachen, und schon als Bub.« Sie wurde sehr froh und schob sich leise an ihn heran und berührte seinen Arm: »Hannes!« Er antwortete nur: »Horch!« und wandte sich von ihr ab. In der Bärbe Augen glänzte es naß. Sie warf sich nieder und vergrub den Kopf in die Hände. »Jetzt meint er gar, ich könnt' nit so singen, als wär' ich nit von klein auf in der Kapell' gewesen und hätt' nit auch die heiligen römischen Lieder gelernt.«
Maria von Nassau brach ab, Margarete von Rheinberg war an der Reihe, den Hymnus aufzunehmen, und in ihrer seligen Traumbefangenheit wartete die junge Nonne wirklich auf der entschlafenen Schwester Stimme. Da sprang die Bärbe auf, heftig wie ein Wild, das hochfährt vom Lager: »He, Hannes, wart', du glaubst, ich wüßt' nit die römische Weis'? Wart'!«
Sie spreizte die Beine auseinander und stemmte die Arme in die Hüften und schüttelte das Haar zurück, und obgleich sie merkte, daß ihr das Hemd aufgerissen und über die linke Schulter und Brust herabgerutscht war, drehte sie sich nicht fort, sondern griff zornig mit ihrer starken Altstimme die Strophe:
»Ave Maria, gratia plena, Deus tecum, benedicta, tu in mulieribus ...«
Und auch in dies Lob der allerheiligsten jungfräulichen Mutter fielen die Amseln ein, aber nicht wie sie sonst im Spätsommer singen, sondern wie sie es im Frühjahr tun, vor dem Nestbau, wenn etwas Fremdes und Neues heiß aus ihnen heraus das Leben verlangt, und die feste Bärbe zitterte, wie die Vögel zittern im Frühling.
»Ave Maria, gratia plena,
Deus tecum, benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui Jesus. Sancta Maria, mater domini ora pro nobis peccatoribus.«
Der Clarissin am Waldsaum war die Strophe ungewohnt gleich nach der Anrufung und ganz fremd solche Art des Gesanges, doch hörte sie in ihrem reinen Herzen nur den Hymnus an unsere liebe Frau, getragen von der tiefen Stimme der Priorin, und überglücklich, fast ekstatisch, sandte sie den Chorsatz in das Tal:
»Salve regina, ad te clamanus exsules filiae Hevea, Amem, Amen!«
In der klaren Luft aber fügten sich die Töne prächtig zusammen, die aus der Kehle der feinen, keuschen Nonne und der heißen, schamroten Bärbe kamen, als könnte es gar nicht anders sein.
Die Bärbe hatte beim Amen die Augen geschlossen und die Arme sinken gelassen und sah gar nicht mehr trotzig und kampfeswild aus, und in der Stille danach blieb sie mit halbgeöffneten Lippen schweratmend stehen, jetzt mußte der Hannes kommen und sie umfassen, und dann wollte sie zu nichts mehr nein sagen. Doch der Hannes kam nicht, der war auf einmal verschwunden, da knüpfte das gequälte Mädchen hastig das Hemdenband und lief schluchzend nach Hause.
Dieweil kroch der unstete Mann schon oben durch den Wald. Er trat sehr behutsam und vorsichtig gleich einem pirschenden Wildschützen und machte oft sichernd und lauschend halt. Ausfinden wollte er, wer die ihm fremde Sängerin war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er das steinerne Bild durch die Bäume leuchten sah. Obgleich der Hannes es längst mit den Lutherischen hielt, griff er nach dem Kopfe und war ein wenig verlegen, weil er doch nach diesem Heiligen genannt worden war, und Sankt Johannes sich ihm als Kind auf manche Bitte an dieser Stelle freundlich und hilfsbereit gezeigt hatte. Blöde und zögernd schob er sich heran, immer die Hand an der Mütze, da bemerkte er den schwarzen Weihel, das gelbe Kapulier und den grauen Oberrock und wußte nun freilich, daß eine von den Klosterfrauen gesungen hatte. Der Hannes nahm die Mütze völlig ab, um demütig zu grüßen, als er aber mehr zur Seite aus dem Randgebüsch heraus kam, erkannte er, daß die Sängerin nach ihrem Liede in dem Abendfrieden eingeschlummert war. Die Kappe hin- und herwendend in den Fäusten, stand der Hannes und blickte von dem lächelnden Apostel auf die ruhende Jungfrau und von der ruhenden Jungfrau auf den lächelnden Apostel, und er hörte sein Herz immer lauter und rascher pochen, und es ward ihm eigen zumute. Er dachte an die Nonnen, die er in seiner Bubenzeit in der Clarenkapelle von ferne gesehen hatte. Damals durfte er selbst als Meßknabe dem Herrn Beichtiger Henrikus Hammer ministrieren, und die geistlichen Frauen erschienen ihm alle alt oder fett oder verschrumpft. Die Schlafende vor ihm aber war jung und hatte ein wunderbar feines Mädchengesicht, und unter dem groben frommen Kleide zeichnete sich ein eben erblühender Körper ab, und aus dem Rocke aus den einfachen schmalen Schuhen zwinkerten ihm so weiße zarte Knöchel zu, daß der Hannes gar nicht begriff, solche wären überhaupt fähig, ein junges Weib zu tragen. Der Hannes konnte nicht anders, er ließ sich auf beide Kniee nieder, und die Hände verschränkte er über der Mütze ganz fest ineinander, und dann rutschte er heran, langsam, langsam, immer näher, bis er hart an Maria von Nassaus Seite war. Sein lauter Herzschlag weckte die Schwester nicht, da sah er noch einmal furchtsam zu dem Heiligen hinüber, und dann suchten seine Lippen den leise atmenden Mädchenmund. Der Hannes wollte ihn nur einmal küssen in allen Züchten, etwa wie eine Frau den Crucifixus küßt, aber als Marias Lippen antworteten und sich ihre Augen, freilich um sich gleich wieder zu schließen, ein paarmal selig öffneten, wurden viele Küsse aus dem einen, und nur die Hände, die rührte der Hannes in seiner Scheu nicht.
Im Kloster unten da läuteten sie den Angelus. Maria von Nassau begann sich zu bewegen, da sprang der Hannes erschreckt auf und trat ehrfürchtig zur Seite, und nun erhob sich auch die Jungfrau. Der Hannes sah, daß ein himmlisches Leuchten auf ihrer Stirne war, und es ärgerte ihn, daß sie gar nicht zu ihm hinüberblickte, sondern über ihn fort schaute, als wäre er lauter Luft. Vor dem Heiligenbilde beugte sich die Jungfrau inbrünstig, dann schritt sie mit gekreuzten Armen glücklich zu Tal, und ein paar hundert Schritte hinter ihr drückte sich der Hannes drein in der Art eines gereizten Hundes.
Wenn der Hannes sich noch an dem Abend bereuend und bußfertig an die allerheiligste Mutter gewandt und auch in früherer Frommheit die Fürbitte St. Johannes des Jüngers nachgesucht hätte, vielleicht hätten er und die Bärbe noch ein Paar werden können, und ein langes mürrisches einsames Irreleben wäre ihm erspart geblieben. Der Hannes aber gesellte sich aushorchend zu den Klosterknechten und trank mit ihnen und übertat sich in seiner tückischen Stimmung, und während er von den Leuten in seinem stumpfen Brüten geneckt wurde, wälzte sich die Bärbe schlaflos in ihrem Bette bei offener Türe und weinte nach ihm, und als er endlich schnarchend in die Ecke fiel, ritt Maria von Nassau mit dem Hofmann und dem Zehentknecht Peter auf bequemem Pferde aus dem Tore ihres lieben Klosters Clarenthal gen Mainz. Sie hatte dasselbe Leuchten auf der reinen Stirne wie am Abend und sah, solange sie konnte, in tiefer Andacht hinauf zu dem heiligen Bilde.
Die Madonna und St. Johannes fügten es, daß sie ihr ganzes langes, gottseliges Leben meinte, von dem Heiligen selbst geküßt worden zu sein, der aus seinem Hause herausgetreten sei, wie sie ihn auch deutlich gesehen habe. Sie erzählte nie jemand davon, bis es ans Sterben ging, und sie vor lauter glücklicher Erwartung reden mußte.
Den Hannes aber ließen die allerheiligste Mutter und der von ihm so gering geachtete Schutzheilige in seiner Verblendung ein paar Stunden hinter Maria von Nassau drein mit brennendem Kopfe nach Mainz laufen. Dort trieb er sich viele Tage wie ein Tollhäusler um das Reichsklarenkloster. Schließlich jagten ihn des Kurfürsten Polizisten aus den Toren der Stadt. Der Hannes blieb ein einspänniger, scheuer, zerfahrener Mensch alle seine Tage, und obgleich er später viel bei St. Johannes seine Andacht verrichtete, lernte er nie begreifen, daß ein Frauenzimmer doch den nicht zu meinen braucht, dessen Küsse just ihr Mund erwidert.
Auch die Bärbe strafte unsere liebe Frau. Sie trug schwer an eines ungeliebten Mannes Kindern, und wenn sie den Hannes sah, so mußte sie ihn ankeifen, wenigstens erzählten das des alternden Hannes Kameraden, des Grafen Philipp Holzhacker.