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Die Taunusreise fällt in das Jahr 1811, da Cornelius aus seiner Vaterstadt Düsseldorf nach Frankfurt gekommen war, um von dort die Kunstfahrt nach Italien anzutreten.
Unter Furcht und Hoffnung, ob uns der Himmel günstig bleiben würde, bestiegen wir des Nachmittags die südliche Gebirgsstraße des Feldbergs, die uns von unsern Führern, deren wir zwei mitgenommen, angewiesen wurde. Diese, mit den Gefahren dieser wilden Berge bekannt, dienten auch zugleich, unsern nötigen Apparat und Proviant mitzunehmen, dessen man sich in diesen unbewohnten Gegenden wohl versehen muß.
Das Gewitter hatte die Luft von der drückenden Hitze gereinigt, alles Grüne schien wie neuer Frühling der Erde entsprossen, und wie mit reinem Äther getränkt atmete jeder Halm und Blüte neues Leben und Wohlgeruch aus. Der Himmel ward immer heller und freundlicher. In Tälern, auf Wiesen und Blumen glänzte die Sonne in noch frischen Regentropfen tausendfärbig wider, und in tiefen Gründen rauschte der klare Quell unter kühler Wölbung durch Busch und Wiesen hin. – In so heiterer Stimmung von großer und erhabener Natur umgeben, die in reizenden Bildern wie lebendige Töne zu unserm Innern spricht und die äußere und innere Welt zu harmonischem Einklang verbindet, in solchen Momenten scheint die Muse auch dem Ungeweihten nicht ganz abhold zu sein.
...Aufwärts immer und himmelan!
Es wird mir leichter um Herz und Brust.
Immer steiler den Berg hinan,
Immer näher des Himmels Blau,
Wo ich atme und wo ich schau',
Steigt die Bewunderung, wächset die Lust.
Hoch und höher bis zu seinem Rücken;
Endlich auf des Gipfels höchstem Rand.
Staunend weilt das Auge mit Entzücken
In der Räume unermeßnem Land.
Über mir des Himmels lichter Bogen,
Neben mir die Wolken spielend ziehn,
Unter mir der Berge blaue Wogen
Gleich des Meeres dunklen Wellen fliehn.
Aus dem Westen glänzt in goldnen Reifen
Fern der Abendwolke Purpurschein,
Und es zieht in langen Silberstreifen
Aus dem hohen Land der alte Rhein.
Durch der Fluren blühende Gefilde
Bildet er sich einen Hügelkranz,
Und in seinem klaren Wellenbilde
Spiegelt sich der Abendsonne Glanz.
Ruhig seh' ich hier die Welt im Frieden,
Tal und Wald liegt in der Dämmerung Schoß.
Von der Tiefe bin ich abgeschieden,
Fühle mich von allen Banden los.
Nach der Ferne, ewig nach der Ferne
Strebt des Geistes ungebundner Flug;
Auf der Erden weilt er nicht mehr gerne,
Und die Welt ist ihm nicht groß genug.
So in Begeisterung vertieft, die sich bei jedem nur auf verschiedene Weise äußerte, hatten wir des Berges höchsten Gipfel erreicht, der sich oben in geräumiger Ebne verbreitet. Unser Gesichtskreis erweiterte sich nun nach allen Gegenden, die wir im Aufsteigen nur in zwei Richtungen, nach Süden und Westen, im Auge hatten. – Ein unbekanntes, wunderbares Gefühl, das sich in Staunen und heiliger Bewunderung der unendlichen Größe eines allwirkenden Geistes aller Welten äußert, ergreift das Gemüt beim Anblick dieser unermeßlichen Aussicht.
Die Welt schwebt unter uns in verworrenen Formen, aber alles löst sich in großen Massen wie in goldnen Duft und Nebel auf. Wie im Regenbogen schmelzen in Licht und Glanz die farbigen Töne des fernen Horizont und vermählen sich mit den Strahlen des lichtblauen Himmels, eine Welt ohne Grenzen dem Auge, wie dem Geiste der Gedanke an die Unendlichkeit! –
Auf die heroische Gesellschaft hatte diese Naturveränderung die herrlichste Wirkung. Mit unglaublicher Leichtigkeit bewegte sich alles auf dieser luft'gen Höhe, und jeder fühlte sich in dieser Sphäre wie neugeboren. Der überstandenen Mühe war beim Anblick dieses außerordentlichen Schauspiels der Natur vergessen, und wir selbst hätten uns am Ende in der Idee mit den Bewohnern jener obern Regionen verwechselt, hätte nicht der Magen an unsre irdische Existenz erinnert, welcher über diese geistige Disposition seine höchste Unzufriedenheit äußerte und jetzt mit so größerm Ungestüm sein ursprünglich Recht behauptete. Unbemerkt hatte sich die Gesellschaft ein günstig Lokal zu diesem Beruf ausgewählt, bei welchem die beiden Maler, durch malerische und poetische Betrachtung vertieft, sich zuletzt einfanden.
Hinter hohen Felsen gegen Schutz und Trutz gesichert, lag die Heldentruppe in den schönsten Gruppierungen auf Stein und Moos gelagert. Einfach, ohne Zeremonie, wurde der Tisch auf eigne Faust zubereitet, ohne alles Gepräng und Gerät häuslicher Wirtschaft und andrer kleinen Bedürfnisse lebte jeder wie an Jupiters Tafel vom ambrosischen Duft des köstlichen Nektars bewirtet und sich und der Welt vergessend in frohem Genuß der heitern Gegenwart.
Übrigens bleibt es ausgemacht, daß man mit vollem Magen mehr Empfänglichkeit für alles Schöne hat als mit leerem. Daher scheint, daß die Poeten, nämlich die hungrigen, bloß die Natur verderben; denn das Vollkommene erkennt sich nur in der Vollkommenheit wieder. In unserm Kreis wachte die Lust und Kraft mit immer neuen Schwingen. Im Angesicht des herrlichen Rheins ward man seiner Gaben doppelt froh; im ganzen Kreis äußerte sich die schönste Gemütseinheit und Kordialität, die durch das Romantische unserer Lebensweise noch einen höheren Schwung erhielt. Unsere Damen selbst wetteiferten nach alter Sitte, diese Nomadenzeit durch ihre Gegenwart zu verherrlichen. Unter Freude und Scherz wurde der goldne Wein spendiert und aus lieblichen Händen zum Nektar geschaffen.
So führten wir im Augenblick sogar die holde Minnezeit zurück, die uns durch die Umgebung von alten Burgen und Türmen um so mehr in ihre Wirklichkeit versetzte, ja uns ganz in der Idee von allen Verhältnissen getrennt, ein älter Geschlecht in neuer Zeit zu bilden bestärkte. Früher, als wir es alle gewünscht, erinnerte die untergehende Sonne an den Abschied aus unserm Olymp (so möchte ich diesen Aufenthalt für sterbliche Bewohner nennen), denn jeder fühlte mehr denn je den göttlichen Funken durch die Nähe des Himmels in sich glühn. Was Wunder, wenn wir uns provisorisch für Götter selbst gehalten und wie diese mit Stolz auf die kleine Welt und ihre Bewohner herunter gesehen. Aber zu solchem Übermut kam es nicht, vielmehr hätten wir sie alle zu uns heraufziehn und jedem sagen mögen: »Kommt und folgt unserm Beispiel!«
Nun hob sich die Gesellschaft mit neu gesammelten Kräften zum Aufbruch, deren sie, wie die fernere Geschichte unsers abenteuerlichen Rückzugs erweisen wird, sehr benötigt war.
Allein nichts weniger als solche schreckliche Gefahren ahnend, ergötzten sich unsre Herzen an dem herrlichen Schauspiel des Sonnenuntergangs. Während um uns her schon alles in tiefer Dämmerung ruhte, weilte sie noch mit ihren letzten Strahlen auf des Berges Spitze und winkte uns ihren Abschied zu, den unsre Hüte noch immer in hoher Luft erwidernd auffingen, bis sie endlich auch ihren Kreisen entschwunden war. Ein allgemeines Lebewohl wie beim Abschied aus der Heimat tönte hinab durch die Lüfte; es galt prophetisch dem Vaterland unsrer beiden Autoren!
Der einbrechenden Nacht soviel wie möglich auszuweichen und durch nähere Wege zu unserm Lager zurückzukehren, wählten unsre Führer den kürzesten, aber zugleich gefährlichsten Weg. Unter Scherz und Gespräch und allen Äußerungen der Fröhlichkeit traten wir unsere Rückreise an. Jede Dame empfahl sich ihrem Ritter in Schutz, welchen, durch ihr ritterlich Amt verpflichtet, sie nach allen Kräften auszuüben, sich erboten. Unser Pfad war durch den Schein der Abenddämmerung noch hinreichend erleuchtet, und wir gedachten ohne große Beschwerde unsre Wohnung zu erreichen. Allein die Änderung der Lage brachte bald eine andere Wirkung hervor.
Ein enger, schmaler Pfad, von Bäumen und dichtem Gesträuch bewachsen, leitete uns immer tiefer in die Gebirgsschlucht, wo sich mit jedem Schritt die Dunkelheit vermehrte. Vom mittägigen Gewitterorkan hatten sich Fels und Erdschollen von den schroffen Bergwänden losgerissen und in ihrem verheerenden Sturz den ohnehin gefährlichen Talweg verschüttet. Über Klippen und Abgründe mußte jeder seine Dame wie durch den Orkus tragen und mit Lebensgefahr sich neuen Weg bahnen. – Bei solchem unzulänglichen Pfad, bald über Felsen und aufgewühlte Baumstämme, bald durch verborgne Hohlwege oder angefüllte Wasserschlünde, war es trotz aller Anstrengung und Sorgfalt doch nicht zu verhüten, die zarten Füße der Damen vor allen möglichen Übeln zu beschützen, da sie mit so vielem zu kämpfen und zu ringen hatten. Demungeachtet hörte man keinen Laut von Klage äußern, vielmehr stieg ihr Mut mit ihren Kräften in gleichem Grad und gaben bei dieser Gelegenheit ein seltenes Beispiel weiblicher Entschlossenheit und Ausdauer, die unser Geschlecht ihnen nicht freiwillig zugesteht. Mit Riesenkräften hatten wir uns endlich durch diese furchtbare Wildnis ins Freie gearbeitet, wobei aber noch nichts weiter als etwas Licht gewonnen war, um jedem Hindernis bequemer ausweichen zu können.