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Wie mächtige Felsenmauern, gebaut von Gigantenhänden, erhoben sich auf den Bergkuppen des Taunus die Wallburgen, ausgeführt aus Bruchsteinen mit Holzeinlagen. Noch heute erregen die Trümmer dieser Anlagen das Erstaunen des Besuchers, nachdem die einen festen Zusammenhalt gewährenden Holzbalken längst verfault sind, so daß die zusammengestürzten Felsmassen nur noch einen mächtigen Wall bilden. Solche Wehrbauten finden wir auf dem Altkönig, dem Bürgel bei Falkenstein, dem Hünerberg bei Cronberg, den Altenhöfen, der Goldgrube und dem Bleibeskopf. Auch weiter nördlich kommen sie noch vor. Hinter diesen Umwallungen, abseits der alten Wege, im dichten Urwald brachten vor 2000 Jahren die Bewohner der Mainebene und der nördlich des Taunus gelegenen Siedlungen Weib und Kind, Vieh und fahrende Habe in Sicherheit, wenn Feinde herannahten, die Dörfer und Gehöfte zu plündern.
Bei der Eroberung des zwischen Rhein, Main und Lahn gelegenen Landes war die Reihe dieser Wehr- und Fluchtburgen auf dem Taunuskamme ein bedeutendes Hindernis. Als sich ums Jahr 83 n. Chr. von Mainz aus die römischen Heere in Bewegung setzten, mußten sie sie erst brechen. Der römischen Taktik und Bewaffnung unterlag die germanische Kraft und Tapferkeit. Von den Eroberern wurde nun die Grenze zwischen Römerreich und freiem Germanenland so gelegt, daß die meisten dieser Fluchtburgen im Besitz des Siegers blieben, damit sie bei künftigen Erhebungen nicht als Stützpunkte im blutigen Ringen dienen konnten. So kommt es, daß die Grenzlinie vom Rhein – etwa in der Gegend von Neuwied – ausgehend, bei Ems die Lahn überschreitet und dann auf den Taunus übergehend die Wetterau in großem Bogen umfaßt, dessen südliches Ende bei Groß-Krotzenburg an den Main stößt. Die damals längs der Grenzlinie errichteten Erdkastelle mit Holzbauten, welche die Mainebene mit der Wetterau in militärischen Schutz nahmen, wurden schon nach wenigen Jahren von den Germanen zerstört, aber in der Folgezeit wieder aufgebaut. Der Limes, im Volksmund Pfahlgraben genannt, bestand nunmehr aus einer mächtigen Palissadenwand, hinter der ein Graben und ein Erdwall lag. Die mit der Bewachung der Grenzsperre betrauten Posten lagen in Türmen, die sich in Holz- bzw. Steintürmen von quadratischem Grundriß unmittelbar hinter dem Limes in einer Distanz untereinander von rund 500 Meter erhoben. Diese Posten bildeten einen Teil der Besatzung der Kastelle. Sie liegen ebenfalls nahe hinter dem Limes und haben meist denselben Typus der Anlage, aber verschiedene Größe. Auf dem Taunus befanden sich u.a. folgende: Kaisergrube, Capersburg, Lochmühle, Saalburg, Heidenstock, Feldburg, Maisel, Alteburg, Zugmantel. Von keinem wissen wir den lateinischen Namen. Je nach der Größe der Kastelle lag in ihnen eine Kohorte (500 Mann), ein Numerus (200-400 Mann) oder eine Ala, eine Reiterabteilung von 480 Mann. Aus politischen Rücksichten legte man diese Hilfstruppen gewöhnlich nicht in die Garnisonen der Gegend, aus der sie sich rekrutierten; so kommt es, daß wir als Besatzung der Limeskastelle Britannier, Niederländer, Schweizer, Nordafrikaner, Syrier, Spanier, Gallier und andere Völkerschaften antreffen. Später werden diese Truppen bodenständig, ihre Mannschaften heiraten die Töchter des Landes, und so werden sie schließlich zu Grenzmilizen, die dem Ansturm der Alemannen und Franken um 260 n. Chr. keinen ernstlichen Widerstand mehr leisten können.
Wer heute etwa von Friedberg aus den Limes entlang durch die herrlichen Tannenwälder über Saalburg und Feldberg wandert, trifft noch auf Schritt und Tritt die Überreste dieser Kastelle und der Türme wie den Wall der Grenzbefestigung an. Aber sie geben dem Laien keine klare Vorstellung dieser Anlagen. Hier tritt nun ergänzend die Saalburg ein. Sie ist das einzige der Kastelle auf deutschem Boden, das, in den wesentlichsten Teilen auf die Initiative des ehemaligen Kaisers Wilhelm II. wieder aufgebaut, jedem ein Bild einer römischen Grenzfeste gibt, das noch vertieft wird, wenn man in dem Museum die Funde durchmustert, die im Bezirk der Saalburg gemacht worden sind.
Wandern wir vom heutigen Bad Homburg v. d. H. aus eine Stunde gen Norden, so treffen wir im tiefsten Walde die von der Mainfurt (Frankfurt a. M.) zur Taunussenke führende Römerstraße noch völlig unversehrt an.
Sie zieht herauf und steigt hinab,
Es weidet über ihr die Herde,
An ihrer Seite manches Grab,
So liegt sie drunten in der Erde.
Es führt ob ihr dahin der Weg,
Der Pflüger mit dem Jochgespanne
Geht über ihren Grund hinweg,
Und Wurzeln schlägt auf ihr die Tanne.
Längs der Straße sahen wir die Gräber der Toten. Die Leichen scheinen der Mehrzahl nach verbrannt worden zu sein. Was von den Gebeinen übrigblieb, wurde in einer Grube beigesetzt. Krüglein mit Met oder Wein, ein Lämpchen, eine Münze werden dem Toten mitgegeben; in den Kindergräbern findet sich auch das Spielzeug, mit dem das Kleine sich bei Lebzeiten vergnügt hatte. Geht man nun die Heerstraße weiter, die einst unter den Schritten erzgepanzerter Kohorten erdröhnte, so erblickt man rechts und links die Steinfundamente kleiner Häuser, die das sog. Lagerdorf bildeten. Hier wohnten ausgediente Soldaten, Händler, Wirte und Handwerker. Jedes der kleinen Gebäude hatte einen Hof, eine Stallung und einen Brunnen, dahinter lag der eingefriedigte Garten. Nach wenigen Schritten erhebt sich vor uns der breitgelagerte Bau des Kastells. Seiner Form nach ist es ein Rechteck von 100:150 römischen Doppelschritten (1 Doppelschritt = 1,48 Meter). Umgeben ist es von einem wasserlosen Doppelgraben, hinter dem die zinnengekrönte Mauer von etwa 5 Meter Höhe aufsteigt. Hinter ihr liegt ein Erdwall, der sich nach dem Lagerinnern sanft abböscht. Auf ihm standen die Verteidiger und die Geschütze. Unterbrochen ist die Umfassungsmauer durch die Tore, die durch viereckige Türme gedeckt werden. Die einander gegenübergelegenen Tore sind durch breite Straßen miteinander verbunden. Auf dem Schnittpunkte der letzteren erhebt sich ein Komplex von Bauten, der die Hauptgebäude des Lagers umfaßt, so die große Halle, die zu Versammlungszwecken und Waffenübungen bei ungünstiger Witterung diente. Von ihr aus gelangte man in einen viereckigen Hof, dessen Abschluß das Lagerheiligtum bildete, in dem die Feldzeichen der Truppe sowie Bilder der Gottheiten und des Kaisers verwahrt wurden. Durch offene Gänge mit diesem Raum verbunden sind einige Gebäude, die als Wachtlokal, Waffenkammern u. ä. anzusprechen sind. Von andern Bauten im Lager selbst fällt das mächtige Doppelmagazin auf. Hier waren große Getreidevorräte aufgespeichert; bekam doch der Soldat täglich eine Ration Getreide, die etwa 2½ Pfund Brot entsprach. Von den Unterkunftsräumen der Soldaten ist nichts mehr erhalten. Sie waren Baracken aus Holz, zwei lange Räume mit einzelnen Kammern längs eines schmalen Hofes. Die Garnison der Saalburg rekrutierte sich aus Südbayern und Tirol und führte die Bezeichnung der 2. Kohorte der Räter (cohors II Raetorum). Mauerfundamente im Lagerinnern zeigen, daß auch noch weiters massive Gebäude vorhanden waren, so das Lazarett, die Waffenschmiede, Pferdeställe und Bureauräume. Vor der Südfront sieht man die Grundmauern der sogenannten Villa, aus acht mit unterirdischer Heizung versehenen Räumen bestehend. Man darf sie wohl als das Offizierskasino bezeichnen. Jedenfalls war sie luxuriös eingerichtet, die großen Säle mit Wandnischen, Glasfenster und Wandmalerei, Badezimmer usw. weisen darauf hin. Vor dem rechten Seitentore liegt ein umfangreiches Gebäude, mit Kammern und Hallen, wohl ein Kaufhaus, wo die Germanen Felle, Frauenhaar, Laugenseife, Gänsedaunen u. ä. gegen römische Produkte, wie Tuche, echten und unechten Schmuck u. a., umtauschten. Auch verschiedene Heiligtümer sind aufgedeckt worden, vor allem das des Mithras. Dieser persische Lichtgott, der den Sündenbeladenen nach geheimnisvollen Prüfungen Heiligung, den Mühseligen und Beladenen nach dem Tode frohe Wiedergeburt verhieß, erfreute sich, vornehmlich bei den Soldaten, zahlreicher Verehrer. Das grottenähnliche, buntbemalte Heiligtum zeigt im Hintergrund das große Reliefbild des Gottes, wie er den Stier niederstößt, ein Symbol des Kampfes des Lichtes mit der Finsternis.
Ein reges Leben und Treiben herrschte etwa anderthalb Jahrhunderte auf der Taunushöhe, über die eine vielbegangene Straße vom Lahn- ins Maintal hinabführte. Wohl wurden durch feindliche Überfälle die Saalburgbauten wiederholt zerstört, aber es herrschten doch lange Perioden des Friedens, in denen die germanische Kultur von der römischen reich befruchtet wurde. Einmal brachte der Limes die stets vorwärts drängenden, meist Land suchenden germanischen Völkerschaften zum Stehen. Überall erhoben sich Landhäuser und Gutshöfe der Eroberer, deren Land von der germanischen Bevölkerung bebaut wurde. Aus den kleinen Lagerdörfern entstanden stadtähnliche Anlagen; so bei Höchst, Hofheim, Wiesbaden, Heddernheim, Ems, Marienfels u. a. Die westlichen Stämme gewöhnten sich mehr an feste Siedlungen und intensivere Bebauung des Bodens, dessen Erzeugnisse im besetzten Gebiet gut verwertet werden konnten. Zugleich machte der Limes den ewigen Raubzügen und Streitigkeiten der Stämme untereinander ein Ende. Gleich segensreich war die Einrichtung der römischen Zivilisation. Die römischen Kulturbringer waren es, die die Unterworfenen gelehrt, die Gewässer einzudämmen und Brücken zu bauen, sie haben das Land mit einem Netz von trefflichen Straßen überspannt, auf denen sich auch später noch, das ganze Mittelalter hindurch, der Verkehr bewegte, den Ackerbau, in roher Form von den Germanen ausgeübt, haben sie gehoben und die Obstzucht veredelt. Unsere Vorfahren, die bei dem Reichtum an Wäldern ihre Bauten aus Holz ausführten, lernten von den Römern die Kunst des Steinbaues, so daß z. B. Kaiser Julian, als er 357 einen Streifzug ins Maintal machte, alle Gebäude sorgfältig nach römischer Art errichtet fand. Was das Handwerk den Römern verdankt, zeigt ein Blick auf die Funde der Museen in Wiesbaden, Mainz oder der Saalburg. Wir nehmen mit Staunen wahr, daß die römische Form der Schlosser-, Maurer- und Schreinergeräte auch noch heute angewendet wird, ebenso zeigen die Geräte der Landwirtschaft in Hacken, Schaufeln, Sensen usw. den römischen Typus, wie er sich auf Grund langer praktischer Erfahrung herausgebildet hatte. Die Keramik und Glasindustrie sind von den Römern auf die höchste Entwicklungsstufe gehoben worden, und noch lange, nachdem jede Kunde von den Römern verlorengegangen war, verfertigten Franken und andere Stämme Gefäße und Bauten nach römischem Muster und römischer Technik. Die Kunst, das flüchtige Wort in Buchstabenschrift zu bannen, haben die Deutschen von den Römern gelernt, das Wort »schreiben« ist ja nichts als das lateinische Lehnwort scribere.
Als um 260 n. Chr. die römische Herrschaft auf dem rechten Rheinufer ein jähes Ende fand, wurde nun nicht, wie man früher vielfach annahm, auch die reiche römische Kultur wie mit einem Schwamme ausgewischt. Wohl zog das kaiserliche Heer und die Verwaltung für immer von dannen, aber die zum großen Teil noch germanische Bevölkerung der Städte wie des Landes blieb ruhig in ihren Sitzen und verschmolz mit den germanischen Eroberern.