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s. Bildunterschrift

K. H. Zunn, Westerwälder Heide.

Vom Westerwald

Von Otto Rombach

Eingeschlossen zwischen betriebsame Landschaften, deren jede eine eigene Charakteristik aufweist, liegt der Westerwald als ein Stück Einsamkeit. Mit waldigen Bergschwellen aus dem von Rhein und Lahn, Sieg und Dill gebildeten Geviert aufsteigend, schiebt sich dieses wenig besuchte und wenig bekannte Gebiet in einer welligen, von flachen Bergkuppen und Wäldern durchsetzten Hochebene aus.

Ein Gürtel von Romantik liegt um seine Lenden: die Gigantik des Siegtales mit seinen mächtigen Schutthalden, Hochöfen und Hüttenwerken setzt sich vereinzelt fort in dem tiefgekerbten Dilltal, dessen stille Versonnenheit von der schwellenden Lyrik des Lahngrundes abgelöst wird, während vom Rheine, von letzten, vorgeschobenen Türmen aus der Blick in die verwandte Eifel hinüberreicht.

Wohl zählen die Bergpartien rechtsseitig der Lahn noch zu den Ausläufern des Westerwaldes – vereinzelte Kegelberge wie die Montabaurer Höhe oder das Gruppenmassiv des Siebengebirges weisen auf den vulkanischen Ursprung dieses Mittelgebirges hin –, im Grunde aber weichen die Randzüge in ihrer Formation wesentlich von der charakteristisch flachwelligen des eigentlichen Plateaus ab. Es ist auch ihnen eine gewisse – manchmal an die Rhön anklingende – Eigenart nicht versagt; ihre regelmäßige Bewaldung tritt im Ansteigen zu der Hochfläche allmählich zurück und zeigt uns jene eigenartigen Berggebilde, die uns an der Bahnstrecke von Gießen aus begleiten.

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Herborn, der eigentliche Brückenkopf des Hohen Westerwaldes, ist eines der am wenigsten beachteten Städtchen unserer näheren Landbezirke. Angefüllt mit allerlei mittelalterlicher Idylle liegt es, in vielen Zügen Marburg ähnlich, hineingeschmiegt in einen länglichen Bergkessel. Breit und beherrschend über treppenförmig an einer Hügellehne aufsteigenden Häusern ruht das Schloß. Die Straßen, die darunter hinziehen, sind alt und voller malerischer Winkel. In hohen, schmalgequetschten Firsten laufen die Häuser aus, deren Fronten, in Vorsprüngen übereinander gegliedert, fast durchweg mit Schiefer vertäfelt sind. Dieser stahlblaue Häuserverputz verleiht dem inneren Teile der Stadt ein eigenartiges, düsteres Gepräge, das von dem Rathaus mit bunten Wappenschildern alter Geschlechter an der Fassadenbrüstung wohltuend und warm unterbrochen wird. Vereinzelt stehen noch behäbige Wachttürme auf der vor zwei Jahrzehnten niedergelegten Umwallung, hinter der sich eine der ältesten Universitäten Deutschlands befand.

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Eine von Herborn ausgehende Autochaussee führt in großen Serpentinen und anfänglich beträchtlicher Steigung auf den Hohen Westerwald, den sie bis Marienberg durchzieht, wo sie als Winkelung wieder in das Lahntal abbiegt, wie sie auch unterwegs von etlichen gut gehaltenen Landstraßen geschnitten wird, die eine direkte Verbindung des vorderen Westerwaldes mit dem Siegnerland begünstigen. Durch einen schluchtartigen Durchbruch aus dem Dilltal windet sich dagegen die Eisenbahn, die Randung des hohen Plateaus an seiner letzten Schwelle nachfahrend, hinauf zur Höhe. Von Rennerod aus, einer der am höchsten gelegenen Stationen, ist es ein Fußmarsch von nahezu zwei Stunden zu der unauffälligen, numerisch bedeutendsten Erhebung des Hohen Westerwaldes, dem Salzburger Kopf. Hier ist auch das Gebiet, in dem der eigentliche Typus der Westerwaldlandschaft seine deutlichsten Formen zeigt.

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Schier endlose Straßen führen in die niedrigen Dörfer hinein, deren Häuser schuppenartig, dicht und ineinander verschachtelt nebeneinander ruhen. Erlenbäume säumen die Wege, an deren Ränder weite Weideflächen und magere Felder stoßen, die ein ständiger, kühlender Wind überweht. Möglichst hinabgesenkt in eine Mulde sind diese Absiedlungen. Lange Reihen von schmalen Tannenschonungen, sogenannte Schutzhecken, begrenzen den runden, zirkusartigen Prospekt der Flur. Ihre Bedeutung ist, den Wind und die winterlichen Schneestürme abzuhalten und die Feldgemarkung zu schützen. Die unzähligen Schafherden suchen Schutz dort, wenn unvermittelt ein Wetter hereinbricht. Dazu bieten den eigentlichen Ansiedlungen die langen, an der Wetterseite bis an den Boden reichenden, mit schwarzem Moos bewachsenen Strohdächer der Häuser wirksamen Widerstand.

Diese niedrigen Bauten, deren Fachwerk mit Kalk bestrichen ist, und die langen Tannenschonungen bestimmen die Eigenart des Hohen Westerwaldes. Nie aber ist Eintönigkeit in der Landschaft. Und es ist auch keine kaleidoskopische Bilderreihe – diese Landschaft hat etwas von einer tiefen Schwermut und einer weiten Aufgeschlossenheit. Das ist keine laute Gestik, die aus den stillen Winkeln der Dörfer spricht, das ist keine überwältigende Romantik oder eine sonnige, warme Lyrik; Resignation möchte ich sagen, Herbheit und Schlichtheit sind ihre Grundnote.

Genau wie ihre Menschen.

s. Bildunterschrift

Diese Menschen haben keine leuchtenden Farben; ihre Trachten waren grau, spielten in Schwarz und Blau. Recht selten trifft man sie noch.

Diese Männer haben wetterharte Gesichter, wie die Fischer der Meere. Ihre Haut ist ledern, ihre Augen sind klar und aufrichtig. Sie tragen ihre Bärte wie gerollte Filze um die Kinnbacken. Sie sind verschlossen. Nicht leicht befreunden sie sich. Aber ihr Händedruck ist warm und stark. Sie sind hart; eben wie ihre Arbeit und ihr Leben hart ist.

Der dürftige Acker und das Vieh sind ihr Leben; die jüngere Generation steigt hinein in die Basaltbrüche oder Braunkohlenbergwerke oder wandert aus in die Hütten- und Grubenwerke des Siegener Landes.

Ihre Frauen sind von einer schlichten, in sich gekehrten Art. Sie haben einen schweren Schritt, mit dem sie weite Wege durchmessen, von Dorf zu Dorf oder zu den fernen Bahnhöfen, wenn sie am Wochenende oder zu den Märkten in die Stadt fahren.

s. Bildunterschrift

L. v. Matuschka-Greiffenclau, Schloß Herborn.

An heißen, sommerlichen Tagen, wenn die Düsterkeit der Landschaft in holzschnittartige Konturmalerei getaucht vor dem Wanderer ersteht oder ein milder Abend die langen, flachen Bergrücken langsam überschattet, ist es eine Lust, über diese Höhen zu wandern; immer einen kühlenden Lufthauch an den Schläfen und grüne, weite Matten im Gesicht, zwischen denen sich die dunklen, schweigenden Tannenbestände wie schwarze Wälle hinziehen.

Da weht mit dem Winde jene herbe Kräftigkeit heran, die an das Moor gemahnt und seine graue Romantik. Die dunklen, geduckten Häuser hocken gleich großen Tieren an der Landstraße und blinzeln mit unsicheren, fremden und trüben Lichtern. Da liegt ein Friedhof am Wege mit weißen Holzkreuzen, einer jener verlassenen Friedhöfe der Heide, mit Trauerweiden und wenigen, dürftigen Grabhügeln. Oder auf dem Berge steht eine Baumgruppe als graue, scharf umrissene Silhouette gegen den gelben Himmel. Ringsum aber ist eine Stille, die unheimlich und köstlich zugleich ist.

Gigantische Basaltbrüche, die wie versunkene Wälder mit der Schraffur ihrer fünfkantigen Steinflöze aus dem Boden ragen oder in tiefen Löchern Stamm an Stamm wie eine groteske, mächtige und dennoch leichtfertige Spielerei der Natur ab und zu in dem Gelände wie kalte Oasen liegen, überzaubert ein fahles, weither fließendes Mondlicht und gibt ihnen ein seltsames, exotisches Gepräge.

So ist der Steinkringsberg bei Schönbach ein seltenes Naturdenkmal mit zirka 40-50 Meter hohen Basaltsäulen, das nach und nach dem Verfall anheimfällt!

Wir wissen vielleicht, daß der Schotter und die Pflasterung unserer Straßen oder das Kaibecken des Frankfurter Osthafens aus dem Westerwald stammt, daß Westerwälder »Kipper« mit erstaunlicher Kunstfertigkeit in wenigen Hieben dieses kubisch gleichmäßige Kleinpflaster behauen; aber jener Felsen dort, der Stück um Stück, Sprengschuß um Sprengschuß abblättert und vergeht, jener Felsen müßte von den vielen anderen erhalten bleiben, einer von allen, als der typischste, als Schulbeispiel, wenn man so will, als einer der gewaltigsten und schönsten Bergbrüche unserer näheren Landbezirke.

Dem Westerwald aber möchte man wünschen, daß er vielen anderen erschlossen werde mit seiner eigenartigen Schönheit; denn ich weiß es: ein einziger Wanderer war ich auf der weiten Höhe – durch Tage hin. Ein Maler saß irgendwo an einem Tümpel, wo eine alte und zerfallene Hütte mit einem großen, dunklen Strohdach – verloren unter einer verlassenen Tanne – in der melancholischen Landschaft schlief.


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