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Den Spuren Goethes nachzugehen, seine Wege und Ziele zu erforschen und die Ergebnisse festzustellen, die seine Berührungen mit der Umwelt ihm erwarben, ist uns ein Bedürfnis. Denn wer nach Bildung strebt, wer seine Zeit und Vorzeit kennenlernen möchte, der kann schwerlich von dem Manne absehen, dessen Wirkungen auf fast allen Gebieten des Denkens und Wissens erkennbar sind. So ist uns auch der Ausschnitt »Goethe in Nassau« von Wert: zeigt er uns doch scharf umrissen den Dichter und den Gelehrten in Jugend und Alter und gleichsam in seinem Aus- und Einatmen, indem er uns seine Auffassung der ihn umgebenden Menschen und Gegenden, und dann seine Gegenwirkung auf sie, nämlich sein Schaffen und seine Durchleuchtung des Begegnenden, veranschaulicht. Fassen wir dabei den Begriff »Nassau« nicht gar zu eng und erlauben uns einige Überschreitungen der politischen Grenzen des Landes, die ja übrigens nicht mit den bei weitem wichtigeren Volks- und Gesellschaftsgrenzen zusammenfallen, so wird unser Thema nicht unwesentlich an Ergiebigkeit gewinnen.
Sein Leben lang ist Goethe, dem Sinne nach, ein Nassauer geblieben. Zwar ist ja Frankfurt seine Geburtsstadt, aber um Frankfurts Mauern, in der Frankfurter Ebene, weht die Luft des Rheingaues, und trotz der 57 Jahre, die Goethe in Weimar verbrachte, hat er nicht aufgehört, ein Frankfurter zu sein, obgleich er, zu gegebener Zeit, sich nicht entschließen konnte, als Ratsherr in die Heimat zurückzukehren. Die plastischen Schilderungen in »Dichtung und Wahrheit« zeigen ihn uns ja schon als Knaben und Jüngling im vollen Behagen des freien, breit dahinlebenden, seiner milden und bequemen Zustände frohen Reichstädters, dessen Lebensauffassung durch das sanfte Stadtregiment, die allgemeine Wohlhäbigkeit, die übersichtlichen Verhältnisse, auch durch das angenehme Klima günstig beeinflußt wurde, und der selbst im hohen Alter die Stimmung seiner Jugend nicht vergaß. Stand er doch auch als Sohn eines angesehenen, ganz unabhängigen Mannes und als Enkel des Stadtschultheißen (allerdings ja auch ausgezeichnet durch seine mit außerordentlichen Gaben ausgestattete Eigenart) auf der Höhe der bürgerlichen Gesellschaft und verfügte über alles, was deren oberste Schichten ihm bieten konnten; sein Gesichtskreis umfaßte und durchdrang allmählich das ganze Gemeinwesen, und er fühlte sich darin heimisch, bis er, die Flügel mächtig entfaltend, ihm entwuchs und entflog. Heimisch wurde er nicht minder, gleichsam mit Mainwasser getauft, hinauf und hinab an den Ufern dieses lieblichen Flusses. Wie er von seiner Arbeitstube aus weithin über Gärten und Gelände blickte, so eignete er sich auch wandernd und zeichnend die näheren und ferneren Umgebungen der Stadt an und stärkte mit Vollbewußtsein sein Heimatgefühl. Als er dann später, mit 26 Jahren, nach Weimar verpflanzt wurde, blieb er auch als Fürstendiener der unbefangene, selbständige Republikaner; und als Ordner der damals noch so kleinlichen Verhältnisse Thüringens war er keineswegs ein bureaukratischer Beamter, sondern bei aller Sachlichkeit ein die Menschen mit rheinländischer Leichtigkeit behandelnder Genius voll Schwung und Lebensfrische, der seine amtlichen Pflichten mit dem Schaffen eines unendlich reichen Innenlebens, das ihm hohe Freuden und tiefe Schmerzen brachte, zu verbinden wußte.
Wenn nun die Frankfurter Knabenjahre Goethes von rheinischer Sonne bestrahlt wurden, so leuchtete ihm dieselbe Sonne in dem ebenfalls rheinischen Elsaß, in Straßburg, wohin er nach der Leipziger Studentenzeit, im Frühjahr 1770, kam und wo er im Verkehr mit mancherlei lieben Menschen sich in oberdeutsches Wesen einfühlte. Und kurz darauf, 1772, gelangte er als junger Jurist und Doktor an die Lahn, den nassauischen Fluß, nämlich nach Wetzlar, wo er am Reichsgericht die verzweifelten Zustände der damaligen deutschen Rechtspflege kennenlernte. Diese Beschäftigung beherrschte ihn aber nicht ganz, vielmehr durchkämpfte er in seiner Freundschaft und Liebe zu Lotte Buff während eines leidenschaftlich bewegten Sommers alle Seligkeiten und Herzensnöte, die dann in den »Leiden des jungen Werthers« Gestalt gewinnen sollten. Solche Erlebnisse verbinden aufs innigste das Gemüt mit den Stätten, an denen sie sich vollzogen; und so wissen wir, daß Wetzlar, wie Straßburg, für Goethe bedeutend wurde und blieb. Wir finden dafür ein ausdrückliches Zeugnis in »Dichtung und Wahrheit«: »Der Vorsatz, meine innere Natur gewähren und die äußere nach ihren Eigenschaften auf mich einwirken zu lassen,« sagt Goethe daselbst, »trieb mich an das wunderliche Element, in welchem »Werther« ersonnen und geschrieben ist. Dadurch entstand eine wundersame Verwandtschaft mit den einzelnen Gegenständen der Natur und ein inniges Anklingen, ein Mitstimmen ins Ganze, und der malerische Blick gesellte sich zu dem dichterischen, die schöne ländliche, durch den freundlichen Fluß belebte Landschaft vermehrte meine Neigung zur Einsamkeit und begünstigte meine stillen Betrachtungen.«
Goethe verließ Wetzlar im Spätsommer 1772 und wanderte die Lahn entlang dem Rheine zu, vor Lotte fliehend und dennoch ihr Bild im Herzen. Wieviel Erregungen und Eindrücke bestürmten damals und wenig später sein Herz und seinen Sinn in diesem Weltwinkel! In einem Zustande, in welchem uns die Gegenwart der stumm-lebendigen Natur so wohltätig ist, schwelgte er »in Betrachtung der Nähen und Fernen, der bebuschten Felsen, der sonnigen Wipfel, der feuchten Gründe, der thronenden Schlösser und der aus der Ferne lockenden Bergreihen«. Wohl oberhalb von Weilburg, vermutlich bei Löhnberg, kam er, am rechten Ufer der Lahn, an einen Punkt, wo der Fluß in einiger Entfernung, von reichem Weidengebüsch zum Teil verdeckt, im Sonnenlichte hinglitt. Da stieg in ihm der alte Wunsch wieder auf, solche Gegenstände würdig nachahmen zu können, das heißt also, ein bildender Künstler zu werden. Zufällig hatte er ein schönes Taschenmesser in der linken Hand, und in dem Augenblick trat aus dem tiefen Grunde seiner Seele gleichsam befehlshaberisch hervor: er sollte dies Messer ungesäumt in den Fluß schleudern. Sähe er es hineinfallen, so würde sein künstlerischer Wunsch erfüllt werden; würde aber das Eintauchen des Messers und Bemühung fahren lassen. Ohne auf die Brauchbarkeit des Messers zu sehen, das gar manche Gerätschaften in sich vereinigte, schleuderte er es gewaltsam nach dem Flusse hin. Aber auch hier mußte er die trügliche Zweideutigkeit der Orakel erfahren! Des Messers Eintauchen in den Fluß wurde ihm durch die letzten Weidenzweige verborgen, aber das dem Sturz entgegenwirkende Wasser sprang wie eine starke Fontäne in die Höhe und war ihm vollkommen sichtbar. Er legte diese Erscheinung nicht zu seinen Gunsten aus, und der durch sie in ihm erregte Zweifel war in der Folge schuld, daß er die Übungen im Zeichnen und Malen unterbrochener und fahrlässiger anstellte und dadurch selbst den Anlaß gab, daß die Deutung des Orakels sich erfüllte. Verstimmt ging er an Weilburg, Limburg, Diez und Nassau vorbei, genoß in Ems »einige Tage des sanften Bades«, und fuhr sodann auf einem Kahn den Fluß hinabwärts. Da eröffnete sich ihm der alte Rhein! Die schöne Lage von Oberlahnstein entzückte ihn – über alles aber herrlich und majestätisch erschien ihm Schloß Ehrenbreitstein, welches in seiner Kraft und Macht vollkommen gerüstet dastand. Dort kehrte er zunächst ein.
Es kann uns nicht wundern, daß Goethe das kleine Abenteuer mit dem Messer so ausführlich erzählt: stand doch die ganze Reise unter dem Zeichen zarter Empfindsamkeit. Sein Herz blutete noch von dem Abschied aus Wetzlar. Das Leben daselbst in Gemeinschaft mit Lotte und deren Bräutigam Kestner war ihm wie ein Fest gewesen, der ganze Kalender hätte rot gedruckt werden müssen; man hatte gemeinsam in Haus und Garten gearbeitet, gemeinsam die Natur genossen, und zu der echt deutschen Idylle hatte das fruchtbare Land die Prosa und eine reine Neigung die Poesie gegeben. Goethe hatte sich sorglos gehen lassen, war aber bald eingesponnen und »kannte sich selbst nicht mehr« – dieser Zustand war gewaltsam beendigt worden, und der Schmerz begleitete den Liebenden lahnabwärts, obgleich er die Laune fand, in Gießen mit dem Professor Höpfner eine lustige Komödie zu spielen. In Ehrenbreitstein aber wurde er Gast bei dem Geheimrat Laroche, dessen Gattin, die berühmte Schriftstellerin Sophie, den Mittelpunkt eines Kreises von angeregten Menschen bildete. Goethe hielt sich zu den Töchtern des Hauses und wurde von Maximiliane besonders angezogen. »Es ist eine sehr angenehme Empfindung,« sagt er, »wenn sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist. So sieht man bei untergehender Sonne gern auf der entgegengesetzten Seite den Mond aufgehen und erfreut sich an dem Doppelglanze der beiden Himmelslichter.«
Nach Frankfurt zurückgekehrt schrieb Goethe den »Werther« und hauchte ihm alle Glut ein, welche keine Unterscheidung zwischen dem Dichterischen und der Wirklichkeit zuläßt. Die Briefe an und von Lotte und Kestner, die Gestalt der »Maxe«, das traurige Schicksal des jungen Jerusalem, der sich in Wetzlar erschossen hatte, weil er dem Leben nicht gewachsen war, dies alles gab ihm den Stoff zu einem Buch, das durch sein Erscheinen eine Krankheit der Zeit, den verderblichen Gefühlskultus, keineswegs erregte, aber aufdeckte – und in Nassau wurzelnd die ganze Welt durchzog.
Und zwei Jahre später war Goethe wiederum in Ems: die Kurliste meldet unter dem 15. Juli 1774 den »Herr Dr. Goeddée aus Frankfurt«, der mit den Herren Lavater und Basedow im Nassau-Oranischen Badehause, in dem die Kränchenquelle und der Kesselbrunnen waren, wohnte. Er befand sich als Dunstschweif in der Gesellschaft der großen Propheten, des berühmten Diakonus von Zürich und des rauhen Philanthropen, der für seine Erziehungsanstalt in Dessau werben wollte. Hier war nun die Wertherstimmung verflogen – es gab lustige, ja ausgelassene Tage. Goethe tanzte und disputierte, neckte die Gesellschaft in der Maske eines Dorfgeistlichen von übertriebener Höflichkeit und machte Besuche in der Umgegend. So bei der alten Freifrau vom Stein in Nassau, der Mutter des späteren großen Politikers, und der Gräfin von Werthern: diese Dame, die nach Weimar verheiratet war, mag durch ihre Erzählungen von ihm dort den Wunsch erweckt haben, seine Bekanntschaft zu machen – so daß eine nassauische Beziehung der Anlaß zu der großen Wendung seines Schicksals nach Thüringen hin gewesen sein könnte. – Von Ems ging es zu Schiff hinunter bis Düsseldorf und langsam dann wieder stromaufwärts – es wurde viel gezeichnet und gedichtet (»Geistesgruß«, »Diné zu Coblenz«), und aus Lavaters Tagebuch erhalten wir das Augenblicksbild: Im Kahn. Goethe, in romantischer Gestalt, grauem Hut, braunseidenem Halstuch, grauem Kapottkragen, verzehrt sein Butterbrot wie ein Wolf und sieht sich nach dem übrigen eingepackten Essen schon weiter um.
Jahrzehnte vergehen nun, bis der inzwischen nach Weimar Übersiedelte und an Reisen nach Osten, in die böhmischen Bäder, Gewöhnte den Weg in den Westen wiederfindet; vermied er doch sogar, als er 1788 aus Italien heimkehrte, die Vaterstadt, die so leicht ihm am Wege hätte liegen können – es scheint, als habe er sich gescheut, zu tiefe Empfindungen, die sich an jene Gegenden knüpften, von neuem aufzuregen. Erst 1792 berührte er wieder den Rhein, aber nicht wie früher fuhr er ihn entlang, die alten Schlösser und ihre Heldengeister begrüßend, sondern er kreuzte ihn nur, um sich der verhängnisvollen reichsdeutschen Campagne gegen Frankreich anzuschließen. Ermattet an Leib und Seele kehrte er nach dem schmählichen Zusammenbruche des Feldzugs heim, doch fehlte es ihm weder an Kraft noch an Wut, um auch im folgenden Jahre, 1793, seinen Herzog ins Feld zu begleiten. Diesmal galt es, Mainz zu belagern und zu erobern – eine langwierige Aufgabe, die Goethe sich durch allerlei Studien verkürzte. Nach der Einnahme der Stadt besuchte er Frankfurt, wo er seine Mutter zum letzten Male sehen sollte.
In höherem Grade bewußt und die Heimat als solche, das heißt ihre kulturelle Eigenart studierend und ihre Erscheinungen einordnend, beschäftigte Goethe sich mit Nassau in den Jahren 1814 und 1815, als er, veranlaßt durch den Gebrauch der Wiesbadener Kur, dieser Gegend um ihrer selbst willen sein volles Interesse zuwandte, wovon er zunächst in einer Aufsatzsammlung »Aus einer Reise am Rhein, Main und Neckar« Zeugnis ablegte.
Im Jahre 1814 verwandte Goethe drei, im Jahre 1815 gar viereinhalb Monate auf seinen Aufenthalt in Nassau. Die Kur selbst, bei der außer den Wiesbadener Quellen auch das Schwalbacher Wasser und die jetzt fast vergessene Weilbacher Schwefelquelle benutzt wurden, beanspruchte allerdings nicht viel Zeit – Goethe tat sie so nebenbei ab und genoß vielmehr mit vollen Zügen die Herrlichkeit des üppig prangenden Landes, durchforschte mit Nachdruck den Reichtum seines Bodens und seiner Geschichte, sammelte Eindrücke von der einheimischen Kunst und Kultur, nutzte den anregenden Verkehr mit erlesenen Personen und gab sich Rechenschaft von den organisch waltenden Kräften dieser gesegneten Gaue. – Zunächst wohnte er im »Adler«, dann im »Bären«; der getreue Zelter, sein Freund aus Berlin, ist sein Begleiter. Schon der erste Spaziergang führt zu der sinnenden Betrachtung der römischen Ruinen in der Stadt, dann zu mineralogischen Beobachtungen in einem Steinbruche, wie denn solche naturwissenschaftlichen Untersuchungen bei Goethe auf Reisen stets im Vordergrunde stehen. Bald wächst der Verkehr um ihn her und, wie überall, wird er der Mittelpunkt eines geistreichen Kreises. Aus Frankfurt erscheinen Gäste, auch Wiesbadener Herren, Fachleute von Interesse, werden herangezogen. Oberbergrat Cramer berichtet über nassauische Eisenstufen, Bibliothekar Hundeshagen über rheinische Altertümer und die Schätze seiner Bücherei; der Pädagog de Laspée, ein Schüler Pestalozzis, gibt Auskunft über sein Gebiet. Die Beziehungen zu dem fürstlich nassauischen Hofe in der Sommerresidenz Biebrich ergänzen diese mannigfaltige Gesellschaft.
Aber auch weiter im Lande will Goethe sich umsehen. So taucht plötzlich der Gedanke auf, mit Zelter und Cramer für drei Tage nach Rüdesheim zu fahren, um das St.-Rochus-Fest mitzufeiern: der herrliche Aufsatz darüber gibt uns über diesen Ausflug ausführlichste Kunde. Und weiter ging es, in allen Richtungen, durch das Ländchen. Goethe vertiefte sich in seine Schicksale und Zustände, suchte das lebendig Wirkende, das ihm ja überall das Wesentliche und von höchster Bedeutung war, aus der Summe der Erscheinungen heraus zu erkennen und beleuchtete, von der Höhe eines weitschauenden Standpunktes aus, mit dem Zauberlichte seines Geistes alle Verhältnisse. Noch einmal bestieg er auch den Rochusberg: damals mag er den Plan gefaßt haben, für das Wallfahrtskirchlein auf ihm das Altarbild zu stiften, das später nach seiner Erfindung ausgeführt wurde. Der letzte dieser Ausflüge galt dem düsteren Weidicht bei Winkel, in dem Carolina von Günderode, die Freundin der Bettina Brentano, nicht lange vorher ihrem Leben ein Ende gemacht hatte. Aber von dem tragischen Eindrucke befreite sich Goethe wieder, indem er alsbald nach den Gewerben des Landes, insbesondere nach dem Weinbau, sich erkundigte. Übrigens beschäftigte er sich auch mit der Erhaltung der Kunstwerke, die in Klöstern und Städten verstreut waren, und suchte zur Gründung von Vereinen zu diesem Zweck und von Museen anzuregen.
Und auch 1815, gelegentlich des zweiten Besuches von Wiesbaden, durchstreifte Goethe das geliebte Nassau, hauptsächlich der Betrachtung der Schiefergruben, der Eisen-, Silber- und Bleibergwerke, der Hüttenanlagen und der geologischen Phänomene hingegeben. So mit der genauesten Kenntnis des Landes ausgerüstet, gelangte er nach der Stadt Nassau, wo er den Freiherrn vom Stein, wie 40 Jahre vorher dessen Mutter, besuchte. Mit ihm befuhr er in einem Kahne die Lahn und den Rhein, zum letzten Male die Schönheit des Stromes in sich aufnehmend. Was schuldete er alles dem herrlichen Rhein – und wie reichlich hat er solche Schuld wieder eingelöst!
Von Wiesbaden ging Goethe dann nach Frankfurt, und zwar auf die Gerbermühle bei Oberrad, wohin ihn die Freundschaft mit dem Geheimrat Willemer und die Liebe zu dessen junger Frau Marianne zog. Aus dieser Liebe erwuchs ihm ein spätes Glück, eine tiefe, aber beiderseits beherrschte Leidenschaft, die ihn zu ungeahnten Höhen dichterischen Schaffens und rein menschlichen Empfindens erhob. Die unsterblichen Lieder des »Westöstlichen Divans« waren die letzte Gabe, die die alte Heimat ihrem größten Sohne gewährte. Nach diesem Erlebnis hat Goethe nicht wieder in Nassau geweilt.