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Wilhelm der Erste, Prinz von Oranien, stammte aus dem deutschen Fürstenhause Nassau, welches schon acht Jahrhunderte geblüht, mit dem österreichischen eine Zeitlang um den Vorzug gerungen, und dem deutschen Reiche einen Kaiser gegeben hatte. Außer verschiedenen reichen Ländereien in den Niederlanden, die ihn zu einem Bürger dieses Staats und einem geborenen Vasallen Spaniens machten, besaß er in Frankreich noch das unabhängige Fürstentum Oranien. Wilhelm ward im Jahr 1533 zu Dillenburg, in der Grafschaft Nassau, von einer Gräfin Stolberg geboren. Sein Vater, der Graf von Nassau, desselben Namens, hatte die protestantische Religion angenommen, worin er auch seinen Sohn erziehen ließ; Karl der Fünfte aber, der dem Knaben schon frühzeitig wohlwollte, nahm ihn sehr jung an seinen Hof und ließ ihn in der römischen aufwachsen. Dieser Monarch, der in dem Kinde den künftigen großen Mann schon erkannte, behielt ihn neun Jahre um seine Person, würdigte ihn seines eigenen Unterrichts in Regierungsgeschäften und ehrte ihn durch ein Vertrauen, welches über seine Jahre ging; ihm allein war es erlaubt, um den Kaiser zu bleiben, wenn er fremden Gesandten Audienz gab – ein Beweis, daß er als Knabe schon angefangen haben mußte, den ruhmvollen Beinamen des Verschwiegenen zu verdienen. Der Kaiser errötete sogar nicht, einmal öffentlich zu gestehen, daß dieser junge Mensch ihm öfters Anschläge gebe, die seiner eigenen Klugheit würden entgangen sein. Welche Erwartungen konnte man nicht von dem Geist eines Mannes hegen, der in einer solchen Schule gebildet war!
Wilhelm war dreiundzwanzig Jahre alt, als Karl die Regierung niederlegte, und hatte schon zwei öffentliche Beweise der höchsten Achtung von ihm erhalten. Ihm übertrug er, mit Ausschließung aller Großen seines Hofes, das ehrenvolle Amt, seinem Bruder Ferdinand die Kaiserkrone zu überbringen. Als der Herzog von Savoyen, der die kaiserliche Armee in den Niederlanden kommandierte, von seinen eigenen Landesangelegenheiten nach Italien abgerufen ward, vertraute der Kaiser ihm den Oberbefehl über diese Truppen an, gegen die Vorstellungen seines ganzen Kriegsrats, denen es allzu gewagt schien, dem erfahrnen französischen Feldherrn einen Jüngling entgegenzusetzen. Abwesend und von niemand empfohlen, zog ihn der Monarch der lorbeervollen Schar seiner Helden vor, und der Ausgang ließ seine Wahl nicht bereuen.
Die vorzügliche Gunst, in welcher dieser Prinz bei dem Vater gestanden hatte, wäre allein schon ein wichtiger Grund gewesen, ihn von dem Vertrauen seines Sohnes auszuschließen. Philipp scheint es, hatte es sich zum Gesetz gemacht, den spanischen Adel an dem niederländischen wegen des Vorzugs zu rächen, wodurch Karl der Fünfte diesen letztern stets unterschieden hatte. Aber wichtiger waren die geheimen Beweggründe, die ihn von dem Prinzen entfernten. Wilhelm von Oranien gehörte zu den hagern und blassen Menschen, wie Cäsar sie nennt, die des Nachts nicht schlafen und zu viel denken, vor denen das furchtloseste aller Gemüter gewankt hat. Die stille Ruhe eines immer gleichen Gesichts verbarg eine geschäftige feurige Seele, die auch die Hülle, hinter welcher sie schuf, nicht bewegte, und der List und der Liebe gleich unbetretbar war; einen vielfachen, fruchtbaren, nie ermüdenden Geist, weich und bildsam genug, augenblicklich in alle Formen zu schmelzen; bewährt genug, in keiner sich selbst zu verlieren; stark genug, jeden Glückswechsel zu ertragen. Menschen zu durchschauen und Herzen zu gewinnen, war kein größerer Meister, als Wilhelm. So langsam sein Geist gebar, so vollendet waren seine Früchte; so spät sein Entschluß reifte, so standhaft und unerschütterlich ward er vollstreckt. Den Plan, dem er einmal als dem ersten gehuldigt hatte, konnte kein Widerstand ermüden, keine Zufälle zerstören, denn alle hatten, noch ehe sie wirklich eintraten, vor seiner Seele gestanden. So sehr sein Gemüt über Schrecken und Freude erhaben war, so unterworfen war es der Furcht; aber seine Furcht war früher da, als die Gefahr, und er war ruhig im Tumult, weil er in der Ruhe gezittert hatte. Wilhelm zerstreute sein Geld mit Verschwendung, aber er geizte mit Sekunden. Die Stunde der Tafel war seine einzige Feierstunde, aber diese gehörte seinem Herzen auch ganz, seiner Familie und der Freundschaft; ein bescheidener Abzug, den er dem Vaterland machte. Hier verklärte sich seine Stirn beim Wein, den ihm fröhlicher Mut und Enthaltsamkeit würzten, und die ernste Sorge durfte hier die Jovialität seines Geistes nicht umwölken. Sein Hauswesen war prächtig; der Glanz einer zahlreichen Dienerschaft, die Menge und das Ansehen derer, die seine Person umgaben, machten seinen Wohnsitz einem souveränen Fürstenhofe gleich. Eine glänzende Gastfreiheit, das große Zaubermittel der Demagogen, war die Göttin seines Palastes. Fremde Prinzen und Gesandten fanden hier eine Aufnahme und Bewirtung, die alles übertraf, was das üppige Belgien ihnen anbieten konnte. Eine demütige Unterwürfigkeit gegen die Regierung kaufte den Tadel und Verdacht wieder ab, den dieser Aufwand auf seine Absichten werfen konnte. Aber diese Verschwendungen unterhielten den Glanz seines Namens bei dem Volke, dem nichts mehr schmeichelt, als die Schätze des Vaterlandes vor Fremden ausgestellt zu sehen, und der hohe Gipfel des Glücks, worauf er gesehen wurde, erhöhte den Wert der Leutseligkeit, zu der er herabstieg. Niemand war wohl mehr zum Führer einer Verschwörung geboren, als Wilhelm der Verschwiegene. Ein durchdringender fester Blick in die vergangene Zeit, die Gegenwart und in die Zukunft, schnelle Besitznehmung der Gelegenheit, eine Obergewalt über alle Geister, ungeheure Entwürfe, die nur dem weit entlegenen Betrachter Gestalt und Ebenmaß zeigen, kühne Berechnungen, die an der langen Kette der Zukunft hinunterspinnen, standen unter der Aufsicht einer erleuchteten und freieren Tugend, die mit festem Tritte auch auf der Grenze noch wandelt.
Ein Mensch, wie dieser, konnte seinem ganzen Zeitalter undurchdringlich bleiben, aber nicht dem größten Kenner der Gemüter, dem mißtrauischsten Geist seines Jahrhunderts. Philipp der Zweite schaute schnell und tief in seinen Charakter, der, unter den gutartigen, seinem eigenen am ähnlichsten war. Hätte er ihn nicht so vollkommen durchschaut, so wäre es unerklärbar, wie er einem Menschen sein Vertrauen nicht geschenkt haben sollte, in welchem sich beinahe alle Eigenschaften vereinigten, die er am höchsten schätzte und am besten würdigen konnte. Aber Wilhelm hatte noch einen anderen Berührungspunkt mit Philipp dem Zweiten, welcher wichtiger war. Er hatte seine Staatskunst bei demselben Meister gelernt und war, wie zu fürchten stand, ein fähigerer Schüler gewesen. Nicht, weil er den Fürsten des Machiavell zu seinem Studium gemacht, sondern weil er den lebendigen Unterricht eines Monarchen genossen hatte, der jenen in Ausübung brachte, war er mit den gefährlichen Künsten bekannt geworden, durch welche Throne fallen und steigen. Philipp hatte hier mit einem Gegner zu tun, der auf seine Staatskunst gerüstet war, und dem bei einer guten Sache auch die Hilfsmittel der schlimmen zu Gebote standen. Und eben dieser letztere Umstand erklärt uns, warum er unter allen gleichzeitigen Sterblichen diesen am unversöhnlichsten haßte und so unnatürlich fürchtete.
Den Argwohn, welchen man bereits gegen den Prinzen gefaßt hatte, vermehrte die zweideutige Meinung von seiner Religion. Wilhelm glaubte an den Papst, solange der Kaiser, sein Wohltäter, lebte; aber man fürchtete mit Grund, daß ihn die Vorliebe, die seinem jungen Herzen für die verbesserte Lehre gegeben worden, nie ganz verlassen habe. Welche Kirche er auch in gewissen Perioden seines Lebens mag vorgezogen haben, so hätte sich jede damit beruhigen können, daß ihn keine einzige ganz gehabt hat. Wir sehen ihn in späteren Jahren beinahe mit ebenso wenigem Bedenken zum Kalvinismus übergehen, als er in früher Kindheit die lutherische Religion für die römische verließ. Gegen die spanische Tyrannei verteidigte er mehr die Menschenrechte der Protestanten, als ihre Meinungen; nicht ihr Glaube, ihre Leiden hatten ihn zu ihrem Bruder gemacht.
Diese allgemeinen Gründe des Mißtrauens schienen durch eine Entdeckung gerechtfertigt zu werden, welche der Zufall über seine wahren Gesinnungen darbot. Wilhelm war als Geißel des Friedens von Chateau-Cambresis, an dessen Stiftung er mitgearbeitet hatte, in Frankreich zurückgeblieben, und hatte durch die Unvorsichtigkeit Heinrichs des Zweiten, der mit einem Vertrauten des Königs von Spanien zu sprechen glaubte, einen heimlichen Anschlag erfahren, den der französische Hof mit dem spanischen gegen die Protestanten beider Reiche entwarf. Diese wichtige Entdeckung eilte der Prinz seinen Freunden in Brüssel, die sie so nahe anging, mitzuteilen, und die Briefe, die er darüber wechselte, fielen unglücklicherweise dem König von Spanien in die Hände. Philipp wurde von diesem entscheidenden Aufschlusse über Wilhelms Gesinnung weniger überrascht, als über die Zerstörung seines Anschlags entrüstet; aber die spanischen Großen, die dem Prinzen jenen Augenblick noch nicht vergessen hatten, wo der größte der Kaiser im letzten Akte seines Lebens auf seinen Schultern ruhete, versäumten diese günstige Gelegenheit nicht, den Verräter eines Staatsgeheimnisses endlich ganz in der guten Meinung ihres Königs zu stürzen.
Nicht minder edeln Stammes, als Wilhelm, war Lamoral, Graf von Egmont. Die Schlachten bei St. Quentin und Gravelingen machten ihn zum Helden seines Jahrhunderts. Egmont vereinigte alle Vorzüge, die den Helden bilden; er war ein besserer Soldat, als Oranien, aber als Staatsmann tief unter ihm; dieser sah die Welt wie sie wirklich war, Egmont in dem magischen Spiegel einer verschönernden Phantasie.
Menschen, die das Glück mit einem Lohn überraschte, zu welchen sie keinen natürlichen Grund in ihren Handlungen finden, werden sehr leicht versucht, den notwendigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung überhaupt zu verlernen, und in die natürliche Folge der Dinge jene höhere Wunderkraft einzuschalten, der sie endlich tolldreist, wie Cäsar seinem Glücke, vertrauen. Von diesen Menschen war Egmont.
Wilhelm von Oranien brach mit dem Thron, weil die willkürliche Gewalt seinen Stolz empörte; Egmont war eitel, darum legte er einen Wert auf Monarchengnade. Jener war ein Bürger der Welt, Egmont ist nie mehr als ein Fläminger gewesen.
Philipp der Zweite stand noch in der Schuld des Siegers bei St. Quentin, und die Oberstatthalterschaft der Niederlande schien die einzig würdige Belohnung so glänzender Verdienste zu sein. Geburt und Ansehen, die Stimme der Nation und persönliche Fähigkeiten sprachen so laut für Egmont als für Oranien, und wenn dieser übergangen wurde, so konnte jener allein ihn verdrängt haben.
Zwei Mitbewerber von so gleichem Verdienste hätten Philipp bei seiner Wahl verlegen machen können, wenn es ihm je in den Sinn gekommen wäre, sich für einen von beiden zu bestimmen. Aber eben die Vorzüge, mit welchen sie ihr Recht darauf unterstützten, waren es, was sie ausschloß; und gerade durch diese feurigen Wünsche der Nation für ihre Erhebung hatten sie ihre Ansprüche auf diesen Posten unwiderruflich verwirkt. Philipp konnte in den Niederlanden keinen Statthalter brauchen, dem der gute Wille und die Kraft des Volks zu Gebote stand.
Die fehlgeschlagene Erwartung der Regentschaft benahm dem Prinzen von Oranien die Hoffnung noch nicht ganz, seinen Einfluß in den Niederlanden noch fester zu gründen. Unter den übrigen, welche zu diesem Amte in Vorschlag gebracht wurden, war auch Christina, Herzogin von Lothringen und Muhme des Königs, die sich als Vermittlerin des Friedens von Chateau-Cambresis ein glänzendes Verdienst um die Krone erworben hatte. Wilhelm hatte Absichten auf ihre Tochter, die er durch eine tätige Verwendung für die Mutter zu befördern hoffte; aber er überlegte nicht, daß er eben dadurch ihre Sache verdarb. Die Herzogin Christina wurde verworfen, nicht sowohl, wie es hieß, weil die Abhängigkeit ihrer Länder von Frankreich sie dem spanischen Hofe verdächtig machte, als vielmehr deswegen, weil sie dem niederländischen Volk und dem Prinzen von Oranien willkommen war.