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s. Bildunterschrift

W. Mulot, Diez a. d. Lahn.

Das verklungene Lied

Von Albert Henche

Wo heute die Berge auseinanderrücken und der Wald den Weg freigibt ins Augster Tal, liegt versteckt und dem Fremden verborgen ein Trümmerfeld im Dickicht. Noch ruhen die Erdmauern kleiner Häuser im waldigen Grund, und mag sein, daß du Steine findest, an denen noch Mörtel klebt aus alter Zeit.

Dort lag ein Bergmannsdorf, Klingelbach geheißen; und die Sage weiß kaum seine Geschichte und sein Geschick.

Die Greuel des Mordes und der Plünderung Werwolf stiegen über den Klopp und rasten im Klingeltal der Bergleute. Fremde Wegelagerer und Marodeure waren von den großen Heerstraßen in die Lahnberge geflohen; eidbrüchige Gesellen brandschatzten, wo ihre Laune und tierische Roheit Opfer und Schwäche fand. Das arme Bergmannsdorf blieb ohne Schutz, und die verrohten Horden des Krieges, den Tilly durch Nassau sich austoben ließ, während er in Schwalbach die Glieder im Stahlwasser erfrischte, hausten in den Lahnbergen schlimmer als anderswo. Kemmenau schmolz auf drei Familien zusammen, und Klingelbach sah sein Geschick in Raub und Tod sich blutig vollenden.

Die Schweden hatten sich blutige Köpfe geholt gegen die Kaiserlichen am Main und flohen kopfüber nach Norden. Die Kroaten Tillys waren ausersehen, ihnen das Fersengeld auszuzahlen, und eines Abends, als die Bergleute eben zur Nachtschicht eingefahren waren, kam eine Rotte dieser wüsten Kerle in das friedliche Tal. Ihre Rosse stampften vor Hunger, und den Reitern rumpelte der Bauch nach scharfem Ritt. Aber sie fanden keinen freundlichen Empfang; denn die Not der Zeit hatte die Verbitterung und Wut der Dörfler endlich zur Verzweiflung gestachelt, und die Klingelbacher waren nicht gewillt, ihr Schicksal stumpf zu erdulden. Die Weiber flohen in die Wälder und alarmierten die Schächte.

Und aus der Erde stiegen die Häuer, Schlägel und Spitzhacke in nerviger Faust. Und zäunten einen Platz im Wald, machten die Schanzen aus Stein, und Holz der Stollen und bauten ein wild Quartier für ihres Leibes Notdurft, während die Kroaten Haus um Haus in Asche legten. So lagerten die Knappen wie die Tiere im Eichforst, während ihre Heimat versank. Monate gingen ins Land, und die Bergleute hatten Gruben gegraben und in den alten Gängen der Erde Ausgang und Hilfe gewonnen. Eines Tages stießen sie weit vor im unterirdischen Stollen, und als einer den Schleichweg zum Licht fand, sah er, daß sie bis zur Martinskirche vorgedrungen waren. Da beschlossen sie, den Gang unter das Gotteshaus zu führen und hier das Ende der Not zu erwarten ...

Die Kroaten ließen sich 's wohl sein in den Hütten der Bergleute und kümmerten sich erst ernstlich um die Waldmenschen in ihrem Verhau, als die letzte Ziege geschlachtet und das letzte Tuch zerrissen war. Da gedachten sie, neue Beute zu gewinnen.

Und kletterten auf das Gebück.

Es war verlassen, und vorsichtig krochen die Söhne des Mordes heran. Da kam ein Klingen aus der Erde, wie wenn die Wurzeln der Bäume Saiten seien, und die Adern der Gesteine Perlschnüre der Töne. Und ferne Stimmen strebten aus dem Boden, und die Erde tönte mit in geheimnisvollem Gesang.

Scheu flohen die wilden Söhne des Mordes.

Als die Bergleute auf dem unterirdischen Gang aus der Kirche heimkehrten in ihr Waldversteck, meldeten ihre Späher den Abzug der Feinde in Hast und Angst.

Aber in den Trümmern war keine Wohnung mehr, und kein Feuer wurde mehr hier entzündet.

Der Wald nahm sein altes Recht wieder auf an dem Boden, und die Menschen meiden noch immer die verlassene Stätte des Grauens.


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