Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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50. Zwiegespräch V

»Bleib, liebe Hexe! Es ist noch zu heiß . . .«

»»Wohin gehen sie?««

»Nach Rom, zum heiligen Vater. Der soll sie von ihrem Gelübde lossprechen.«

»»Das wird auch das Beste sein . . . Es liegt kein Segen auf unserer Reise! Nicht einmal das Küssen schmeckt mehr.««

»Siehst du! Man kann eben alles übertreiben!«

»»Mein Leib ist ausgebrannt wie dieses Land. Es ist so dürr und trocken gleich einer Wüste. Und doch sind wir noch lange nicht in Palästina.««

»Aber daß Golgatha überall sein kann, das fangen wir an zu begreifen. Oder nicht?«

»»Ich glaube: ich noch mehr als du . . . Die ganze Welt ist mir verleidet! Und das Grab Christi mag bleiben, wo und wie es ist.««

»O wenn wir jetzt unter schönen, dunklen Tannen liegen könnten und aus einem kühlen Quell trinken! Eine Wallfahrt dorthin würde mir besser gefallen als zu den Heiden.«

»»Mir auch. – Und wenn vor diesem Wald ein Häuschen stünde an einer blühenden Wiesenhalde; und es gehörte 430 mir – Statt dessen liegen wir neben diesem alten Gemäuer an der Straße, das in der weiten Ebene den einzigen Schatten wirft . . . Aber wer hindert uns denn, daß wir heimkehren?««

»Recht hast du! – Und wir brauchen auch nicht den Papst, um uns loszusprechen. Wir tun's selber . . . Sieh, wie rasch man das weiße Kreuz abnimmt!«

»»Und hier ist das meine. – Aber wirf's nicht fort; steck's ein. Man kann damit die Zehen verbinden, wenn sie wund sind . . . Erlösung wäre mir jetzt, endlich an einem Orte bleiben zu dürfen.««

»Ach, da sind diese lästigen Mücken wieder! Da würd' ich mir schon einen angenehmern Ort aussuchen . . . Und dort geht die Sonne unter, wie sie in diesem Lande immer untergeht: ein kupferroter Ball in einem grünen Luftsee . . . So! Jetzt könnten wir wohl weiterwandern. Aber wohin? Wirklich umkehren und heim nach Norden? – Ich bin so zerschlagen, daß ich am liebsten gleich hier übernachte . . .«

»»Du sprichst einmal komisch! Wo sollen wir denn heute noch hinrennen. Ich danke nachgerade für Nachtmärsche; überhaupt für alle Märsche . . . Jonas: Weißt du, was ich glaube? Ich bekomme ein Kind . . . – Ja, ja, starr mich nur an! Oder dann habe ich sonst das Fieber . . . Bald ist mir heiß, bald kalt – ein Schauder nach dem andern läuft mir über den Rücken . . .«

»Mir geht es nicht besser. Aber ich dachte, das kommt von dem ewigen Wandern in der Sonne. Und ein abscheuliches Kopfweh hab' ich auch seit gestern . . . Am liebsten möchte ich auf der Stelle einschlafen und nicht mehr erwachen . . .«

»»Die Aussicht auf Nachkommenschaft scheint dir keinen großen Eindruck gemacht zu haben . . . – O Gott, ist das kalt; kaum daß die Sonne weg ist . . . Aber weit und breit kein Haus, 431 wo man um Unterkunft fragen könnte! Nur dieses verdorrte Gras am Straßenbord . . .«

»Du hast nicht übel den Schlotter! Aber sieh: dort ist ein Busch. Dort können wir hineinkriechen und etwas Schutz finden . . . Also, vorwärts die paar Schritte! – Himmel, was bedeutet das? Ich kann ja kaum mehr auf den Beinen stehen . . .«

»»Und mir liegt's wie Blei in den Gliedern . . . Hilf mir! Ja! So! – O, bei jedem Tritt zuckt mir's wie glühende Pfeile im Gehirn! Und das Blut kocht und saust mir in den Ohren, daß mir ganz schwindlig wird . . . Danke! Endlich!««

»Hier unter dem Geäst ist noch etwas Wärme vom Tag her . . . Leg dich ganz nahe zu mir, dann friert dich nicht mehr; dann wird dir bald wieder besser . . . Siehst du dort den Abendstern?«

»»Ich sehe nichts mehr. Ich bin krank . . . Wie elend kann der Mensch doch sein! – Mir ist alles ganz, g-a-anz gleichgültig . . . Schlafen, Liebster! Schlafen!««

»Ja, schlafen . . . Morgen können wir lange genug überlegen, was wir tun wollen. Dann sind wir ausgeruht und wieder frisch bei Kräften . . . Jetzt ist auch mir elend, hundeelend . . .«


»»Wasser! – Gib mir Wasser, Liebster! – O dieser Durst . . .««

»Auf! Auf! – Es ist ja schon lange Tag . . . Wie heiß die Sonne scheint! Und die Schwüle hier unter den Zweigen . . . – O Gott, mir sind alle Glieder zerbrochen! Die Zunge klebt mir am Gaumen . . .«

»»Liebster, so hilf mir doch! – Warum muß ich in diesem ausgetrockneten Bachbett liegen und habe immer nur einen harten Felsblock unter dem Kopf, ich kann mich wenden, wie ich will? – O, wie schmerzen mich die Steine im Rücken . . .««

432 »So sieh doch nur! Rettung! – Ziehen dort nicht Kaufleute vorbei, mit einem ganzen Zug von Maultieren? – He, Hilfe! – Hilfe! – So schrei doch auch! Mir will kein lautes Wort mehr aus der Kehle . . . He, Hilfe! – Hiiilfe! – Herbei!«

»»Was kümmert's mich, wo ich auf Christi Grab liege? . . . Und jetzt hebt sich der Deckel! Und der Herr aufersteht! . . . O! O! Wie mich sein Angesicht blendet! Wie herrlich er ist! – Aber mich wirft er zurück auf die harten Steine. Von mir will er nichts wissen . . . Sind wir dazu ins heilige Land gezogen? Ist das die Barmherzigkeit Gottes? Warum gibt er mir nichts zu trinken?««

»Gott im Himmel, alles vergebens! – Jetzt sind sie vorüber. Sie haben nichts gehört . . . Warum hast du mir nicht schreien helfen! – O, diese Hitze im Leibe! – Vielleicht, daß sie uns hören, wenn wir zusammen schreien . . . – Aber so komm doch einmal zu dir und hilf mir rufen! – Wir werden hier sterben, wenn man uns aus dieser schrecklichen Sonne nicht forthilft . . .«

»»Wasser! Wasser! – Ich bin in der Hölle, um meiner Sünden willen . . . Ich brenne. Ich bin im feurigen Busch . . . – Weißt du nicht, daß aus der Hölle keiner mehr gerettet werden kann? – Jonas! Jonas!««

»O! Wo hast du dich hingewälzt? – Warum willst du nicht auch in der Hölle bei mir sein? – Lore! Ich glaube, wir sind krank, sehr krank . . .«

»»Hier bin ich . . . Aber du, warum sehe ich dich nicht mehr?««

»Entsetzlich! Jetzt sehe ich auch nur noch rote Glut . . . – Wasser! Wasser!«

433 »»Wer bringt Wasser? – Hierher! – Hierher!««

»Wo? Wo? – O, das ist nicht Wasser, das ist siedendes Öl . . .«

»»Dann nicht! – Fort damit . . . – O dieses höllische Feuer!««

»Jungfrau Maria, erbarme dich unser!«

»»Herr, dein Wille geschehe . . .««

 


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