Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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20. In der Schusterwerkstatt

»Vorwärts, Buben, an die Arbeit! Montag ist nicht mehr Sonntag; und ihr seid weder Goldschmiedstöchter noch fahrende Schüler! Ha, das könnte euch passen: einfach davonzulaufen aus dem sauren Werktag und als Vagant Schuhe kaput statt fertig zu machen! (Tack!) Und was denn sagen diese grünen Kreuzfahrer, daß sie tun wollen? In Jerusalem das ewige Friedensreich errichten? Da muß noch mancher harte Nagel durch zähes Leder getrieben werden, bevor wir so weit sind. (Tack! Tack!) Den ewigen Frieden wünschen wir alle herbei. Ein Narr, der es nicht täte! Aber wir tragen auch alle von Adam her etwas mit uns, der eine mehr, der andere weniger, das nicht den Frieden, sondern das Gegenteil will. (Tack! Tack! Tack! Tack!) Damit wir das überwinden, ist etwas Besseres nötig, als einfach 307 alles liegen zu lassen und hinter seinen Träumen her zu rennen. (Tack!) Wer das Ganze nicht vorwärts bringt, der nützt ihm auch nichts, wenn er für sich selber zum Heiligen wird. (Tack! Tack! Tack!) Gute Schuhe machen, Gesellen, gute Schuhe: das hilft dem Fortschritt am meisten auf die Beine! Wäre es mit einer Vergnügungsreise nach dem heiligen Lande getan, Meister Konrad würde als erster die Bude schließen und nach dem Wanderstab langen. (Tack! Tack!) Aber wir stecken in der Welt, wie der Fuß im Schuh: man muß ihn nicht gleich fortschlenkern, wenn er da und dort etwas drückt, sonst kommt man nicht weit. (Tack!) Der Fuß muß sich auch etwas dem Schuh anpassen, wenn er will, daß der Schuh sich ihm anpassen soll. Und oft werden gerade die Schuhe, über die man zuerst alles Mögliche zu klagen hatte, die allergepriesensten . . .« (Tack! Tack!)

Er schweigt. Die Wasserkugel vor ihm sammelt wie ein geheimnisvoll schwebendes Glasgehirn das frühe Tageslicht, das aus der weiten, sommerfrohen Welt sich durch das offenstehende kleine Fenster in die dumpf nach Pech riechende Werkstatt hereinzwängt: sie scheint ihrem eigenen Rätsel nachzusinnen, während sein Hammer weitertackt und die Hämmer der Gesellen und Lehrlinge mit dem seinen eine Weile lang ein eigensinniges Zwiegespräch unterhalten. Der kleine, lebendige Hammer aber, der einem jeden in der Brust schlägt, hämmert die Bilder der Sehnsucht zurecht, welche ihnen das Lied der jungen Kreuzfahrer, die am Haus vorbeizogen, ins Blut geworfen hat; und jetzt meint der älteste Geselle mit den fiebrig glänzenden Augen im bleichen Gesicht – und alle horchen auf, als spräche er für sie –:

»Meister, ich habe immer gefunden, daß bei einem Schuh, der einen nicht mehr drückt, bereits auch schon die Sohle durch ist . . .« (Tack! Tack! Tack!) 308

 


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