Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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31. Gespräche im Sattel

Marcelines sanfte Stimme unterbricht das eintönige Pferdegetrappel.

»Nein, es ist nicht recht! Jetzt glaubt Ellenor, wir seien heimgeritten.«

Suzanne sinnt vor sich hin. Ihre heißen Wangen sind wie beschattet von den gesenkten Lidern.

»Wir wollten es doch auch zuerst. Dieser Überfall durch die beiden Räuber war zu gräßlich. Der arme Raoul!«

Stolz wirft Germaine den Kopf hoch. Es ist, als wollte sie ihren Gefährtinnen die heimliche Krone auf ihrem Haupte zeigen. Eine wird immer die erste sein!

»Was mußte auch das Pferd der ›Königin‹ so vornehm abseits angepflöckt werden! Im übrigen ist man ja toll mit uns 139 umgesprungen, als man uns einfach unter das schmutzige Landstreichervölkchen verteilte. Mich wundert, ob Ellenor jetzt nicht gern wieder in den geschmähten Landherbergen abstiege, wo Mensch und Tier wenigstens ein richtiges Unterkommen finden!«

Die schwarze Valerie lacht und versendet giftige Blicke. Und dabei fährt ihr das Zünglein mehrfach durch die gebüschelten Lippen, bevor auch sie ihre Meinung von sich gibt.

»Sitzt sie jetzt wohl bei ihrem ›König‹ auf dem Leiterwagen? Sie hat uns unsere Knappen weggenommen; und wir selber wären gerade noch zu ihrer Bedienung gut genug gewesen. Gelt, Marceline? – Jetzt hat sie gar keine mehr . . .«

». . . Was für geschwollenes Zeug sie bei der Begrüßung miteinander schwatzten!« erinnert nach einer Weile Germaine vornehm herablassend die andern. »Ich glaube gar nicht, daß dieser Hirtenbub der König Stephan ist; das hat er einfach geschwindelt. Ein König, auch ein junger, sieht anders aus.«

»Aber so will's doch die christliche Demut!« bemerkt Suzanne, die unter ihren beweglichen Stirnlöckchen die gute Laune wiedergefunden hat. »O, es ist sehr wohl möglich, daß er's ist; und ich wollte auch nichts sagen, wenn nur diese Frömmigkeit anders röche! Aber dieser Gestank unter der verlausten Bande . . .«

»Darum ist es entschieden besser, daß wir allein ins heilige Land reisen!« lispelt Marceline mit spöttischer Überlegenheit. »Es dürfte, denke ich, genügen, wenn wir nur alle am selben Ziel ankommen! Der Segen des Ortes wird schwerlich vom Wege abhangen und uns gewiß kaum vorenthalten bleiben, auch wenn wir uns vorher nicht von Flöhen und Wanzen haben auffressen lassen!«

»Vielleicht treffen wir sogar eines Tages wieder mit dem ›Königspaar‹ zusammen!« hohnlacht Valerie dunkel. »Aber ich 140 glaube, es haben nicht alle von uns gleiche Sehnsucht darnach. Nicht, Germaine? – Überhaupt: suchen wir lieber einen König, statt die Königin . . .«

So schwatzen die vier hocherhobenen Mädchenhäupter nach links und nach rechts miteinander, während vor und unter ihnen vier gesenkte Pferdeköpfe in Schritt und Takt sich nebeneinander vorschieben und zu allen Äußerungen ihrer Herrinnen ein stummes Ja und Amen nicken. Es ist schon mehr als eine Woche her, seit sie ohne Ellenor reisen und sich, nach dem ersten Schrecken, von ihren Knappen haben überreden lassen, auf eigene Faust die begonnene fromme Pilgerfahrt fortzusetzen; und wenn sich auch die blustdurchwehte Luft mehr und mehr mit einer sommerlichen Wärme erfüllt, die man selbst im Sattel gelegentlich lästig empfindet, so steigt doch immer noch ein süßer, hoffnungsvoller Hauch aus dem hohen Gras und feuchten Boden empor und lockt und treibt sie täglich aufs neue weiter: sie wiegen sich in dem alten Wahne eines mutigen Wollens und verbannen alle Einsicht, daß es sich unversehens in ein bitteres Müssen verwandeln könnte! Es ist gut, daß sie nicht hören, was ihre getreuen Knappen verhandeln, welche in einigem Abstand von ihnen, ebenfalls alle vier in einer Reihe, auf der durch die verblühende Herrlichkeit sich windenden Straße hintennach reiten und ihrerseits in das Hufegetrappel hinein nicht nur von den Erlebnissen reden, die bereits in der Vergangenheit liegen, sondern mehr noch von jenen, die sie als gewitzigte junge Helden voraussehen.

». . . Der Raoul hat schon geglaubt, er sei mehr als wir. Er, der Ritter der ›Königin‹!«

»Dafür ist er nun tot. Und braucht sich auch nicht mehr darum zu sorgen, was das alles für ein Ende nimmt!«

141 »Eine nette Idee war's wirklich, heimreiten zu wollen. Damit wir aufgeknüpft werden, weil wir durchgebrannt sind!«

»Mich wundert nur, wieviel Geld unsere Fräuleins zu sich gesteckt haben. Was werden sie für Augen machen, wenn sie ihre Pferde verkaufen müssen, um vorwärts zu kommen!«

»Daß ich mein Roß nicht hergebe, ist sicher! Wenn meine verehrte Herrin nicht zu Fuß gehen will, so kann sie vor mir aufsitzen. Ich meinerseits habe nichts dagegen – hahaha!«

»Das meine ich auch. Sie sind es, die uns verführt haben! Jetzt gibt es für uns nur noch ein Ziel: das heilige Land! Nur wenn uns die Fahrt gelingt, ist sie auch entschuldigt.«

»Nun, man braucht es ihnen ja nicht vorzeitig zu sagen, daß sie uns nicht mehr befehlen können wie daheim im Burghof. Sonst gibt's nur Geschrei und Tränen; und das Vergnügen ist vorbei.«

»Sie werden's noch früh genug selber merken. Mich wundert schon lange, daß wir nicht verfolgt werden! Schon deshalb wär's besser, sie veräußerten rechtzeitig ihre Hoffahrt und gingen im Kleide der Armut einher, die lieben Grasaffen . . .«

 


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