Konrad Falke
Der Kinderkreuzzug
Konrad Falke

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14 Isa die Wäscherin.

Aus bemooster Holzröhre murmelt das Quellwasser in das große, dunkle Faß hinein. Aufsteigende Luftbläschen durchquirlen das besonnte Spiegelbild des süßblauen Frühlingshimmels: weiße Schäfchenwolken schwimmen so tief in ihm, als sie hoch oben am Himmel fahren. Und der frische Wind, der sie treibt, fegt auch über die Erde hinweg.

Nasse Wäsche flattert und knattert auf der grünen Wiese, daß die Stangen sich biegen und die Seile sich dehnen. Emporgreifende nackte Arme schlagen sich mit ihr herum. Gehört zu ihnen das zornige Mädchengesicht, das jetzt zwischen den weißen Linnen sichtbar wird? Klatsch, deckt das Geflatter wie mit einem Flügelschlag die purpurnen Wangen zu. Aber daneben leuchtet noch das rote Haar; und jetzt brechen auch die zwei weißen Arme wieder hervor, machen das ungebärdige Stück fest und nehmen ein anderes aus dem Korb.

Die aufgeregte Luft verschlingt das Geräusch von Schritten, die um die nahe Hausecke herumkommen. Aber Isa bemerkt gleichwohl zwischen dem Blähen der Wäsche hindurch den 58 stechenden Blick der Stiefmutter, welche mit einem Bündel Reisig unter dem Arm die knarrende Stiege zur Laube hinaufzusteigen beginnt. Seit der Vater gestorben ist, kann sie's ihr nicht mehr recht machen und hat sie's nicht mehr schön – Himmel, wenn sie nur nichts gemerkt hat!

»Hast wieder mit dem jungen Grafen geliebelt?« keift es von der dritten Stufe aus. »Dort läuft der saubere Jäger!«

»Hab' ihn mit einem nassen Schnurrbart heimgeschickt!« schreit Isa durch den Wind hindurch. Sie schlägt mit einem letzten Wäschestück, das sie der Leine entnimmt, drohend um sich und befestigt es dann mit den Holzklammern am Seil, wo es sofort im Winde zu klappen und flappen beginnt.

»Kann mir's denken, daß deine Lippen nicht trocken sind!« tönt es von der fünften Stufe herunter. »Das ist der gottlose Übermut der heutigen Jugend! – Man sieht schon, daß du nicht mein Blut bist, sonst würdest du dich anders aufführen . . .«

»Der gottlose Übermut ist euch noch immer recht gewesen, wenn es galt, schwere Arbeit zu tun für euch und euer Blut, das keinen Finger rühren kann und dem ihr noch die Stube einheizen müßt, wenn unsereinem im Freien der Schweiß von der Stirne läuft!« Und Isa trägt mit straff vor sich hingestreckten Armen eine neue schwere Last Wäsche vom Wasserfaß her auf die Wiese.

»Halt dein Schandmaul und wisch es nicht an einer Kranken ab!« kreischt das böse Weib von der siebenten Stufe herab durch den harschen Wind. »Auch dein glattes Fell wird der Herrgott noch einmal gerben! Wart nur ein Weilchen: und du sitzest so still, als wärst du so lahm auf die Welt gekommen wie mein Kind.«

Da wirft Isa den Korb hin, daß sein Geflecht ächzt, und 59 macht mit geballter Faust ein paar Schritte gegen das Haus. Sich jede Lebensfreude versagen müssen und dazu noch immer ausgescholten werden, das ist zu viel! Vor Anstrengung und Empörung schlägt ihr das Herz an die Rippen, als müßte es eine Fessel zersprengen.

»Wenn ich Euch nicht mehr gut genug bin, so sagt's! Ich möchte bald lieber Mohren weiß waschen, als mich hier um des Teufels Dank von früh bis spät für Euren Geiz abschinden!«

Droben hat die Stiefmutter mit dem Reisig unter dem Arm die Haustüre geöffnet. In einem hämischen Lächeln treten ihr Verdruß und Ekel am eigenen Witwenleben auf die verwelkten Lippen; und ihre haßerfüllten Blicke begeifern das aus zwei blitzenden Blauaugen zu ihr aufschauende Mädchen, dem der Wind Haar und Röcke verweht. Wenn man nur selber noch so jung wäre –

»So zieh doch mit den Buben ins heilige Land!« keucht sie. »Dann bist du recht unter deinesgleichen und kannst die Mohrenwäsche versuchen . . .« Und sie kehrt ihr den hageren Rücken zu, um einzutreten.

Das hatte noch gefehlt! Isa stürmt hinter ihr die Stiege hinauf, wie ein Gewitter an der sich eben schließenden Stubentüre vorbei und in ihre eigene, dürftige Mädchenkammer hinein.

Was tut sie drinnen? Die verbitterte Frau legt im Ofen Feuer an und schaut sich dazwischen nach ihrer elenden Tochter um. Aber schon poltert Isa, mit einem Bündelchen in der Hand, wieder auf die Laube hinaus und mit fliegenden Röcken die Holztreppe hinunter.

»Ich gehe!« tönt ihr Ruf zu den kleinen Fensterscheiben empor, hinter denen die lahme Stiefschwester in ihrem Stuhle sitzt und friert. »Zu den Mohren!«

60 Und der klingende Wind und die weißen Schäfchenwolken sind mit ihr und über ihr, während sie mit kochendem Blut über die grünen Wiesen und in die silberne Ferne hineinwandert . . .

 


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