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Es vergehen einige Wochen. Neue Festlichkeiten stehen bevor. Am Abend des 26. September 1876 sind in Fröschweiler alle Vorbereitungen zum Empfang Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm getroffen. Die Einwohner haben in freudigem Wetteifer ihre Häuser mit Blumen, Laubwerk und Bändern geziert; und kann auch nicht jeder bei oft bescheidenen Verhältnissen eine Fahne aushängen, so sind nichtsdestoweniger alle freudig bereit, den »Herrn Kaiser« aufs herzlichste zu bewillkommnen.
Leider hat es die ganze Nacht hindurch geregnet und noch um 7 Uhr morgens schauen unsere Leute bange fragend nach Westen, von woher die dunkeln Wolken die Festfreude zu beeinträchtigen drohen. Plötzlich heitert sich der Himmel auf und bald kommen ganze Scharen von nah und fern, zu Fuß und zu Wagen, um mit uns den ländlichen Kaisertag zu begehen. – Am südlichen Eingang des Dorfes, wo die bescheidene Ehrenpforte aufgerichtet ist mit den Inschriften: »Willkommen! Der Herr mit Dir, Du streitbarer Held!« haben sich unsere Einwohner, Graf Dürckheim und der Gemeinderat an der Spitze, in Reih und Glied aufgestellt und unter dem Portal der Friedenskirche harrt der Ortsgeistliche, umgeben von mehreren Pfarrern des Konsistoriums, der Ankunft des Monarchen entgegen. – Mittlerweile sind aus dem Bezirk Hagenau Deputationen von Gemeinderäten, Lehrern, Beamten und zahlreiches Landvolk eingetroffen und bilden Spalier von der Ehrenpforte aus zur evangelischen und abwärts bis zur katholischen Kirche. Der Kaiser soll von Wörth, am großen deutschen Monument vorbei, über Elsaßhausen kommen.
Kräftige Böllerschüsse und majestätisches Glockengeläute verkündigen um halb 10 Uhr das Herannahen des Herrschers und seines glänzenden Gefolges. Eine unbeschreibliche Begeisterung bemächtigt sich plötzlich aller Gemüter … und siehe! da naht, hehr und ruhig, die hohe ungebrochene Heldengestalt. Ein donnerndes Hoch! ertönt von allen Lippen und aller Augen sind auf den Landesherrn gerichtet, der zum erstenmal seine wiedergewonnenen Untertanen besucht und von seinem stattlichen Reitpferde hernieder nach allen Seiten hin mildfreundlichst die Grüße erwidert. Da erhebt Graf Dürckheim, tief bewegt, die Stimme und begrüßt den Kaiser im Namen der Gemeinde Fröschweiler. – Der Kaiser erwidert einige huldvolle Worte und wiederum braust ein mächtiges »Hoch!« durch die Lüfte. Der Zug bewegt sich langsam vorwärts nach der Friedenskirche, wo eine unabsehbare Volksmenge versammelt ist. Rüstig, wie ein Jüngling, steigt der greise Held vom Pferde, begleitet von seinem Sohne, dem Liebling des deutschen Volkes, und einer glänzenden Suite von Fürsten und Feldherrn und weilt einige Augenblicke unter der singenden Schuljugend, nimmt herzlich dankend ihre Blumensträußchen entgegen, die er mit dem Kronprinzen teilt, und tritt nun unter die Vorhalle der Kirche, wo ihn der Ortspfarrer Klein mit folgenden Worten begrüßt:
»Allerdurchlauchtigster,
großmächtigster Kaiser, allergnädigster Herr!
Mit tiefer Ehrfurcht und inniger Freude heißen wir Ew. Majestät willkommen am Eingang dieser Kirche, die sich als ein Denkmal der Liebe des Deutschen Reiches und seiner erhabenen Fürsten, insbesondere Ew. Kais. Majestät und Sr. Kais. Hoheit des Kronprinzen zu unserm Lande auf diesem schlachtgeweihten Boden erhebt.
Begeistert sind von allen Seiten unsere Landbewohner herbeigeeilt, um in Ew. Majestät den Fürsten zu begrüßen, in dem sie als Christen, im Gehorsam unter Gottes wunderbare Fügungen, ihr rechtmäßiges Oberhaupt erkennen; den Fürsten, der stark im Krieg und mild im Sieg, das Wohl aller seiner Untertanen auf väterlichem Herzen trägt; den Fürsten, der unbeirrt durch die widerchristlichen Strömungen dieser Zeit, ungeblendet von der Macht und Ehre dieser Welt, es sich nicht nehmen läßt, mit jenem heiligen Kriegshelden alter Zeit, stolz und demütig zugleich, zu bekennen: ›Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.‹
Ew. Majestät wolle huldvollst den Dank dieser Gemeinde entgegennehmen für die eifrige Fürsorge, mit welcher Sie hier und an allen Orten bemüht gewesen sind, die Wunden des Krieges zu heilen und Ihr schirmendes Szepter auch ferner hochhalten, nicht bloß über diesem Gotteshaus, sondern über unserer ganzen evangelischen Landeskirche, die immer noch auf dem Grunde ihres guten Bekenntnisses steht, und die in Ew. Majestät ihren obersten Schutzherrn auf Erden hat, daß diese Kirche ungestört bleibe in dem Erbe der Väter, im lautern evangelischen Christenglauben, und also imstande sei, die Bevölkerungen, die sie umschließt, zu wahrer Gottes- und Menschenliebe und zu todesmutiger Treue gegen Fürst und Vaterland zu erziehen.
Der Herr, der bisher geholfen, segne Ew. Majestät und deren ganzes Haus; Er behüte Sie; der Herr lasse leuchten sein Angesicht über Sie und sei Ihnen gnädig; der Herr erhebe Sein Angesicht auf Sie und gebe Ihnen Seinen Frieden – Amen!«
Und » Amen!« wiederholen mit lauter Stimme nicht nur die anwesenden Geistlichen, sondern auch der Kronprinz und alle unter dem Portal versammelten hohen Gäste.
Der Kaiser hat sichtlich bewegt die Worte des Pfarrers aufgenommen, und seine Erwiderung sowie der warme Händedruck, mit dem er dem Pfarrer dankt, lassen dies deutlich erkennen. Er spricht: »Diese Kirche hat als Friedenskirche auf historischem Boden den Beruf, die Wunden des Krieges auch ferner noch zu heilen und es ist Sache der Geistlichen, ihre Wirksamkeit nicht bloß am ganzen, sondern auch am einzelnen zu betätigen. Sie haben den Standpunkt berührt, auf dem auch ich stehe, und wer auf demselben mit mir steht, mit dem ist Gott! –« Hierauf schreitet der hohe Herr, erhobenen Hauptes, von Pfarrer Klein und dem hohen Gefolge begleitet, zur Kirche hinein, dem Altar entgegen. Augenscheinlich erstaunt, drückt er mehrmals über die Schönheit und künstlerische Ausstattung derselben seine hohe Befriedigung aus. Ebenso der Kronprinz und die sämtlichen anwesenden Herrschaften.
In der Sakristei, in der das wohlgetroffene Bild des Ehrenprotektors angebracht ist, weilt Seine Majestät längere Zeit. Besonderes Wohlgefallen hat er an dem von Freiherrn v. Löffelholz aus Ansbach sinnig und kunstvoll angelegten, mit einer Kriegschronik von Pfarrer Klein verbundenen »Helden- und Totenbuch«, worin die Bildnisse des Kaisers, des Kronprinzen und der bei Wörth beteiligten Korpskommandeure, die Namen aller am 6. August 1870 gefallenen deutschen Krieger, sowie die Leidensgeschichte des Ortes Fröschweiler vor, während und nach der Schlacht niedergelegt sind. Dem gerade anwesenden Künstler wird ebenfalls von Sr. Majestät ein freundliches Wort der Anerkennung zuteil.
Auf die Bitte des Ortspfarrers Klein geruhten der hohe Herr und mit ihm der Kronprinz und das ganze Gefolge ihre Namen in das Fremdenbuch einzutragen. Nun fährt der Kaiser durchs Dorf nach der katholischen Kirche, wird dort vom Klerus empfangen und kehrt, von Graf Dürckheim begleitet, zu Fuß durch die freudig erregte Menge zurück. Es ist ein allen Herzen wohltuendes Schauspiel, das wir manchem nicht Anwesenden gerne zu betrachten und zu beherzigen geben möchten, wie der siegreiche Herrscher so frei, so liebreich und herzgewinnend da mit den Leuten verkehrt, bald dem, bald jenem ein freundliches Wort zuspricht, als wäre er schon längst ihr bekannter und huldvoller Landesvater, und wie andererseits das Volk diesen Beweisen vertrauensvoller Güte das richtige Verständnis durch seine ganze Haltung entgegenbringt, so daß jedem, der den Fürsten und die Bevölkerung kennt, die große Tragweite dieses ersten Besuches in die Augen springt. Nach einem halbstündigen Aufenthalt im Schloß, wo er die vom Grafen Dürckheim und seiner Gemahlin den höchsten Herrschaften dargebotene Erfrischung mit freundlichem Danke entgegennimmt, besteigt er mit dem Kronprinzen den Wagen und fährt, begleitet von lebhaften Zurufen, von Fröschweiler ab.
Es ist ein schöner Tag und gewiß sprechen Kaiser und Volk beim Scheiden in ihrem Herzen:
»Auf Wiedersehn!«