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Der Schauplatz des Krieges

Wo wird der Kampf losbrechen und zu blutigem Austrag kommen? In Paris und durchs ganze Land ertönte die Losung: »Nach Berlin! nach Berlin!« und auch im Elsaß glaubte man allgemein, die Schlachten würden auf deutschem Boden geschlagen, das linke Rheinufer in schnellem Siegeslauf erobert und den stolzen Teutonen das kaudinische Joch aufgehalst werden. Die Franzosen waren ja bis jetzt die mächtigste Nation der Erde, und es hatte doch der Kaiser Napoleon in seiner Proklamation angekündigt: »Ein großes Volk, welches eine gerechte Sache verteidigt, ist unbesiegbar. Ein jeder tue seine Pflicht und der Herr der Heerscharen wird mit uns sein.«

Der Auf- und Einbruch nach Deutschland war also beschlossen und von einem Tage zum andern erwartet, zumal der Kriegsminister Le Boeuf im Senat erklärt hatte: Frankreich ist archiprêt , d. h. bereit bis zum letzten Gamaschenknopf, und jedem Soldaten der Boden unter den Füßen brannte, einen Triumphzug nach Berlin mitzumachen. Wie bereit und schlagfertig Frankreich wirklich war, hat sich dann in den Tagen vom 20. Juli bis zum 5. August und während des ganzen Feldzugs herausgestellt; und in welcher Richtung der Angriff geschehen sollte, war auch eine heikle Frage, zumal ganz unerwartet Süddeutschland wie ein Mann sich erhoben und das Schwert gezogen hatte.

Wir da unten im Hanauerlande meinten, ein Teil des französischen Heeres würde über Straßburg in Baden, Württemberg, Bayern einfallen, und die Hauptmacht von Metz aus durchs Nahetal oder über Saar-Louis Preußen angreifen. Daß die Bewaffnung und Mobilisierung in Deutschland rechtzeitig bewerkstelligt werden könnte, um der französischen Invasion erfolgreich zu widerstehen, das glaubte in Frankreich und auch im Elsaß kein Mensch. Und daß vollends ein deutsches Heer über Weißenburg ins elsässische Unterland eindringen würde, davon hatten wir keine Ahnung. Wir hätten zwar besonders hier, aus unserer strategisch so wichtigen Hochfläche, Gründe genug gehabt, um nicht so ganz ohne Befürchtungen den Ereignissen entgegenzusehen. Die Verheerungen des 30 jährigen Krieges, die Eroberungszüge Ludwigs XIV., die Schlacht zwischen Österreichern und Franzosen Anno 1793, deren Spuren jetzt noch vorhanden sind, hätten uns witzigen sollen. Aber wie nun einmal die Menschen in Kriegszeiten sind: Jeder ist auf schwere Heimsuchungen, auf Blutvergießen, Brand und Verwüstung gefaßt; daß aber das alles seine Heimat, sein Dorf, sein Haus, seine Person treffen könnte, daran denkt keiner.

Man harrt in gespannter Erwartung der Dinge, die da kommen sollen; man späht mit unheimlicher Gier nach Neuigkeiten, nach Schlachtendonner und Siegesbotschaften, wenn nur das alles in gehöriger Entfernung geschieht und keine Scholle von unsern Feldern, kein Stein von unserer Hütte zerbrochen wird. O Blindheit und Lieblosigkeit des menschlichen Herzens! – Wir sollten aber gar bald erfahren, daß gerade unsere Gegend zum Schauplatz der ersten Ereignisse und zur Walstatt einer der blutigsten Schlachten ausersehen war.


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