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Bevor jedoch der Bau in Angriff genommen werden kann, sind noch gar manche Fragen ins reine zu bringen.
Zunächst gilt es, eine friedliche Auseinandersetzung mit den Katholiken zu bewerkstelligen. Die Kirche war bis jetzt simultan und obschon das Einvernehmen zwischen beiden Konfessionen stets ein freundliches gewesen, so wird doch allseitig der Gedanke ausgesprochen: das beste sei, wir gingen friedlich und schiedlich auseinander, und jede Glaubensgemeinschaft sorge für ein eigenes Gotteshaus. Das geschieht denn auch ohne jegliche Schwierigkeit; die Katholiken erhalten die Hälfte des noch vorhandenen Materials und von der Entschädigungssumme den Betrag von 25 000 Franken.
Weiter handelt es sich darum, einen geeigneten Bauplatz zu gewinnen. Der beste und schönste ist ohne Zweifel der, worauf die alte Kirche gestanden. Aber einmal beanspruchen die Katholiken das Miteigentumsrecht und andrerseits müßte noch ein Stück Landes angekauft werden. – Es entstehen kleine Mißhelligkeiten. Sobald aber geschichtlich nachgewiesen wird, daß die alte Kirche nebst Grund und Boden seit der Reformation als ein grundherrliches Geschenk den Protestanten gehört, ist der Handel geschlichtet. Die Katholiken erhalten zum Ankauf eines beliebigen Bauplatzes die Summe von 3000 Franken und die Protestanten behalten den bisherigen Kirchenplatz; zur nötigen Vergrößerung desselben wird des Nachbars Garten um den Preis von 3000 Franken erworben. Soweit nimmt alles den erwünschten Fortgang.
Jetzt aber, wo sind die Pläne? An Plänemangel hat die Welt noch selten gelitten, wohl aber an Pläneüberfluß, und so ist's denn nicht zu verwundern, wenn wir hierzulande an Plänebeschwerden eine gute Zeit lang laborieren.
Ein erstes Projekt in byzantinischem Stil mit Kuppel und Ruhmeshallen wird nach vorgenommener Prüfung als unpassend für unsere Örtlichkeit und Bedürfnisse allseitig abgelehnt.
Eine zweite Skizze, in gotischem Stil, mit Querschiff und Seitenportal, findet ebenfalls keinen Anklang. Ein dritter Plan, wiederum gotisch, ist eine zu deutliche Kopie einer bekannten neueren Kirche, müßte auch die vorhandenen Mittel weit überschreiten; auch er wird nach langer Prüfungs- und Wartezeit schließlich aufgegeben.
Ein vierter Plan, wiederum gotisch, mit auffallend hohem Chor, macht uns lange und erschrecklich zu schaffen – es ist des Beratens, Zeichnens, Kritisierens fast kein Ende – zuletzt nach langen peinlichen Verhandlungen stellt sich's heraus, der Gedanke sei undurchführbar. So vergeht die Zeit; wir stehen noch auf demselben Fleck, und unsere kirchlichen Notstände werden immer drückender – so verplanen wir aber auch hübsche Sümmchen; denn alle diese Operationen, Grundsteinlegungen kosten Geld … Endlich wird uns ein Plan vorgelegt, dem alle Sachverständigen Anerkennung zollen und der auch von der Gemeindebehörde und von der Regierung genehmigt wird. Der Entwurf ist von Architekt Winkler in Straßburg, in gotischem Stil, XIII. Jahrhundert, nicht stolz, nicht großartig, sondern einfach, edel und schön, so ganz unsern Bedürfnissen, der Lage des Dorfes und der nunmehr historischen Bedeutung seiner Umgebung entsprechend.
Jetzt ist unser Schifflein im richtigen Fahrwasser. Nun darf aber auch mit der Inangriffnahme des Werkes nicht länger mehr gezögert werden. Am 16. April 1873 werden die Arbeiten für den Rohbau vergeben; am 2. Mai wird der erste Spatenstich zu den Fundamenten getan. Bald sind die vier Meter tiefen Grundmauern aus der Erde gehoben – langsam steigen die Portale, die Strebepfeiler, die Seitenwände empor; es ist eine Lust, nach langen schweren Kämpfen, dem Wachstum des Baues zuzuschauen. – Aber der Winter kommt, unsere Arbeiter sind weggegangen, wir müssen warten. – Die Frühlingssonne scheint wieder, ein fröhliches Leben beginnt in unserer Mitte. – Die Wochen kommen und schwinden – das äußere Mauerwerk an Schiff und Chor ist fertig, das Dachwerk vollendet; der Turm erhebt sich allmählich höher und höher, die Säulen ragen kühn hinauf zum Gewölbe … Wir hoffen, die Kirche könne dies Jahr noch eingeweiht werden. – Wir müssen Geduld haben, es läßt sich nichts überstürzen. Noch einmal breitet der Winter seine kalten Fittiche über das unvollendetes Gotteshaus – aber zum letztenmal. Sobald das Frühjahr gekommen, geht's wieder lustig vorwärts; die Skulptur- und Gipsarbeiten sind bald bewältigt, das Plattenwerk ist gelegt, die Sakristei hergestellt, die Orgelvorbühne angebracht, die Turmesspitze erreicht, noch eine kleine Zeit – der Juni wird kaum vorüberfliehen und die Gedächtniskirche schaut majestätisch ins Tal hinab, ins Land hinein, das würdigste aller Denkmale auf der blutgetränkten Walstatt, die schönste im Kranze ihrer elsässischen Schwestern seit den Tagen der Reformation! Wie steht's nun aber mit der innern Einrichtung und Ausschmückung der Gedächtniskirche in Fröschweiler? Soll alles wohl gelingen, so muß der innere Ausbau mit dem Rohbau in harmonischem Einklang stehen. Nur ruhig, auch dafür wird in erfreulichster Weise gesorgt werden. – In Norddeutschland hat Pastor Nielsen seine Bemühungen fortgesetzt, die Teilnahme für das begonnene Werk erhalten, neue Sympathien wachgerufen. – In Süddeutschland haben wir einen Mitarbeiter gefunden, der seit Jahren seine Kraft und Zeit im Dienste der Friedenskirche verzehrt. Wer kennt nicht den begeisterten, unermüdlichen, unerbittlichen, unwiderstehlichen Assessor Schönniger in Nürnberg? Wer weiß nicht, mit welch rastlosem Eifer derselbe die Ausschmückung unserer Kirche betreibt? Was der Mann arbeitet, schreibt, schafft, zuwege bringt, es ist wahrhaft unglaublich! Im Verein mit solchen Gehilfen darf uns nicht mehr bange werden. Wir appellieren nochmals an die opferfreudige Liebe unserer Glaubensgenossen im Deutschen Reiche, an die Gustav-Adolf-Vereine, besonders an die Frauenvereine; sie haben das Werk ins Leben gerufen, sie werden es auch seiner Vollendung entgegenführen. Und wir täuschen uns nicht. – Vom Throne der Fürsten bis zur Hütte des gemeinen Mannes herab wird uns die freigebigste Handreichung zuteil. Wir fassen alles in Kürze zusammen: Der Kaiser schenkt der Gemeinde das nötige Kanonenerz zu drei Glocken und übernimmt die Stiftung des mittleren Chorfensters; der Kronprinz übernimmt das Ehrenprotektorat über die Gedächtniskirche und die Stiftung des vierten Chorfensters; Bayern spendet das zweite, Württemberg das fünfte, Baden das erste Chorfenster, die ganze Reihe mit Darstellungen aus dem Neuen Testamente; sechzehn deutsche Fürsten treten für die Stiftung sämtlicher kleineren Schiffenster mit alttestamentlichen Figuren ein Ferner werden uns dargebracht aus Norddeutschland: die heiligen Gefäße, das Kruzifix, Altar, Altarbild, eine Altarbibel, eine Altardecke, alles nach den Zeichnungen von Professor Wanderer; vom Gustav-Adolf-Verein: die erforderlichen Gelder zum Glockenguß; aus Süddeutschland, durch das Nürnberger Komitee, empfangen wir: das vollständige Plattenwerk, die Orgel, den Kronleuchter, die Altarleuchter, eine Altardecke, den Taufsteinengel, die Kanzel, ein silbernes Taufgefäß, eine Hostienkapsel, acht große Schiffenster mit Damastglas, die nötigen Möbel in die Sakristei. – Die Gemeinde Fröschweiler beschafft die Turmuhr. Ist's nicht allenthalben ein heiliger Wetteifer, das neuerstandene Heiligtum würdig und lieblich zu schmücken? – Ja, sie haben es eingelöst, unsere deutschen Brüder und Schwestern, das Wort jenes Generals, der am Abend der Schlacht, angesichts der brennenden Kirche, zu uns sprach: Laßt sie in Gottes Namen brennen, wir bauen sie wieder auf! – Sie haben sie wieder aufgebaut, sie haben sie prächtig ausgestattet. Wir aber vergessen nicht unsere Schuldigkeit: Allen, die mitgeholfen haben, gelte unser tiefstgefühlter Dank und unser herzlichstes Vergelt's Gott!