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Der erste Feind

Schon mehrmals war in Fröschweiler, Wörth und Umgegend Alarm erschollen: »Die Preußen kommen! die Preußen kommen!« Wer hat's gesagt? Wo sind sie? – Ja, das aus dem allgemeinen Wirrwarr noch herausbringen! Die Einwohner liefen zusammen, stürzten durcheinander, die Jägerschwadron sprengte hin und her, das ganze Regiment kam von Niederbronn und patrouillierte überall herum – die Preußen kamen nicht, und alles gab sich wieder zufrieden. Doch war einem nicht mehr ganz heimlich zumute. Die Eisenbahn dröhnte so geheimnisvoll von Reichshofen über den Großenwald herüber; die Windstille fing an, drückend sich auf die Gemüter zu legen. Plötzlich, früh morgens am 24. Juli, kam der Schloßjakob leichenblaß von Elsaßhausen hereingelaufen und schrie aus vollem Halse: »Die Preußen kommen! die Preußen sind da! ich habe sie gesehen, sie sind durch Elsaßhausen geritten! Ich habe ihnen den Weg zeigen müssen.« … Und die Lanze Bäbi hinterdrein: »O weh, ihr lieben Leute, jetzt sind wir alle verloren! Sie haben den Säbel überzwerg im Maul und in jeder Hand eine gespannte Pistole!« Und wie die so durchs Dorf schrien, so rannten alle andern zusammen und schrien nach, und war eine Bestürzung, ein Jammern und Heulen, als stünden hunderttausend Panduren drunten am Kirchhof, die wollten alles mit Haut und Haar massakrieren. Und als sie scharenweise ums Pfarrhaus sich drängten und besonders die Weiber die Hände über dem Kopf zusammenschlugen und wimmerten und krakeelten, als wäre schon alles verloren, und wir sie ermahnten, sie sollten doch stille sein und alles Gott befehlen – kam von Wörth aus, in vollem Galopp ein Gendarm heraufgesprengt und bestätigte die Kunde, es sei ein Trupp Preußen mit gezückten Schwertern und gespannten Gewehren durch Wörth gesaust und hätten Krieg! Krieg! geschrien, und er eile nach Niederbronn, das Regiment zu benachrichtigen, daß diese Einreißer gefangen und erschlagen würden. Da wurden unsere Leute wieder ruhiger, und alles, was nur Beine hatte, groß und klein, stand opferwillig bereit, das Vaterland retten zu helfen.

Der Jägeroffizier, ein junger todesmutiger Recke, den das geringste Zeichen von Angst und Feigheit wütend machte, konnte keinen Augenblick mehr ruhig auf der Stelle bleiben; er sauste mit seinen Leuten hin und her, spähte nach allen Richtungen, bergab, feldein, kam wieder zurück, und wenn der eine oder der andere unter bangem Herzklopfen und schweren Ahnungen sich den Schweiß von der Stirne rieb, rief er: allons mon brave! pas peur! nous mourons pour la patrie. »Wohlan, mein Braver! keine Furcht, wir sterben fürs Vaterland!« Und wer's verstand und ein ehrlich' Christenherz im Leib hatte, der mußte Tränen in die Augen bekommen und denken: »B'hüt euch Gott! Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen; morgen in das kühle Grab.«

So vergingen unter stetem Hin- und Herreiten, Auflauern, Wiederkehren, Stillehalten, unter allerlei guten Wünschen und Ermutigungen, Feldflaschen austrinken und wieder füllen und unblutigem Dreinschlagen etwa anderthalb Stunden. Da kam der Gendarm wieder und meldete: Das Regiment sei von Niederbronn aufgebrochen und ziehe über Gundershofen dem Feinde entgegen. – »Die sollen das Wiederkehren verlernen«, meinte siegestrunken der Lindenbauer! – »Ja, wenn sie nicht durchbrennen oder gar eine Hinterhut nach ihnen kommt«, munkelte der übergescheite Willibald, »die sind schwerlich allein.«

Das Jägerhäuflein aber hatte sich von dannen gemacht, um womöglich den frechen Eindringlingen den Rückzug zu verlegen. –


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