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Das feindliche Heer bestand aus dem württembergischen Generalstabsoffizier Hauptmann Graf Zeppelin Ferdinand Graf von Zeppelin, geboren 8. Juli 1838, 188790 württembergischer Gesandter in Berlin, seit 1891 als Generalleutnant zur Disposition gestellt, seit 1901 als General der Kavallerie im Ruhestand, hatte sich seit 1898 mit der Konstruktion motorisch bewegter Luftschiffe nach dem starren System beschäftigt. Von 1900-1919 wurden 115 Zeppelinluftschiffe gebaut, davon 103 für Heer und Marine. Die Zeppelinflüge über den Ozean nach Amerika und Weltrundfahrt sind noch in unser aller Gedächtnis., drei badischen Offizieren und vier Dragonern. Sie hatten den Befehl, über Lauterburg eine Rekognoszierung ins Land herein zu machen, ob etwa schon bedeutende Truppenmassen im Unter-Elsaß konzentriert wären; hatten Sulz, Wörth, Fröschweiler glücklich passiert und waren von Elsaßhausen aus auf einem wenig gangbaren Waldwege soweit vorgedrungen, daß sie die Eisenbahnlinie von Gundershofen bis Niederbronn und auch ein gut Stück des Hanauergebietes überblicken konnten. –
Hatten sie ihren Josuas- und Calebsdienst schon getan oder wollten sie denselben nachgehends erst erfüllen, darüber schweigt, aus guten Gründen, unsere Geschichte. Was sich aber auf dem einsamen, von nahen Waldungen umgebenen, zwischen Eberbach, Gundershofen und Reichshofen gelegenen Schirenhof zugetragen, und welch Schicksal die verwegenen Reiter dort ereilt hat, das soll der Nachwelt mitgeteilt werden.
Sie waren in dem Gehöfte eingekehrt; hatten ihre Pferde in Stall und Schuppen untergebracht, wollten auch von dem harten Ritt ein Weilchen rasten, und schon dampften die Eierkuchen lustig in der Pfanne und sollten auf französischer Erde desto besser schmecken … da entsteht plötzlich Lärm … das ganze Jägerregiment ist im Anzug, der Hof ist umzingelt … Was jetzt? – Messer und Gabeln fallen aus den Händen, die Schwerter fahren aus der Scheide, sie stürzen heraus, verbarrikadieren sich hinter ihre Pferde – es fällt ein erster Schuß und streckt einen französischen Unteroffizier zu Boden; – es fallen wieder Schüsse – Leutnant Winsloë ist tödlich getroffen, andere sind verwundet; einige Sekunden verzweifelter Gegenwehr; die Übermacht hat gesiegt; zwei Offiziere, zwei Dragoner sind gefangen; Winsloë ist im Verbluten; Graf Zeppelin aber und zwei andere Dragoner sind entkommen. Das Regiment macht kehrt, rückt am Abend unter allgemeinem Jubel wieder in Niederbronn ein; in Paris wird eine bataille du Schirlenhof mit Illuminationen gefeiert, und auch in Fröschweiler war, als unsere Jäger wiederkamen, die Freude so groß und die Begeisterung so allgemein, daß unsere guten Leutchen des Gebens, Fragens, Lobens und Verwunderns nicht müde, und auch die Soldaten des Essens und Trinkens und Erzählens nicht fertig werden konnten bis in die Nacht hinein. Als Siegesbeute hatten sie eine kurze Kavallerieflinte und einen dicken hölzernen Klöpfel mitgebracht, der zum ewigen Andenken in Fröschweiler aufbewahrt bleibt. Wie diese Trophäen aber angestaunt und gepriesen wurden!
Graf Zeppelin soll, wie die Großenwalder Überlieferung meldet, auf dem Rappen des getöteten französischen Unteroffiziers entronnen und eine Weile nach der Schlacht in den Schirlenhof zurückgekehrt sein und die Zeche bezahlt haben. Ob dem also sei, muß er selbst am besten wissen, denn er lebt noch, und wenn er's auch nicht gesteht, so wird doch vielleicht die Geschichte auch über diese Frage noch ins klare kommen. – Jedenfalls ist er ein kühner Reitersmann; denn seine Retirade nach der Pfalz hinab bekundet nicht allein eine sehr genaue Kenntnis unserer Örtlichkeiten sondern auch eine Todesverachtung, die einem Bewunderung abnötigt. Er ist vom Schauplatz des Kampfes in nordöstlicher Richtung durch den Großenwald durchmarschiert, mußte unweit Fröschweiler quer über die damals schon sehr belebte Reichshofener Heerstraße – zog dann, immer in Begleitung des legendenhaft gewordenen Rappen am Waldessaum hinüber nach dem Gebirge, und als an jenem Abend der Wendlingpeter (tröst ihn Gott!) am Bergesabhang zwischen Nähweiler und Linienhausen, dicht am Wald, die Kühe weidete, kam da auf einmal ein seltsamer Mann, der kein Franzose sein konnte, führte ein müdes Schlachtroß am Zaume und fragte, ob er nicht etwas Milch bekommen könnte. – Da schaute ihn der Wendlingpeter erschrocken an … »Ja, ich würde euch schon gerne ein wenig Milch geben, wenn ich ein Geschirr hätte, in das ich melken könnte.« – »Da läßt sich abhelfen«, sagte der Mann; – zog ein ledernes Ding aus der Tasche, woraus man trinken und wohinein man auch melken kann, und der Wendlingpeter melkte ganz wacker drauflos, und die Milch schmeckte dem fremden Herrn so trefflich, daß er sich noch einmal melken ließ, und dann gab er dem verdutzten Kuhhirten ein Zweifrankenstück, sagte Dank und guten Abend. Und das alles, während vielleicht 300 Schritte dort drüben französische Kavallerie auf und ab jagte und den Prussien im Wald vermaledeite, aber nicht in den Wald kam, denselben zu erschlagen. –
Graf Zeppelin zog weiter; kam am selben Abend ins Günstal; trank beim sogenannten großen Peter zwei Schoppen roten Wein, die er mit einem Zehnfrankenstück bezahlte, und stand den andern Tag nach seinem strapazenreichen Kundschaftsritt mit wichtigen Erkundigungen auf bayrischem Gebiet. Dem Wendlingpeter aber ist dieser Abend und sein Melken in den ledernen Becher bis aufs Totenbett unvergeßlich geblieben.