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Das Reinigen des Schlachtfeldes

Wir müssen nochmals einen Gang hinaus auf das Schlachtfeld machen. Es ist schon tüchtig aufgeräumt worden. Die wertvollen Gegenstände: Kleider, Mäntel, eine Menge neuer Schuhe, Zelte, ganze Ballen Tuch von allen Farben; kostbare Waffen, goldene und silberne Epauletten, Ehrenkreuze, Uhren – wohl auch manch goldgespicktes Kistchen oder Beutelchen – und so viele andere verlorene und nicht verlorene Sachen haben schon längst Füße bekommen und sind nach allen Himmelsgegenden gewandert. Im ganzen aber gleicht das Schlachtfeld immer noch einer mit tausenderlei Trümmern besäten Wüste. Doch die Deutschen wollen das nicht länger mehr dulden. Sie sagen: »All das Zeug ist unser! Wir haben's erobert und – ihr müßt's aufheben, zusammentragen … und wenn's nicht geschieht … und wer etwas nimmt oder verheimlicht, der …« Ja, ja, wir verstehen euer Latein – wir müssen noch einmal fronen; denn: »Bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt!« – Es ist auch Zeit, daß der ganze Greuel fortgeschafft werde; es würde doch nur Unheil für die Gesundheit, Ruhe und Sicherheit der Einwohner daraus entstehen. – Dazu können unsere Felder auch nicht in diesem Zustand bleiben. An manchen Stellen ist der Boden so zerstampft und verwüstet, daß man gar nicht mehr erkennt, was in den Äckern gewesen ist, daß die Grenzlinien zwischen den Grundstücken gar nicht mehr existieren. Und doch muß wieder gearbeitet und gelebt sein! Es ist noch ziemlich früh im Jahr, es könnte auf den Wiesen, Kleefeldern noch einiges Spätfutter wachsen. Das alles leuchtet ein.

Die Sache wird dem Wodlijörri auf die Trommel gegeben; die Leute versammeln sich, mit Rechen, Schaufeln, Heugabeln versehen, auf dem Kirchenplatz, und wie beim Begraben, ziehen die Patrouillen, 30-40 Köpfe stark, ihres Weges. Diejenigen Gebiete, wo die Säuberung am dringendsten nottut, sind unsere Wiesen. Da hatten die französischen Soldaten meistens ihre Lagerstätten aufgeschlagen und das Schlachtenwetter ist in seiner wütendsten Heftigkeit drüber hingefahren. – Hast du, lieber Leser, solch ein erstürmtes Lager schon gesehen? Fürwahr, etwas Merkwürdigeres kann deine Einbildungskraft sich nicht ausmalen. – Wie meinst du, muß es auf einer Wiesenfläche aussehen, wenn einmal etliche tausend Mann 10-14 Tage darauf gehaust haben? Was da alles für Abwürfe: verlegenes Stroh, halbverbrannte Holzscheiter, Aschenhaufen, verschüttete Nahrungsmittel, Knochen, Papier, Lumpen und sonstiger Kehricht durcheinanderliegen!

Bedenke, was für eine Menge Sachen der Soldat in seinen Taschen hat: Geldbeutel, Tabakspfeife, Messer, Soldbuch, Briefe, Photographien, Andenken usw., und im Tornister: Hemden, Strümpfe, Kamm, Spiegel, Bürsten, Büchsen, Knopfgabel, Schraubenzieher, kleinere Waffengeräte; und auf dem Tornister: Gamelle, Kochgeschirr, Schuhe, Löffel, Mantel, Zeltpflöcke, Zelttücher – und um den Mann vollends zu schürzen: Helm, Flinte, Bajonett, Patronentasche … Bedenke, was sonst noch alles zum Soldatenleben und zum Kriegführen gehört: Trommeln, Musikinstrumente, Wagen, Karren, Proviantkisten, Säcke, Fässer, Geschirre, Geschosse, Waffen und Equipierungsgegenstände aller Art – wer kann die Mannigfaltigkeit des Heerwesens beschreiben? Und nun wird die Schlacht geschlagen – eine der mörderischsten der neuern Geschichte –, nach zehnstündiger, heroischer Gegenwehr räumen die Franzosen das Feld, und die Deutschen dringen siegesjubelnd in die eroberten Positionen ein. Jetzt kannst du dir ungefähr eine Vorstellung von dem Anblick des Schlachtfeldes machen. Alles, was wir oben genannt haben, liegt in Tausenden von Gegenständen in unbeschreiblicher Anordnung durcheinander. Die Lagerstätten sind damit buchstäblich übersäet. Und was einen noch mehr wundernimmt, fast alle diese Überbleibsel sind wie absichtlich vernichtet worden; die meisten Gewehre zerschlagen, die Säbel verbogen, die Kochgeschirre eingetreten, die Tornister zerschnitten, die Zeltpflöcke zerbrochen … Es kommt einem gerade vor, als hätte sich nach der Schlacht der Zorn des Feindes oder die enttäuschte Habsucht der Langfinger an allen diesen Gegenständen gerächt und was nicht brauchbar schien oder keinen Wert versprach, dem Untergang preisgegeben. – Item, 's ist ein klägliches Schauspiel und man kann sich des Gedankens nicht erwehren: »Wenn die vielen zu Krieg und Blutvergießen hinausgeworfenen Millionen zu stillen Friedenswerken, zum Aufbau des Reiches Gottes verwendet würden, wie ganz anders stünde es doch um die Wohlfahrt der Völker!«

Wir fragen uns nun, was mit all den Trümmern anfangen? Etliche meinen, man solle Stück um Stück auflesen, ins Dorf hineinschaffen und befohlenermaßen abliefern. Aber da würden wir in vielen Wochen nicht fertig. Wir machen es anders. Was Gegenstände sind, die der Feind ausdrücklich gefordert hat und entweder wirklich brauchen kann oder aus Sicherheitsgründen requirieren muß: Flinten, Bajonette, Kürasse, Tschakos, Geschirre, Sättel usw. usw. tragen wir zusammen, die übrigen tausendfältigen Rudera sollen unsertwegen zugrunde gehen! Es bleibt aber kein anderes Mittel, um die Wiesen und Äcker zu säubern, als das: Wir putzen mit Rechen und Schaufeln jeden Flecken Landes, gleichviel was in den wüsten Kehrichthaufen zu liegen kommt, und diese Haufen, alle paar Schritte gibt's wieder einen, zünden wir an und verbrennen den ganzen Greuel zu Asche! So kommen wir davon und der Rauch, welcher sich allenthalben verbreitet, kann der öffentlichen Gesundheit nur heilsam sein. – Gesagt, getan – wir fronen wacker drauf los – von Wiese zu Wiese – überall flackern unsere Trümmerhaufen – lustig knattern die verlorenen Patronen in die Lüfte – das Blei wird schon Liebhaber finden, und in einigen Tagen ist auch diese harte Zwangsarbeit vollendet. Unsere Wiesen fangen an zu grünen; an manchen Stellen wunderbar rasch und üppig; es gibt noch einiges Ohmed; glücklich, wer noch Kühe hat. – Und die deutschen Sieger haben die Genugtuung, daß auf dem Kirchenplatz in Fröschweiler, auf dem Gemeindeplatz in Wörth und in allen umliegenden Ortschaften ganze Berge von Kürassen, Chassepots, Tornistern und sonstiger Siegesbeute sich türmen. Da liegt das Kriegszeug einige Tage; die vorübermarschierenden Truppen sehen's mit Staunen und Freude. Dann kommen deutsche Wagen und transportieren die eroberten Impedimenta über den Rhein.

Ob aber alles (namentlich alle Chassepotflinten) pünktlich abgeliefert worden ist, ob nicht auf manchem Heuschober, in mancher Kindeswiege noch ein Vaterlandsfreund verborgen steckt, das werden wir bald vernehmen.


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