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Montag, 8. August.
Endlich ist auch diese Nacht überstanden. Wir haben doch einige Stunden schlafen können. Die Schildwache steht noch vor'm Hause; der gute Bursche ist bis auf die Haut durchnäßt; – es hat ihn eben, wie er sagt, niemand abgelöst. Es hat sehr viel geregnet. Die Luft ist ganz anders; frisch, rein – wir atmen wieder frei auf. Die Pulver- und Leichendünste sind fort; die Blutlachen weggewaschen. – Wir haben Wasser vom Himmel, wenigstens für diesen Tag. Gottes Güte sei gepriesen für die erste Hilfe, denn ohne diesen Regen wäre sicherlich die Pestilenz über uns hereingebrochen. Nun aber ist diese Gefahr abgewendet. – Wir sind wie neu geboren; es kehrt wieder Mut und Hoffnung in die Herzen ein; denn nach der ersten Gotteshilfe dringt jetzt auch die erste Menschenhilfe zu uns herüber. Sie kommen aus den Nachbargemeinden und bringen ihre Liebesgaben: Milch, Suppe, Brot oder was sie sonst ihrer eigenen Not abbrechen können. Da kommt der Pfarrer aus Jägertal mit Nahrungsmitteln und nimmt auch noch unsere kleinsten Kinder mit und beherbergt sie eine ganze Woche; es kommt der Pfarrer von Langensulzbach und legt allerhand Proviant, auch Geld in unsere Hände. Es kommen Freunde aus Hagenau, zu Wagen und schenken uns Schokolade, Reis, Fleisch, Decken und nehmen auch gleich eine Anzahl Verwundeter mit in ihre Pflege. Es kommen Vorräte aus Straßburg, ebenfalls Schokolade, Kaffee, Gries, zwei mächtige Kalbsbraten. Wenn wir nur alle die Gaben noch wüßten! Gott kennt sie; er vergelte den edeln Gebern alles an Seinem Tage! Es kommt auch eine Kiste von der Großherzogin von Baden mit dürrem Obst, Speck, Pumpernickel usw. usw. O, welchen Trost bereiten uns alle diese Zeugnisse brüderlicher Teilnahme, welche jetzt den Weg nach unserm unglücklichen Fröschweiler finden! Es ist aber auch hohe Zeit. Viele Einwohner taumeln wie wahnsinnig vor Hunger und Erschöpfung. – Jetzt kann der allergrößesten Not gesteuert werden. Gott segnete das wenige; es wird schon noch mehr kommen; gewiß … Und wunderbar – wir finden auch etwas Köstliches, dessen Wert wir nicht genug schätzen können. Da kommt ein Bauer und sagt, da draußen im Feld liege ein großes Faß und da sei noch etwas drin, ob man's nicht holen solle für die Leute, für die Verwundeten? – »Geschwind nehmt Kübel und Krüge und holt's, was es auch sei, und bringt's her, wir teilen es aus« … Der geht und kommt bald wieder und bringt drei große Krüge voll des besten Kognak … Wir eilen damit fort und stellen das Labsal zur Verfügung der Ärzte ins Schloß, ins Schulhaus: ein stärkendes Tröpflein für viele! Wir finden noch etwas, ja noch viel mehr, wenn auch unter unsäglichen Strapazen. Da reitet an der Spitze eines Husarenregiments ein stattlicher Offizier, hoch zu Roß, doch wohlwollenden Angesichts. Was gilt's, in dem schlägt ein warmes Herz unterm strammen Waffenrock! Wir wagen es, hilft's nichts, schadet's nichts. Wir treten vor ihn, bitten um Lebensmittel für die Verwundeten; es könnte uns ja so eine Proviantkolonne etwas abtreten von ihrem Überfluß usw. Er hört uns teilnehmend an, kommandiert seinen Leuten Vorwärts, macht kehrt, gibt ein Zeichen, ihm zu folgen, reitet das Dorf hinab, ich hinterdrein; so nah, so rasch wie möglich; ja, ja, was wird aus mir werden? Er trabt immer weiter, das Feld hinein, ich folge nach im Kot bis an die Knöchel, ich kann schier nicht mehr mitkommen, aber es muß gehen … Endlich, ich denke meiner Lebtage dran, drunten gegen Wörth stoßen wir auf die ersehnte Proviantkolonne … Halt! »Herr Pfarrer, was wünschen Sie?« – »Was Sie mir geben; je mehr, je lieber!« – »Geben Sie gleich dem Herrn Pfarrer einen Sack Kaffee, einen Sack Reis, zwei Kisten Zwieback und einen Sack Salz!« – spricht's und sprengt seinem Regimente nach. Wer ist's gewesen? Ich habe nicht gefragt. Mir ist's wie ein Traum; ich weiß mir vor Freude nicht zu helfen. Aber die Nahrungsmittel sind kein Traum; der ganze Vorrat wird mir sofort übergeben, ich gehe nach Hause, schicke einige Bauern mit Schubkarren hinaus, sie bringen die Beute ins Lazarett – so, Gott sei Dank – jetzt schaltet und waltet und kochet und speiset die Kranken und helfet, wo noch zu helfen ist. Ja, fürwahr, bis hierher hat uns Gott gebracht durch seine große Güte: Jetzt sind wir gerettet, jetzt sind die bleichen, grinsenden Schreckbilder der Pestilenz und Hungersnot von uns abgewendet. Jetzt kann allenthalben an den Einwohnern und an den Verwundeten Samariterhilfe in Ausübung kommen. Was jene betrifft, so sind sie schon einigermaßen getröstet, sie fangen an zu glauben und zu erkennen, daß auch diese Kriegstrübsal wieder ein Ende nehmen werde. Die schwersten Erschütterungen sind überwunden, die erste Hilfe hat sie beruhigt, gestärkt und ihnen die Hoffnung gegeben, daß sie auch fernere Teilnahme finden werden. Die Flüchtlinge sind zurückgekehrt und merken nun auch, daß keine Gefahr mehr vorhanden ist. Nirgends, oder doch bei den allerwenigsten, offenbart sich Zorn und Bitterkeit; sie sind gefaßt, erkennen Gottes große Führungen und ergeben sich geduldig ins unvermeidliche Schicksal. Wir werden später noch sehen, wie die barmherzige Liebe von allen Seiten, aus allen Landen sich über unsere Gemeinde ergossen hat. Was die Verwundeten anbelangt, wollen wir nun über deren fernere Pflege und Versorgung hier noch Näheres mitteilen.