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VI

Schon um vier Uhr erwachte Pelle, obwohl er spät zu Bett gegangen war. Er schlief in dieser Zeit einen Hühnerschlaf, die Sommernacht lag wie ein lichtes Mahnen über seinen Augenlidern. Er schlich in die Küche hinaus und wusch sich – und ging dann hinab an seine Arbeit. Der weißgraue Atem der Nacht hing noch sichtbar unten in der Straße, aber hoch oben bei den Dächern sproßte ein rötlicher Schimmer auf. »Nun geht die Sonne über dem Lande auf«, dachte er und erinnerte sich der Morgen in seiner Kindheit: der Felder mit dem silbergrauen Taugespinst, und der Sonne, die plötzlich kam und es in Millionen strahlender Diamanten umwandelte. Ach, könnte man wieder einmal barfüßig und leicht erbebend hinauslaufen in das taufeuchte Gras und unverzagt dem dämmernden Tage entgegen rufen: auf mit dir, Sonne, Pelle ist schon hier!

Der Nachtwächter kam schlurfend vorüber an dem geöffneten Fenster auf seinem Weg nach Hause. »Schon auf«, sagte er nachtheiser und nickte hinab. »Ja, Morgenstunde hat Gold im Munde – du wirst noch einmal reich, Schuster!« Pelle lachte, er war reich!

Er dachte an Frau und Kinder, während er arbeitete. Der Gedanke hatte etwas Trauliches, daß sie da lagen und so ruhig schliefen, während er hier saß und sich abmühte; das zeigte, daß er ihr Versorger war. Aus jedem Hammerschlag wuchs das Heim auf, darum hieb er so munter darauflos. Arm waren sie, aber das war gleichgültig im Verhältnis dazu, daß, wenn er jetzt fortgenommen würde, vieles zugrunde gehen würde. Für die Kinder war er bereits die Vorsehung: bei allem hieß es: Vater soll! oder: Vater hat selbst gesagt! – In ihren Augen war er die Unfehlbarkeit selber. Und Ellen fing an, mit ihren Sorgen zu ihm zu kommen, sie ging nicht mehr stumm mit ihren Angelegenheiten herum, sondern erkannte, daß er stärkere Schultern hatte.

Es kam im Grunde so unverdient von selbst, als wenn gute Kräfte für ihn arbeiteten. So beschämend es war, daß die Frau mit arbeiten mußte für den Unterhalt der Familie; er war nicht imstande gewesen, sie davon zu befreien – und was war er für die Kinder gewesen? Es war nicht leicht, alles auf einmal auf nacktem Boden aufzubauen, und die Versuchung lag sehr nahe, etwas fallen zu lassen und das übrige um so schneller durchzuführen. So wie er jetzt war, war er im Grunde nichts! Nicht der alte Pelle und nicht der neue, sondern etwas Unbestimmbares, das sich unterwegs befand und in hohem Maße der Nachsicht bedurfte! Ein Haufen Hausgerät auf einem Möbelwagen, auf dem Wege zu der neuen Wohnung.

Von außen her hatte er Gelegenheit genug, das zu fühlen; alte Freunde wie auch alte Feinde betrachteten ihn wie jemand, mit dem es sehr zurückgegangen war. »Sind das wirklich die Überreste des alten Kraftkerls?« sagte ihr Blick. Aber die Seinen waren dafür nachsichtig. »Vater hat keine Zeit,« sagte Schwester erklärend zu sich selbst, wenn sie da unten um ihn herumpusselte – »aber er kriegt wohl bald Zeit!« Und dann malte sie sich all das Herrliche aus, das geschehen sollte. Pelle wurde so wunderlich zumute – er mußte zusehen, daß er ein wenig schnell hier hindurchkam.

Es war ein finsterer und unwegsamer Weltteil, in den er sich hinausgewagt hatte, aber nun fing er an, sich orientieren zu können. Da waren Höhenzüge, die beständig wiederkehrten, und einzelne Berggipfel, die man jedesmal erreichte, wenn man aus dem dichten Gewölk herauskam. Und eine reiche Gegend war es, vielleicht war dies das Land, das er und die anderen gesucht hatten. Wenn er hindurchgekommen war, wollte er es ihnen doch zeigen.

Pelle hatte ein gutes Gedächtnis und erinnerte sich alles dessen, was er gelesen hatte. Vieles davon konnte er wortgetreu zitieren, und des Morgens, ehe die Straße noch erwacht war, pflegte er das Ganze noch einmal in Gedanken durchzunehmen, während er arbeitete. Es wunderte ihn, wie wenig sich die Weltgeschichte mit seinen Standesgenossen beschäftigte, erst in der allerletzten Zeit hatte man sie mitgenommen. Nun, er war nicht ungehalten darüber, die Bewegung war also etwas wirklich Neues und nicht eine von den ewigen Wiederholungen der Geschichte. Nun verlangte er, ihre Idee schwarz auf weiß zu sehen, und eines Tages saß er wunderlich feierlich in der Bibliothek mit Marx und Henry George vor sich. Pelle war auch nicht unwissend auf diesem Gebiet, aber dies war doch, als ziehe er ein großes Zugnetz aus der Tiefe – eine strahlende Wunderwelt kam mit herauf. Hier waren unumstößliche logische Beweise dafür, daß er richtig begriffen hatte, obwohl er aufs Geratewohl hineingriff. Das Glücksland war groß genug für alle; je mehr dort einrückten, um so größer wurde es. Er saß da und bekam Lust, wieder auszulangen, eine neue Schlacht für das Glück zu schlagen!

Plötzlich ging es wie ein Bergrutsch durch das Haus von oben bis unten, ein kurzes, ohrenbetäubendes Gewitter, das ihn wieder zu seinem Heim zurückführte. Es war nur Lasse Frederik, der den Tag einleitete. Er nahm mit jedem Sprung einen Absatz, sandte dem Vater einen Gruß hinab und stürzte davon an die Arbeit. Die letzte Tragbandstrippe knöpfte er, während er lief. Bald darauf kam Ellen mit dem Morgenkaffee herunter.

»Warum hast du mich nicht geweckt, als du aufstandest?« fragte sie schmollend. »Es ist nicht gesund, so lange zu sitzen und zu arbeiten, ohne etwas in den Leib zu bekommen.«

Pelle lachte und küßte sie zum Gutenmorgen. »Die feinen Damen stehen erst lange nach ihren Männern auf«, sagte er foppend.

Aber Ellen ließ sich nicht mit Scherzen abspeisen. Eine ordentliche Frau sei vor ihrem Mann auf und habe etwas für ihn bereit. »Ich will, daß du mich weckst«, sagte sie bestimmt und mit dunkelroten Wangen. Es kleidete sie, sich einmal zu ereifern.

Während er Kaffee trank, saß sie da und unterhielt ihn über ihre Angelegenheiten, und sie beredeten den Plan des Tages miteinander. Dann ging sie hinauf, um den Kindern in die Kleider zu helfen.

Am Vormittag legte Pelle die Arbeit beiseite, er machte sich fertig und ging aus, um sie abzuliefern. Gleichzeitig wollte er auf die Bibliothek, um etwas in dem großen Lexikon nachzuschlagen.

Die Straße lebte ihr eigenes stilles Leben hier dicht in der Nähe des großen Verkehrs – eintönig tagaus, tagein. Der dicke jüdische Althändler stand auf der Treppe und paffte aus seiner Holzpfeife. »Guten Morgen, Schuster«, grüßte er. Ein gelber schiefäugiger Morgenländer in Pantoffeln und langem schwarzen Kaftan balancierte ganz heimisch die Treppe des Milchkellers hinauf, eine Kumme mit Sahne in der einen Hand und ein Brot in der anderen. Und gegenüber auf dem Bürgersteig gingen ein paar Jungen und spielten »Kopf oder Schrift« gerade unter der großen roten Laterne, die die ganze Nacht hindurch ihr »Hühneraugenoperateur« die Straße hinaufleuchtete. Zwei Dirnen im Radlerkostüm zogen ihre Maschinen aus einem Torweg heraus, sie wollten in den Wald. »Guten Morgen, Pelle! Wie geht es mit Ellens Geschäft?« fragten sie familiär. Es waren ein paar, für die sie gewaschen hatte.

Pelle liebte diesen bunten Stadtteil, wo neue Läden mit großen Spiegelscheiben Seite an Seite mit niedrigen Erdgeschossen lagen, in denen man Kleinhandel hinter gewöhnlichen Fenstern mit Goldlack und Georginen trieb, ganz wie daheim in der Provinz, und nur eine Schnur über die Blumentöpfe gezogen hatte mit einem Brief Sicherheitsnadeln und einem Bund Schnürlitzen daran. Hier wohnten arme Leute genug, aber das Leben war doch nicht so hart wie da draußen im Norden. Die Leute nahmen das Leben leichter, es erschien ihm weniger geradlinig, aber auch weniger selbstgerecht. Es war, als hätten sie ein leichteres Temperament mitbekommen, sie gingen nicht so sicher und gut abgerichtet zu und von der Arbeit, hatten aber dafür mehrere Auswege, sich das tägliche Brot zu schaffen.

Es lag etwas von Aufbruch über dem Ganzen, was seinem eigenen Zustand sehr entsprach; die Unsicherheit des Lebens legte eine eigene, hochgespannte Stimmung über alles. Die Armut kam nicht in dichten, mannesstarken Arbeiterkolonnen anmarschiert, sie hatte eine große und bunte Garderobe, konnte in den letzten Gamaschenstiefeln aus den herrschaftlichen Häusern des alten Kopenhagen auftreten, oder auch mit goldener Brille und Zylinder. Er glaubte, daß er alle Berufe kenne, aber hier waren Hunderte von Erwerbszweigen, die sich nicht organisieren ließen, jeden Tag entdeckte er neue und sonderbare Gewerbe. Er entsann sich, wie schwer es gewesen war, hier draußen zu organisieren; das Leben formte sich so unübersichtlich.

Hier war Platz für alles, Tür an Tür wohnten Leute, die die Bewegung noch nicht aufgesammelt hatte, und Leute, die in starrem Trotz über sie hinausgeschossen waren. Hier war auch für ihn Platz; der Schatten, vor dem er sich gegraut hatte, folgte ihm nicht. Man hatte zu viel vom Leben gesehen, um sich in die Angelegenheiten anderer zu mischen; das Großbürgertum war nicht imstande gewesen, sich des kleinen Mannes anzunehmen. Es lag etwas von der »Arche« über diesem Stadtteil – nur nicht ihre Hoffnungslosigkeit, alle Möglichkeiten hausten hier im Gegenteil. Der arme Mann hatte dies Terrain von der reichen Bürgerschaft erobert, und es schien ihm, als wenn die Entwicklung dadurch in ihrer Richtung beeinflußt worden sei. Hier war es das Proletariat, dessen buntes Wesen aufwärts drängte und sozusagen das Ganze durchsäuerte. In den langen Seitengassen, in denen es von Trödlern und Pfandleihern wimmelte, hatte sich das Dasein nicht in seine verschiedenen Bestandteile voneinander geschieden. Dirnen und Spielvögel wohnten Tür an Tür mit alten, friedlichen Bürgersleuten, die ehrbar von ihren Zinsen lebten und jeden Sonntag mit dem Gesangbuch in der Hand zur Kirche gingen. Der Eisenkrämer hatte goldene Uhren und Antiquitäten zwischen altem Gerümpel in seinem Keller.

Er ging die Westerbrückenstraße hinab, nach der Stadt zu. Die Sommerferien waren eben beendet, der Bürgersteig auf der Figaro-Seite war voll von sonnengebräunten Menschen – Geschäftsleute, Studenten, Kursus besuchende junge Mädchen, die durch eine eigene muntere Laune das Gewimmel erhellten. Sie waren eben in die Stadt zurückgekehrt und rochen noch nach frischem Wind und Seestrand – das war fast so gut wie eine Wanderung aufs Land. Und wollte er weiter in die Welt hinaus, so konnte er auch das. Der Westen hatte Gestalten genug, die ihn bei der Phantasie packten und ihn nach auswärts hinauswirbelten. Es war wie ein Kai, wo alle Welt einander Stelldichein gab, Artisten und Seeleute und internationale Agenten. Wunderliche Frauen kamen durch die Menge gesegelt, groß, exotisch, saftvoll wie Treibhausfrüchte; er erkannte sie nach dem Bilde von der Tochter der Trödlerin in der »Arche« und wußte, daß sie zu dem internationalen Verpflegungschor gehörten! Sie gingen in tigergestreiften Promenadentoiletten, das gewaltige, champagnergefärbte Haar duftete nach fremden Gegenden, nach vielen Häfen und Routen so wie das Innere der Dampfer; die kräftigen, stillstehenden Gesichter strotzten von Massage und erinnerten an einen geputzten rosigen Kinderpopo. Sie segelten majestätisch den Strom hinab wie ein Schiff mit vollen Segeln. In ihrem Kielwasser tummelten sich kleine, energische Wesen, die auch mit zu dem Zug gehörten und sich so ausstaffiert hatten, daß sie Kindern glichen – mit Puffärmeln, kurzen Kleidern und Babyhaar. Zitternde Greise, die die Sonne hinausgelockt hatte, standen verloren still und folgten den schönen Kindern mit den Augen.

Pelle empfand ein eigenes Wohlbehagen, mit diesem Strom dahinzugleiten, der breit und ruhig flutete wie das Leben selbst. Die Welt war größer als er gedacht hatte, und er nahm nicht Partei für oder gegen etwas, sondern wunderte sich nur über die Mannigfaltigkeit des Lebens.


Gegen zwei Uhr kam er mit einem großen statistischen Werk unter dem Arm aus der Bibliothek nach Hause. Ellen nahm ihn mit roten Augen in Empfang.

»Haben deine Logiergäste dir nun das Leben wieder sauer gemacht?« fragte er und sah ihr ins Gesicht. Sie wandte den Kopf ab.

»Hast du Geld für die Arbeit bekommen?« fragte sie, statt zu antworten.

»Nein, der Mann selbst war nicht im Laden. Sie wollen das Geld bringen.«

»Dann haben wir keinen roten Heller – und ich hab' kein Mittagessen für dich!« Sie versuchte zu lächeln, als sie das sagte, aber die dichten Wimpern zitterten.

»Nichts weiter?« sagte Pelle und schlang den Arm um sie. »Warum hast du mir nicht Hafergrütze gekocht? Ich hatte mich auf eine gewaltige Portion gefreut.«

»Hafergrütze hab' ich – aber du kriegst ja beinahe nichts weiter. Das ist doch kein Essen für einen Mann!«

Er faßte sie mit beiden Händen um die Hüfte, hob sie empor und setzte sie zart und behutsam auf den Küchentisch. »Das kommt von der Hafergrütze, mein Schatz«, sagte er ausgelassen. »Ich kann fast nicht gehen vor lauter Kräften.«

Aber Ellen war mit aller Gewalt kein Lächeln abzuzwingen; da war irgend etwas los, sie wollte nicht recht damit heraus. Endlich entlockte er ihr die Wahrheit – die beiden musikalischen Clowns waren ausgerissen, ohne die Hausmiete zu bezahlen. Ihre guten Betten hatten sie ruiniert, mit Kleidern darin gelegen und sie so eingeferkelt, daß sie nicht mehr zu retten waren. Sie wollte es ungern zugeben, da er ihr seinerzeit davon abgeraten hatte. Aber dann auf einmal brach sie gänzlich zusammen. »Du mußt mich nicht auslachen«, schluchzte sie und barg das Gesicht an seiner Schulter.

Pelle suchte sie zu trösten, aber das war nicht so leicht. Es war nicht dies eine Unglück, sondern das ganze Fiasko, über das sie zusammenbrach – sie hatte sich so viel von ihrem großen Plan versprochen. »Es läßt sich gewiß noch retten«, sagte er, um sie zu trösten. »Wir legen uns nun gehörig ins Geschirr, dann kommt es doch noch, sollst du sehen.«

Aber Ellen ließ sich keinen Sand in die Augen streuen. »Du meinst es ja gar nicht,« sagte sie heftig, »du sagst es nur mir zuliebe! Und der Althändler hat auch heut' vormittag geschickt und sagen lassen, wenn er nicht bald den Rest von seinem Geld kriegte, ließ er sich den ganzen Kram wieder abholen.«

»Dann laß ihn ihn nur holen – dann sind wir die Geschichte los.«

»Aber dann verlieren wir alles, was wir abgezahlt haben!« rief sie heftig aus und trocknete die Augen.

Pelle zuckte die Achseln: »Dabei ist nichts zu machen.«

»Sollten wir dann nicht lieber sehen, daß wir die Sachen nach und nach verkauft kriegen? Wir schulden nur noch ein Drittel.«

»Das können wir nicht – das ist strafbar. Wir haben einen Leihkontrakt auf die Ausstattung des Logis, und solange wir ihm noch einen Öre davon schulden, gehört ihm das Ganze. – Nun, wir sind ja aber alle munter und gesund, was ist da für Not?«

»Das kannst du wohl sagen«, entgegnete Ellen und versuchte zu lächeln. »Aber je munterer wir sind, um so mehr Essen gehört dazu.«

Da kam eine Dirne mit ein Paar Stiefeln gerannt, die ganz schnell besohlt werden sollten; sie gehörten Königin Therese, sie wollte sie noch heute abend gebrauchen. »Dann bekommen wir doch wenigstens ein paar Öre in die Hand«, sagte Ellen neubelebt. »Ich helf' dir, dann sind sie schnell fertig.«

Sie setzten sich jedes an seine Seite des Tisches und machten sich an die Arbeit. Es erinnerte an die allererste Zeit ihrer Ehe; von Zeit zu Zeit hielten sie inne und lachten, wenn Ellen irgendeinen Griff vergessen hatte. In anderthalb Stunden waren die Stiefel fertig, und Pelle ging selbst damit hin, um des Geldes sicher zu sein.

»Du triffst sie am sichersten in der Kneipe«, sagte Ellen. »Um diese Zeit essen die Artisten zu Mittag, dann pflegt sie da zu sein.«

In der Artistenkneipe herrschte reges Leben. An den kleinen Tischen saßen knochige, kurzgeschorene Männer von einem eigenen rötlichen Typus und aßen zusammen mit einem der Mädchen aus dem Viertel. Es waren Akrobaten, Clowns oder Ringkämpfer – Leute von gleichartigem Weltschnitt, großgewürfelt gekleidet, mit mächtigen, bis auf die Fingernägel herabfallenden Manschetten und förmlich gepanzerten Stiefelschnauzen. Sie kauten breit und starrten stumpfsinnig in die Luft hinaus zu dem Spektakel der Mädchen, trugen eine eisenharte, brutale Maske statt des Gesichts und große Diamantringe an den Fingern. Einige von ihnen sahen aus, als hätten sie den Unterkiefer absichtlich entwickelt, um Boxerschläge aufzunehmen, so kräftig war er. Drinnen in dem anstoßenden Zimmer gingen ein paar zierliche Burschen umher und spielten Billard, während sie verstohlen beobachteten, was an den Tischen vor sich ging. Sie hatten das Haar in die Stirn hineingekämmt und trugen Lackschuhe.

Königin Therese war nicht da. Dann ging er in die Danebrogstraße, wo sie wohnte. Aber sie war nicht zu Hause, er mußte die Stiefel beim Nachbar abliefern und mit leeren Händen gehen.

Nun, das war ja nichts weiter, als was man hatte erwarten können! Wenn die Not am größten war, spielte der Zufall mit einem wie die Katze mit der Maus! Pelle war nicht halb so zuversichtlich, wie er sich stellte, wenn er Ellen gegenüberstand. Die Wirklichkeit fing an, ihn zu drücken. Er schlenderte zu Morten hinaus, aber ohne Zutrauen auf ein Ereignis; Morten hatte viele Löcher für das, was er verdiente.

»Du kommst gerade im rechten Augenblick«, sagte Morten und fächelte mit zwei Zehnkronenscheinen. »Ich habe eben zwanzig Kronen vom ›Arbeiter‹ bekommen, die können wir teilen. Das ist mein erstes Geld von der Seite, da kannst du glauben, daß ich dreimal darauf gespuckt hab'!«

»Dann haben sie also doch den Weg zu dir gefunden!« rief Pelle erfreut aus.

Morten lachte: »Ich halt' es satt, meine Arbeiten in der Zeitung nachgedruckt zu sehen, da man mich ja doch nicht kennen wollte; so ging ich denn auf die Redaktion und machte sie aufmerksam auf den Paragraphen, der vom Nachdruck handelt. Du hätt'st das Gesicht sehen sollen, das sie aufsetzten! Zum Teufel auch, es ist kein Pläsier, sein Brot sozusagen von dem Elend zu verdienen! Und noch peinlicher wird das, wenn man so hinterher noch seine sauren Schillinge erbetteln muß. Du kannst mir glauben, unter anderen Verhältnissen täte ich es auch nicht – lieber wollt' ich hungern. Aber ich will mich auf alle Fälle nicht von meinen eigenen Parteigenossen aussaugen lassen! – Es ist übrigens lange her, seit du hier warst.«

»Ich habe so viel zu tun gehabt. – Wie geht es Johanne?« Das letzte sagte er in flüsterndem Tone.

»Augenblicklich nicht gut – sie hütet das Bett. – Sie fragt beständig nach dir.«

»Ich bin in der letzten Zeit sehr beschäftigt gewesen! Leider ist es mir immer noch nicht gelungen, etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Ist sie noch immer so unregierlich?«

»Wenn sie ihren Schlechten hat, läßt sie durchblicken, daß sie uns wohl auf die Spur helfen könnte, wenn sie nur wollte. Ich glaube, es macht ihr Spaß, uns zum Narren zu haben.«

»So raffiniert kann ein Kind doch nicht sein!«

»Sag' das nicht. Du mußt bedenken, daß sie kein Kind ist – sie hat zu fürchterliche Erfahrungen gemacht. Ich habe eigentlich den Eindruck, daß sie mich haßt und darauf sinnt, mir zu schaden. Du ahnst nicht, wie gehässig ihr Sinn sein kann; es ist, als wenn die Dünste von da unten her sich in ihr in lebendiges Gift verwandelt hätten. Kommt hier jemand, von denen sie weiß, daß ich sie gern hab', so stichelt sie auf sie, sobald sie gegangen sind – sagt irgend etwas Giftiges, um mich zu verletzen. Du bist der einzige, den sie verschont, deswegen glaube ich, daß irgendein geheimes Band zwischen euch bestehen muß. Versuch' doch noch 'mal, ihr auf den Zahn zu fühlen.«

Sie gingen zu ihr hinein. Als sie die Tür öffneten, schlüpfte sie schnell unter das Deckbett – sie hatte an der Tür gelauscht. Sie tat so, als schlafe sie ganz fest. Morten ging wieder in sein Zimmer, um zu arbeiten, und schloß hinter sich zu.

»Nun, Johanne,« sagte Pelle und setzte sich auf den Rand ihres Bettes – »ich hab' einen Gruß für dich. Kannst du wohl raten von wem?«

»Von Großmutter!« rief sie aus und richtete sich eifrig auf. Dann schämte sie sich, daß sie sich hatte überlisten lasten, und kroch unter das Oberbett. Sie lag da und schielte mißtrauisch zu ihm auf, mit zusammengepreßten Lippen. In dem Blick und der Kopfhaltung war etwas, das gleichsam entschlummerte Erinnerungen in ihm wachrief, aber er konnte es nicht festhalten.

»Nein, nicht von Großmutter. – Wo ist die übrigens jetzt – ich möchte gern mit ihr reden. Könntest du nicht mit mir zu ihr gehen, wenn du erst wieder gesund bist?«

Sie lag da und betrachtete ihn mit schimmernden Augen und einem spöttischen Ausdruck. »Ja, das möcht'st du wohl, mein Jung!« erwiderte sie mit dem Refrain eines Gassenhauers.

»Sag' mir jetzt, wo sie wohnt, Johanne«, fuhr Pelle fort und nahm ihre magere Hand zwischen die seinen. »Dann bist du ein gutes Mädchen.«

»Ja, des Nachts!«

Pelle runzelte die Stirn: »Du mußt sehr herzlos sein, wenn du deine alte Großmutter verlassen kannst und es ihr nicht einmal gönnst, daß andere ihr helfen. Ich bin überzeugt, sie sitzt irgendwo und leidet Not.«

Johanne sah ihn verbittert an. »Ich hab' sie auch geprügelt«, rief sie feindselig aus.

Sie brach in ein Gelächter aus über Pelles Ausdruck. »Nein, das hab' ich denn doch nicht getan«, sagte sie beruhigend, »ich hab' ihr bloß den Stock weggenommen und ihre Brille versteckt, so daß sie nicht auf die Straße gehen und Sahne holen konnt'. Da mußt' sie mich denn hinschicken, und da trank ich all' die Sahne aus und goß Wasser in den Topf. Sie konnt' es nicht sehen, und da schimpft sie auf das Milchgeschäft, weil die mogelten.«

»Jetzt dichtest du gewiß«, sagte Pelle unsicher.

»Ich brach auch die Krumen aus dem Brot heraus und ließ sie die Kruste essen«, fuhr Johanne fort und nickte.

»Hör' jetzt auf damit,« sagte Pelle und strich ihr über die schweißbedeckte Stirn – »ich weiß ja, daß ich dich verletzt habe.«

Sie schob wütend die Hand zur Seite. »Weißt du, was ich wohl möchte?« sagte sie plötzlich, »ich wollt', daß du mein Vater wärst!«

»Würde dich das freuen?«

»Ja, denn wenn du dann so recht krank und arm wärst, würd' ich dich gerade so gut behandeln, wie ich Großmutter behandelt hab'.« Sie lachte klanglos.

»Ich bin überzeugt, daß du immer nur gut gegen Großmutter gewesen bist«, sagte Pelle ernsthaft.

Sie sah ihn starr an, um zu sehen, ob er das wirklich auch so meinte. Dann wandte sie sich nach der Wand um. Er konnte es ihrem gekrümmten Körper ansehen, daß sie mit dem Weinen kämpfte, und versuchte, sie nach sich herumzudrehen. Aber sie machte sich steif.

»Ich will nich' mit Großmutter zusammen,« flüsterte sie verbissen, »ich will nich'.«

»Aber du hast sie ja doch lieb!«

»Nein, ich hab' sie nich' lieb – ich kann sie gar nich' ausstehen! Sie hat zu der Nachbarin gesagt, ich wär' bloß im Wege! Diese verdammte Göre wäre bloß schuld daran, daß sie nich' ins Stift kommen könnt', sagt' sie – ich hab' es selbst gehört. Und ich lief doch 'rum und bettelte alles Essen für sie zusammen. Aber da lief ich weg!« Sie stieß die Sätze heraus und ballte das Laken krampfhaft zusammen; die Stimme war ganz heiser.

»Aber du mußt mir doch erzählen, wo sie ist!« sagte Pelle eindringlich. »Ich verspreche dir auch, daß du nicht zu ihr hin sollst, wenn du es nicht selbst willst.«

Das Kind schwieg eigensinnig, es glaubte nicht an Versprechungen.

»Ja, dann muß ich also zur Polizei gehen, um sie zu finden, gern tue ich das freilich nicht.«

»Nein, denn du hast ja gesessen!« rief sie mit einem kurzen Lachen aus.

Es huschte ein gequälter Zug über Pelles Gesicht.

»Findest du das so amüsant?« fragte er und blinzelte mit den Augen. »Ich bin überzeugt, Großmutter hat nicht darüber gelacht.«

Johanne wendete sich halb um: »Nein, sie hat geweint! Dann hatt' sie ja keinen, der uns Essen geben konnt' – darum hatt' sie geweint.«

Es dämmerte ihm. »Wo seid ihr beide eigentlich den Tag auf dem Gemeindeanger abgeblieben? Wir wollten doch zusammen essen«, sagte er.

»Als sie dich einsteckten? Ach, wir konnten dich nicht finden, und da gingen wir ganz einfach nach Hause.« Sie hatte ihr Gesicht ganz nach ihm umgewendet und lag da und betrachtete ihn mit ihren großen grauen Augen. Es war Hannes Blick, dahinter arbeitete dasselbe Staunen über das Dasein; aber hier war ein schreckliches Wissen hinzugesetzt. Auf einmal zuckte es in ihrem Gesicht; sie entdeckte, daß sie überlistet war und sah ihn mit einem stechenden Blick an.

»Ist es wahr, daß du und Mutter Liebesleute gewesen seid?« fragte sie plötzlich schadenfroh.

Pelle errötete ein wenig. Die Frage überrumpelte ihn völlig. »Ich will dir gern alles über deine Mutter erzählen, wenn du mir dann auch alles erzählen willst, was du weißt«, sagte er und sah sie aufrichtig an.

»Was willst du denn wissen?« Sie sprach in einem examinierenden Ton. »Willst du über mich in den Zeitungen schreiben?« »Liebes Kind – wir müssen doch deine Großmutter finden. Es kann ja doch sein, daß sie Hunger leidet.«

»Ich glaube, sie ist im Altenheim«, sagte das Kind leise. »Ich ging des Donnerstags da hin, wenn die Alten Erlaubnis bekamen, auszugehen und sich ein bißchen zum Kaffee zusammenzubetteln; und da hab' ich sie einmal gesehen.«

»Gingst du denn nicht zu ihr hin?«

»Nein, ich mocht' ihr Gejammer nicht länger mit anhören!«

Johanne war nicht mehr starr und trotzig. Sie lag mit abgemagertem Gesicht da und antwortete – ein wenig widerwillig auf Pelles Fragen, während sie verlegen mit seinen Fingern spielte. Die knappen Antworten wurden für ihn zu einer zusammenhängenden, traurigen Geschichte.

Die Witwe Johnsen war nicht mehr viel wert, als die »Arche« erst abgebrannt war; sie fühlte sich überall so alt und hilflos, und als Pelle eingesteckt wurde, brach sie ganz zusammen. Sie und die Kleine litten Not, und als Johanne merkte, daß sie im Wege war, lief sie weg – da hin, wo sie es gut haben konnte. Die Alte war ihr wohl auch im Wege gewesen; sie hatte dasselbe leichtsinnige Traumgemüt wie die Mutter, und nun sagte sie sich von allem los und lief dem Wunderbaren entgegen. Ein älterer Spielkamerad vergewaltigte sie und führte sie zu den Jungen hinaus nach dem Holzlager. Dort führte sie ein Vagabundenleben, schlief häufig unter offenem Himmel und machte hin und wieder lange Finger, lernte aber bald, Geld auf eigene Faust zu verdienen. Wenn es kalt wurde, ging sie als Aufwaschmädchen in die Wirtshäuser oder verrichtete Laufmädchendienste für die Dirnen in der Daneborgstraße, wunderbarerweise entging sie immer der Polizei. In der ersten Zeit war sie ein paarmal auf dem Wege zu der Großmutter zurück, kam aber nicht weiter als bis auf die Treppe; sie fürchtete sich vor Strafe und konnte es auch nicht aushalten, dazusitzen und die wimmernden Klagen der Alten anzuhören. Allmählich fand sie sich in ihrer neuen Lebensweise zurecht und empfand kein Bedürfnis mehr, aus diesen Zuständen herauszukommen – wahrscheinlich weil sie anfing, sich dem Trunk zu ergeben. Von Zeit zu Zeit schlich sie doch in das Altenheim und fing einen Schimmer von der Großmutter auf; sie konnte sich nicht erklären, warum sie das tat, und hielt an der Behauptung fest, daß sie sie nicht ausstehen könne. Die ungerechte Klage der Alten, daß sie ihr zur Last liege, hatte sich tief in das Gemüt des Kindes hineingefressen; im letzten Jahr hatte sie eine Zeitlang in einer Seemannskneipe unten im neuen Hafen bei einem Wirtshaushalter Elleby aufgewartet – bei demselben Bauernfänger, der Pelle bei seiner ersten Ankunft in Kopenhagen das Fell über die Ohren gezogen hatte. Elleby pflegte unkonfirmierte Mädchen zu adoptieren, um auf die Weise das Gesetz zu umgehen und weibliche Bedienung für die Seeleute zu haben; sie pflegten nach Verlauf von einem oder zwei Jahren zu sterben – er ging immer mit einem schwarzen Flor um den Arm. Johanne sollte auch adoptiert werden, rannte aber rechtzeitig weg.

Langsam gestand sie ihm das Ganze, roh und grauenvoll, wie es war, mit der instinktiven Vertraulichkeit, die die Geschöpfe der »Arche« zu ihm gehabt halten, und die von Mutter und Großmutter als Erbe auf sie übergegangen war. Welch ein Abgrund von Schrecken! Hier war er seiner Wege gegangen und hatte gemeint, es habe keine Eile, das Leben sei reicher als man glaube! Aber die Kinder, die Kinder! Sollten die auch warten, während er sich einen Überblick über die Mannigfaltigkeit des Daseins verschaffte? Warten und zugrunde gehen? Bedurfte es überhaupt besonderer Kenntnisse und eines weiten Blickes, um für gerechtere Zustände zu kämpfen? Tat da etwas anderes not, als daß man gut war? Während er dasaß und Bücher las, wurden vielleicht Kinder zu Tausenden niedergetreten; gehörte das auch mit zum Leben und forderte das Behutsamkeit? Zum erstenmal zweifelte er an sich selber.

»Jetzt mußt du dich hinlegen und schlafen«, sagte er weich und strich ihr über die Stirn; sie war brennend heiß, es pochte darin. Erschreckt fühlte er ihren Puls. Die Hand fiel mager und gleichsam ausgebrannt in die seine, und der Puls hüpfte. Ach, Hannes Fieber raste in ihr.

Sie hielt seine Hand fest, als er aufstehen wollte, um zu gehen. »Hatten Mutter und du denn eine Liebschaft zusammen?« fragte sie flüsternd und hielt die glanzvollen Augen erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Und plötzlich verstand er dies zudringliche Fragen – und ihre ganze sonderbare Umgänglichkeit ihm gegenüber.

Einen Augenblick sah er zögernd in ihren erwartungsvollen Blick, dann nickte er langsam. »Ja, Johanne, du bist meine kleine Tochter!« sagte er und beugte sich über sie nieder. Sie verzog das leichenblasse Gesicht zu einem schwachen Lächeln und berührte geniert sein Kinn mit den Bartstoppeln. Dann wandte sie sich ab, um einzuschlafen.

Pelle machte Morten mit wenigen Worten mit der Vorgeschichte des Kindes vertraut –: Frau Johnsens und des Mannes vergeblicher Kampf, in die Höhe zu kommen, sein unheimlicher Tod in der Kloake und Hannes Heranwachsen über dieser Kloake als die gefeierte Prinzessin der »Arche« – Hanne, die das Glück einfangen wollte, und statt dessen dies arme Kind fing!

»Du hast mir nie von Hanne erzählt«, sagte Morten und sah ihn an.

»Nein«, entgegnete Pelle langsam. »Sie stand vor mir selber so wunderlich unwirklich da – wie ein zu holder Traum. Sie tanzte sich zu Tode! Aber du kannst dem Kinde gegenüber gern so tun, als wenn ich ihr Vater bin.«

Morten nickte. »Du könntest für mich nach dem Altenheim gehen und dich nach der Großmutter erkundigen – es ist unrecht, daß sie ihre alten Tage da zubringen soll!« Er sah sich in der Stube um.

»Hier kannst du sie ja doch nicht haben«, sagte Pelle.

»Es ließe sich am Ende doch einrichten. Sie und das Kind gehören ja doch zusammen.« – – –

Pelle ging erst mit dem Geld nach Hause zu Ellen und eilte dann nach dem Altenheim hinaus.

Frau Johnsen lag im Krankenzimmer und hatte nicht mehr viele Tage zu leben. Es währte eine ganze Weile, bis sie ihn erkannte, und die Vergangenheit schien sie vergessen zu haben. Es machte gar keinen Eindruck auf sie, als er ihr erzählte, daß die Enkelin gefunden sei. Sie lag fast immer da und wimmerte unverständlich vor sich hin; sie jammerte um ihr täglich Brot, sie war noch immer in dem Wahn, daß sie Hausmiete und Essen und Trinken für sich und die Kleine beschaffen müsse. Die Sorgen des Alters hatten sich unauslöschlich in sie hineingefressen. »Sie hat gar keine Freude davon, daß sie hier liegt und es gut hat,« sagte eine alte Frau, die im Bett neben ihr lag – »sie kämpft die ganze Zeit, um das Nötige zu beschaffen. Und wenn sie einen hellen Augenblick hat, reist sie nach Jütland.«

Bei dem Klang dieses Wortes richtete Frau Johnsen ihre Augen auf Pelle. »Ich möchte so gern Jütland noch 'mal wiedersehen, ehe ich sterbe«, sagte sie. »Seit ich in meinen jungen Jahren hier herüberkam, hab' ich immer bei mir gedacht, das erste Geld, das ich übrig hab', will ich zu einer Reise nach Hause gebrauchen. Aber es kam nie dazu. Hannens Kleine will ja auch leben – sie essen tüchtig in dem Alter!« Und damit fing die Sache wieder von vorne an.

Die Krankenpflegerin kam und sagte zu Pelle, jetzt müsse er gehen. Er erhob sich und beugte sich über die Alte, um ihr Lebewohl zu sagen, wunderlich berührt durch den Gedanken, daß sie so viel für ihn gewesen war und ihn jetzt kaum erkannte. Sie lag da und griff tastend mit beiden Händen um seine Rechte, wie ein Blinder, der wiedererkennt, dann sah sie ihn mit ihren ausdruckslosen Augen an, die schon fleckig vom Tode waren. »Deine Hand ist noch gut«, sagte sie langsam mit der fernklingenden Stimme des Alters. »Hanne hätte dich nehmen sollen, dann wäre vieles jetzt anders gewesen.«


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